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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 296/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zulässigkeit einer Beschwerde gegen einen Bewährungsbeschluss, wenn zuvor aufgrund einer Absprache auf Rechtsmittel verzichtet worden ist, die im Bewährungsbeschluss gemachten Auflagen aber nicht Inhalt der Absprache gewesen sein sollen.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Bewährungsauflage, Anfechtbarkeit, nicht eingehaltene Absprache

Normen: StPO 268 a, StPO 305 a

Beschluss: Strafsache gegen L.K.,
wegen Raubes u. a., (hier: Beschwerde gegen einen Bewährungsbeschluss).

Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 4. Februar 1998 gegen den Bewährungsbeschluss der 1. Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 2. Februar 1998 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. August 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten als unlässig verworfen.

Gründe:

Der Beschwerdeführer wurde nach neuntägiger Hauptverhandlung am 2. Februar 1998 wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Raub und gefährlicher Körperverletzung, wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Betruges unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus zwei weiteren Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 50,00 DM, die in monatlichen Raten zu 500,00 DM gezahlt werden kann, verurteilt. Dieses Urteil beruhte auf einer Absprache zwischen den Verfahrensbeteiligten (Verständigung im Strafprozess), aufgrund derer u. a. das Verfahren wegen weiterer gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe gemäß § 154 Abs. 2 StPO noch in der Hauptverhandlung und wegen des weiteren Vorwurfs der Vergewaltigung nach Beendigung der Hauptverhandlung im März 1998 ebenfalls gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die Verurteilung eingestellt wurde.

Aus dem Sitzungsprotokoll lässt sich insoweit folgender Gang der Hauptverhandlung entnehmen:

Nachdem das Urteil durch Verlesung der Urteilsformel und durch mündliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe verkündet worden war, wurde sodann der Bewährungsbeschluss dahin verkündet, dass die Bewährungszeit drei Jahre beträgt und dem Angeklagten die Ableistung von 300 Stunden sozialer Dienste auferlegt wurde. Im Anschluss daran wurde der gegen den Angeklagten noch bestehende Haftbefehl und die dazu ergangenen Haftverschonungsbeschlüsse aufgehoben. Sodann wurde, eine Rechtsmittelbelehrung und Belehrung gemäß § 268 a StPO erteilt.

Hiernach erklärte der Verteidiger: ,,Ich verzichte auf Rechtsmittel" und der frühere Angeklagte schloss sich mit den Worten an: ,,Ich habe meinen Verteidiger zur Abgabe dieser Erklärung ermächtigt".

Nachdem diese Erklärungen vorgelesen und genehmigt worden waren und danach Rechtsmittelverzichtserklärungen durch die ,Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin sowie deren Vertreter erklärt worden waren, war die Hauptverhandlung beendet.

Gegen den Bewährungsbeschluss wendet sich der Verurteilte nunmehr mit am 5. Februar 1998 beim Landgericht Hagen ,eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom 4. Februar 1998 insoweit, als die Bewährungszeit auf drei Jahre und nicht ,nur auf zwei Jahre festgesetzt und die Auflage zur Ableistung von 300 Sozialstunden erteilt worden ist.

Er trägt dazu vor, alle Beteiligten hätten sich für ,den Fall, dass die zu verhängende Freiheitsstrafe auf zwei Jahre mit Bewährung lauten würde, geeinigt, dass die Bewährungszeit zwei Jahre dauern sollte, Auflagen für die Bewährungszeit jedoch
nicht erfolgen sollten, da zu erwarten war, dass neben einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe mit außerordentlich empfindlichem Ausmaß verhängt werden würde. Das Urteil sei zwar rechtskräftig, weil alle Beteiligten auf Rechtsmittel verzichtet hätten, jedoch sei nicht auf Rechtsmittel gegen den Bewährungsbeschluss gemäß § 268 a StPO verzichtet worden.

Der Vorsitzende der Strafkammer hat in seiner dem Beschwerdeführer bekannt gegebenen dienstlichen Äußerung vom 13. Juli 1998 erklärt, dass in einem ersten frühen Vorgespräch über eine mögliche Verständigung zwischen ihm, dem Verteidiger und der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft von ihm zwar eine Bewährungszeit von zwei Jahren erwähnt worden sei, die Staatsanwältin zunächst den Gedanken einer Verständigung jedoch zurück gewiesen habe. Bei dem späteren eigentlichen Verständigungsgespräch unter Einbeziehung aller Verfahrensbeteiligten sei weder die Dauer der Bewährungszeit angesprochen noch durch ein Mitglied der Kammer erklärt oder gar zugesagt worden, es sollten Auflagen für die Bewährungszeit nicht erfolgen. Angesichts der auch ins Auge gefassten Geldstrafe sollte lediglich auch seitens der Kammer darüber hinaus eine Geldbuße nicht in Betracht gezogen werden.

