Aktenzeichen: 3 Ws 727/99 OLG Hamm
Leitsatz: Nach § 68 b StPO ist auch die eine Beiordnung ablehnende Entscheidung unanfechtbar.
Senat: 3
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Beistand, Zeuge, Unanfechtbarkeit, Beiordnung eines Rechtsanwalts für Zeugen
Normen: StPO 68 b
Fundstelle: NStZ 2000, 220 = NZV 2000, 179
Beschluss: Strafsache gegen D.M.,
wegen vors. Gefährdung des Straßenverkehrs u.a., (hier: Beschwerde des Zeugen M.D. vertreten durch Rechtsanwälte K. und Partner in E., gegen die Ablehnung der Beiordnung der Rechtsanwältin O. als Beistand).
Auf die sofortige Beschwerde des Zeugen vom 04.11.1999 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der IX . Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 22.10.1999 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.12.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.
Gründe:
Mit der am 04.11.1999 bei dem Landgericht Essen eingegangenen Beschwerde seiner Bevollmächtigten vom selben Tag wendet sich der Zeuge M. gegen den Beschluss des Vorsitzenden der IX. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 22.10.1999, durch den der Antrag der Rechtsanwältin O. vom 29.09.1999, diese dem Zeugen M. als anwaltlichen Beistand für seine Vernehmung in der Hauptverhandlung am 10.11.1999 vor der IX. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen beizuordnen, abgelehnt worden ist.
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Entscheidung des Vorsitzenden ist gemäß § 68 b Satz 4 StPO unanfechtbar (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 68 b Rdnr. 8).
Der Senat vermag sich nicht der zum Teil vertretenen Auffassung anzuschließen, der Ausschluss der Anfechtbarkeit beziehe sich nur auf die Entscheidung, dem Zeugen einen anwaltlichen Beistand beizuordnen (so ohne nähere Begründung Karlsruher Kommentar-Senge, StPO, 4. Aufl., § 68b Rdn. 11). Diese Auslegung widerspricht bereits dem Wortlaut des Gesetzes. Nach § 68 b Satz 3 StPO i.V.m. § 141 Absatz 4 StPO entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, das für das Hauptverfahren zuständig ist, über die Beiordnung. Diese Entscheidung ist nach § 68 b Satz 4 StPO unanfechtbar, wobei nicht unterschieden wird, ob die Beiordnung erfolgt oder ein entsprechender Antrag abgelehnt wird. Aus dem Fehlen einer solchen Differenzierung ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Entscheidung unabhängig von ihrem Inhalt einer Überprüfung durch die Beschwerdeinstanz entziehen wollte. Andernfalls wäre zum Ausdruck gebracht worden, dass nur die Anfechtung einer bestimmten Entscheidung nicht statthaft ist.
Das Gesetz kennt an verschiedenen Stellen unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Anfechtbarkeit einer Entscheidung je nach ihrem Inhalt. Bei der Entscheidung über die Ablehnung einer Gerichtsperson bestimmt § 28 StPO in Absatz 1, dass der die Ablehnung für begründet erklärende Beschluss nicht anfechtbar ist, während Absatz 2 die sofortige Beschwerde für zulässig erklärt, wenn die Ablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Auch bei der Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag besteht eine differenzierte Anfechtbarkeit; nach § 46 Absatz 2 StPO unterliegt die dem Antrag stattgebende Entscheidung keiner Anfechtung, während nach § 46 Absatz 3 StPO gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung die sofortige Beschwerde zulässig ist. Eine vom Inhalt der Entscheidung abhängige Regelung der Anfechtbarkeit findet sich auch bei den Vorschriften über die Ausschließung eines Verteidigers; die Ausschlussentscheidung kann nach § 138 d Absatz 6 Satz 1 StPO vom Verteidiger mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, die einen Ausschluss ablehnende Entscheidung ist dagegen nach § 138 d Absatz 6 Satz 3 StPO nicht anfechtbar. Ähnliches gilt im übertragenen Sinne gemäß § 210 StPO für die Anfechtbarkeit des Eröffnungsbeschlusses; nach Absatz 2 steht (nur) der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder abweichend von ihrem Antrag die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ausgesprochen worden ist, sofortige Beschwerde zu, während die die Eröffnung beschließende Entscheidung nach Absatz 1 von dem Angeklagten nicht angefochten werden kann.
Diese Regelungen machen deutlich, dass der Gesetzgeber gegebenenfalls wörtlich zum Ausdruck bringt, dass lediglich eine Entscheidung bestimmten Inhalts anfechtbar ist, während die gegenteilige oder anderslautende Entscheidung keinem Rechtsmittel unterliegen soll. Somit ist davon auszugehen, dass bereits nach dem Wortlaut des § 68 b Satz 4 StPO die Anfechtbarkeit der Entscheidung unabhängig von ihrem Inhalt ausgeschlossen ist.
Diese Auslegung entspricht auch der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Bestimmung. Bereits im Gesetzgebungsverfahren hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass es aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und im Interesse einer raschen Klärung der Rechtslage zweckmäßig erscheint, die Entscheidung über die Bestellung des Zeugenbeistandes für unanfechtbar zu erklären (Deutscher Bundestag, 13. Wahlperiode, Drucksache 13/7165 Seite 9; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 68 b Rdnr. 8).
Dem Ziel des Gesetzgebers, durch das Verfahren über die Beiordnung eine Unterbrechung der Vernehmung weitgehend zu verhindern, stünde es entgegen, wenn die eine Beiordnung ablehnende Entscheidung im Beschwerdeverfahren zu überprüfen ist, weil dadurch in aller Regel Verzögerungen entstehen. Demgegenüber ist dem Schutzzweck der Regelung, einen anwaltlichen Beistand allen Zeugen beizuordnen, die sich einer tatsächlich und rechtlich schwierigen Situation gegenübersehen, weil ihnen aus ihrer Zeugenrolle schwerwiegende - insbesondere gesundheitliche - Nachteile erwachsen können oder die sich ohne anwaltlichen Beistand der Vernehmung nicht gewachsen fühlen, und bei denen die Gefahr besteht, dass sie ihre prozessualen Rechte nicht sachgerecht wahrnehmen können (Deutscher Bundestag, aaO., Seiten 4 und 8), durch das Zustimmungserfordernis der Staatsanwaltschaft (§ 68 b Satz 1 StPO), das dies nach pflichtgemäßen Ermessen auszuüben hat, und der Überprüfung durch das Gericht hinreichend Genüge getan.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
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