Aktenzeichen: 2 Ws 132/2000 OLG Hamm
Leitsatz: Zur örtlichen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer
Senat: 2
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, Befasstsein, Übergang von Untersuchungshaft in Strafhaft
Normen: StPO § 462 a Abs. 1 StPO, StPO 453, StPO 454, StPO 454 a, StPO 462
Beschluss: Strafsache gegen Y.C. wegen vorsätzlicher Körperverletzung pp., hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung).
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 31. März 2000 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 21. März 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der für die Entscheidung in der Sache berufenen Strafvollstreckungskammer vorbehalten.
Gründe :
Gegen den Verurteilten ist im vorliegenden Verfahren durch Urteil des Amtsgerichts München vom 4. November 1996 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte eine Freiheitsstrafe in Höhe von neun Monaten verhängt worden, deren Vollstreckung für die Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt worden ist. In dem Bewährungsbeschluss vom selben Tag ist ihm u.a. auferlegt worden, eine Geldbuße in Höhe von 2.000,- DM an eine gemeinnützige Einrichtung zu erbringen, was zwischenzeitlich vollständig geschehen ist. In der Folgezeit ging beim Amtsgericht München, welches die Bewährungsaufsicht führte, ein gegen den Verurteilten erlassener Haftbefehl des Amtsgerichts Herne vom 14. April 1999 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, begangen im Juni 1997, ein, aufgrund dessen sich der Verurteilte seit dem 1. Juni 1999 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf befand. Wegen der im Haftbefehl genannten Tat wurde der Verurteilte sodann am 30. Juli 1999 vom Landgericht Bochum zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieses Urteil ist mit dem die Revision des Verurteilten verwerfenden Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 21. Dezember 1999 an diesem Tage rechtskräftig geworden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Verurteilte noch in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf. Erst am 5. Januar 2000 wurde er zur weiteren Vollstreckung der Strafhaft in die Justizvollzugsanstalt Bochum verlegt, in der er seither einsitzt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft München widerrief die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum mit dem angefochtenen Beschluss unter Anrechnung von 40 Tagen Freiheitsstrafe auf die gemäß Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts München geleistete Geldbuße die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts München wegen der erneuten Straffälligkeit des Verurteilten. Gegen diesen Widerrufsbeschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten, deren Verwerfung die Generalstaatsanwaltschaft beantragt hat.
Der sofortigen Beschwerde kann ein - allerdings vorläufiger - Erfolg nicht versagt bleiben. Denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum war für die Entscheidung über den beantragten Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung örtlich nicht zuständig.
Gemäß § 462 a Abs. 1 StPO ist für die nach den §§ 453, 454, 454 a und 462 StPO zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte, gegen den eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird, zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist. Dabei bedeutet Aufnahme zum Zwecke der Vollstreckung allein eine solche als Strafgefangener (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., zu § 462 a Rdnr. 5), so dass der Vollzug von Untersuchungshaft (vgl. insoweit BGH NStZ 1990, S. 230) oder der sogenannten Organisationshaft (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27.03.1998 in StV 1999, S. 498) noch keine Zuständigkeit begründet. Allerdings ist bei Übergang von Untersuchungshaft in Strafhaft der Tag der Rechtskraft des zu vollstreckenden Urteils für die Begründung der Zuständigkeit maßgebend (BGHSt 27, S. 302 ff.), auch wenn die Verlegung in die nach dem Vollstreckungsplan zuständige Justizvollzugsanstalt demnächst zu erwarten ist (vgl. BGHSt 38, S. 63; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 462 a StPO Rdnr. 6).
Vorliegend befand sich der Verurteilte zum Zeitpunkt der Rechtskraft des gegen ihn nunmehr vollstreckten Urteils des Landgerichts Bochum am 21. Dezember 1999 in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf, so dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf gemäß § 462 a Abs. 1; Abs. 4 S. 3 StPO für die gemäß der §§ 453 Abs. 1 StPO, 56 f StGB anstehende Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zuständig wurde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass bereits im April 1999 das seinerzeit noch die Bewährungsaufsicht führende Amtsgericht München nach Aktenlage mit der Sache befasst war, da die Kenntnisnahme des Haftbefehls des Amtsgerichts Herne vom 14. April 1999 bereits eine aktenkundige Tatsache war, die den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung hätte rechtfertigen können (BGHSt 30, 189 (191)). Denn gemäß § 462 a Abs. 4 S. 3 StPO ging die Zuständigkeit auch dann auf die Strafvollstreckungskammer Düsseldorf über, wenn - wie hier - das erkennende Gericht schon mit der Sache befasst war, über die es jedoch noch nicht - abschließend - entschieden hatte (BGHSt 30, 189 (192)).
Mangels Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum war der angefochtene Beschluss mithin aufzuheben.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war der für die Sachentscheidung zuständigen Strafvollstreckungskammer - hier des Landgerichts Düsseldorf - zu überlassen, da der Senat keine das Verfahren abschließende Entscheidung i.S.d. § 464 Abs. 2 StPO getroffen hat.
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