Die gemäß § 305 a Abs. 1 Satz 1 StPO statthafte Beschwerde, der die Strafkammer nicht abgeholfen hat, erweist sich als unzulässig.

Die Unzulässigkeit folgt aus dem nach Verkündung des Urteils und des nunmehr angefochtenen Bewährungsbeschlusses nach § 268 a StPO erklärten, vorgelesenen und genehmigten allgemeinen Rechtsmittelverzicht, der sich nach seinem Wortlaut nur auf sämtliche zuvor verkündeten Entscheidungen beziehen konnte. Insoweit nimmt der Rechtsmittelverzicht auch an der Beweiskraft des § 274 StPO teil (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 274 Rdnr. 11). Der frühere Angeklagte hat insoweit weder einen Vorbehalt gemacht noch seinen Rechtsmittelverzicht eingeschränkt, so dass auch die Frage der Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen hier keine Rolle spielt (vgl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rdnr. 118 und Vor § 296 Rdnr. 5).

Auch aus dem von der Beschwerde mitgeteilten Umstand, dass der Verteidiger nach Ende der Ausführungen des Vorsitzenden zum Richtertisch gegangen sei und diesen auf dem Bewährungsbeschluss angesprochen habe, macht deutlich, dass zuvor sämtliche Erklärungen abgegeben waren und die Hauptverhandlung beendet war.

Danach war die Beschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge ais unzulässig zu verwerfen.

Somit brauchte der Senat angesichts der ohnehin nach § 305 a Abs. 1 Satz 2 StPO eingeschränkten Überprüfbarkeit nicht abschließend über die Gesetzmäßigkeit der Dauer der Bewährungszeit und der erteilten Auflage zu entscheiden. Anzumerken ist dabei jedoch, dass sich der vorliegende Verfahrensablauf in wesentlichen Punkten von demjenigen unterscheidet, über denen das OLG Köln im Beschluss vom 16. Januar 1998 in dem Verfahren 2 Ws 687/97 (vgl. JMBl. NW 1998, 92) zu befinden hatte, wobei hier noch folgendes hinzu kommt:

Der vorsitzende der Strafkammer hat laut Sitzungsprotokoll noch unmittelbar vor der Beendigung der Beweisaufnahme und der Schlussanträge darauf hingewiesen, dass auch Bewährungsauflagen erteilt werden können und insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Zudem hat auch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zur Beschwerdeschrift unter dem 17. Februar 1998 erklärt, dass die Dauer der Bewährungszeit nicht Gegenstand der vor Verfahrensabschluss erfolgten Verständigung gewesen sei und im übrigen das Gericht ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass es sich die Erteilung von Bewährungsauflagen vorbehalte.

Wie der Senat bereits mehrfach betont hat, ist ausgehend von dem nach § 305 a Abs. 1 Satz 2 StPO vorgegebenen Prüfungsmaßstab der Gesetzeswidrigkeit dieser in Rechtsprechung und Literatur dahingehend konkretisiert worden, dass die in einem Bewährungsbeschluss erfolgte Anordnung vom Gesetz vorgesehenen sein muß, nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar sein darf, die vom Gesetz vorgesehenen Ermessensgrenzen einzuhalten hat und keine Verfahrensvorschriften verletzen darf (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. November 1996 in 2 Ss 1117/96 und vom 27. Oktober 1995 in 2 Ws 519/95 jeweils m.w.N.).

Ob. es sich hier andererseits unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens angesichts der Anzahl der auferlegten Sozialstunden möglicherweise empfohlen hätte, die vorherige Verständigung ausdrücklich auch darauf zu erstrecken, brauchte der Senat ebenfalls nicht abschließend zu entscheiden (vgl. insoweit aber auch BGHSt 43, 212). Im übrigen kann bei einer eventuellen späteren. Veränderung der zunächst zugrunde gelegten Verhältnisse beim Verurteilten auch eine Entscheidung- nach § 56 e StGB in Betracht kommen.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 27. Juli 1998 den früheren Vorsitzenden des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, ist dieser Antrag schon deshalb gegenstandslos weil der abgelehnte Richter nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr am Oberlandesgerichts tätig ist.


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