Aktenzeichen: 2 BL 80/2000 OLG Hamm
Senat: 2
Gegenstand: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht, BL 6
Stichworte: wichtiger Grund, zusammenhängende Ermittlungen, Anklageerhebung, Wiederinvollzugsetzung
Normen: StPO 121
Beschluss: Strafsache gegen H.P. wegen versuchter Anstiftung zum erpresserischen Menschenraub u.a., hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).
Auf die Vorlage der Akten zur Entscheidung gemäß den §§ 121, 122 StPO hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.06.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeschuldigten und seines Verteidigers beschlossen:
Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.
Gründe:
Der am 11. November 1999 vorläufig festgenommene Angeschuldigte befand sich zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Lippstadt vom 12. November 1999 - 9 Gs 155/99 - bis zum 2. Februar 2000 in Untersuchungshaft. Nach zwischenzeitlicher Außervollzugsetzung des Haftbefehls setzte das Amtsgericht Hagen auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Haftbefehl am 9. Februar 2000 wieder in Vollzug und fasste ihn neu - 67 Gs 60/00 -. Nach seiner erneuten Festnahme am 14. Februar 2000 befindet sich der Angeschuldigte seit diesem Tag wieder in Untersuchungshaft.
Der Einwand der Verteidigung mit Schriftsatz vom 26. Mai 2000 unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 16. Februar 2000, die Invollzugsetzung des Haftbefehls und die erneute Festnahme des Angeschuldigten seien unzulässig gewesen, da dies nur unter den hier nicht gegebenen Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO hätte geschehen dürfen, greift nicht durch. Nachdem die Staatsanwaltschaft gegen die Außervollzugsetzung des Haftbefehls zulässigerweise nach § 304 Abs. 1 StPO Beschwerde eingelegt hatte (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 116
Rdnr. 31), war das Amtsgericht befugt, der Beschwerde gemäß
§ 306 Abs. 2 StPO in Form der Invollzugsetzung und Neufassung des Haftbefehls abzuhelfen.
Mit dem Haftbefehl vom 9. Februar 2000 wird dem Angeschuldigten zur Last gelegt, versucht zu haben, einen anderen zu bestimmen, einen erpresserischen Menschenraub zum Nachteil des Fußballprofis M.S. bzw. dessen Familie zu begehen.
Wegen dieses Tatvorwurfs hat die Staatsanwaltschaft Hagen unter dem 10. Mai 2000 Anklage erhoben und dem Angeschuldigten darüber hinaus zur Last gelegt, versucht zu haben, einen Mithäftling zu überreden, für 50.000,- DM einen Killer anzuheuern, um den ihn belastenden Mittäter aus der geplanten Tat zum Nachteil S. vor der Hauptverhandlung zu töten.
Das Schwurgericht hat trotz eines entsprechenden Antrags der Staatsanwaltschaft den Haftbefehl dem gegenwärtigen Verfahrensstand bislang nicht angepasst.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat Haftfortdauer beantragt.
Diesem Antrag war stattzugeben.
Wegen der Einzelheiten der dem Angeschuldigten mit dem Haftbefehl zur Last gelegten Tat sowie des dringenden Tatverdachts wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Haftbefehl sowie die zutreffenden Ausführungen in der Anklageschrift zum wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen Bezug genommen. Die Verteidigung hat in ihrer Erwiderung vom 26. Mai 2000 auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft keine Einwendungen gegen den dringenden Tatverdacht bezüglich dieses Tatkomplexes erhoben.
Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO.
Der bereits zweifach wegen einschlägiger Taten zu Freiheitsstrafen von 7 Jahren und 6 Jahren 6 Monaten verurteilte Angeschuldigte hat sowohl wegen der ihm mit dem Haftbefehl zur Last gelegten Tat als auch wegen des weiteren Anklagevorwurfs mit der Verhängung einer langjährigen Haftstrafe und zudem unter Umständen mit der Anordnung von Sicherungsverwahrung zu rechnen. Darüber hinaus droht der Bewährungswiderruf einer Reststrafe. Dem daraus resultierenden erheblichen Fluchtanreiz stehen hinreichend tragfähige berufliche bzw. soziale Bindungen des Angeschuldigten nicht entgegen. Es muss daher befürchtet werden, dass er sich im Falle seiner Freilassung dem weiteren Verfahren und der ihm drohenden langjährigen Freiheitsentziehung durch Flucht entziehen würde. Dass der Angeschuldigte die zwischenzeitliche kurze Haftverschonung nicht zur Flucht genutzt hat, rechtfertigt im Ergebnis in Anbetracht dessen, dass er sich nunmehr mit einem weiteren schweren Tatvorwurf und der Möglichkeit der Anordnung von Sicherungsverwahrung konfrontiert sieht, keine andere Beurteilung.
Mildere Maßnahmen i.S.d. § 116 StPO reichen im vorliegenden Fall zur Überzeugung des Senats nicht aus, um die Fluchtgefahr wirksam ausräumen zu können.
Die bisher vollzogene Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung und Schwere des Tatvorwurfs und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden langjährigen freiheitsentziehenden Maßnahmen.
Wichtige Gründe i.S.v. § 121 StPO Abs. 1 StPO haben ein Urteil bislang nicht zugelassen; sie rechtfertigen aber, die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus aufrechtzuerhalten.
Die Ermittlungen sind ohne jede Verzögerung zügig geführt und zum Abschluss gebracht worden. Dem Einwand der Verteidigung, der Tatkomplex zum Nachteil der Familie S. sei bereits im Januar 2000 ausermittelt gewesen, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt die Anklageerhebung hätte erfolgen müssen, vermag der Senat nicht zu folgen. Das Anfang März 2000 bekannt gewordene Mordkomplott steht mit dem ursprünglichen Haftbefehlsvorwurf in einem untrennbaren Zusammenhang, so dass zwingende Gründe dafür vorgelegen haben, beide Tatkomplexe zusammen anzuklagen. Da die Anklage bereits unter dem 10. Mai 2000 erhoben worden ist, nachdem sich zwischenzeitlich noch die Notwendigkeit einer psychiatrischen und psychologischen Begutachtung des Angeschuldigten zur Frage seiner Schuldfähigkeit und zu den Voraussetzungen des § 66 StGB ergeben hatte, lässt sich ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot nicht feststellen.
Der Senat geht allerdings davon aus, dass nunmehr in Kürze über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden und zeitnah terminiert werden wird.
Nach allem war die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus anzuordnen.
Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.
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