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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. 6 - 52/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Zum besonderen Umfang des Verfahrens im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO

Senat: 2

Gegenstand: Pauschvergütung

Stichworte: Pauschvergütung, besonderer Umfang, kurzfristige Vorbereitung der Sache, Einarbeitung in umfangreiches Aktenmaterial

Normen: BRAGO 99

Beschluss: Strafsache gegen W.M., wegen Verstoßes gegen § 84 GmbHG u.a. (hier: Pauschvergütung für den bestellten Verteidiger).

Auf den Antrag des Rechtsanwalts V. aus B. vom 30. Dezember 1999 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 7. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Dem Antragsteller wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 3.520,-- DM eine Pauschvergütung in Höhe von 5.000 DM (in Worten: fünftausend Deutsche Mark) bewilligt.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Gegen den ehemaligen Angeklagten ist seit 1994 ein Verfahren wegen Betruges und Verstoßes gegen § 84 GmbHG anhängig gewesen. Der Antragsteller ist am 29. Januar 1997 dem ehemaligen Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Zuvor ist der Antragsteller nicht im Verfahren tätig gewesen.

In seiner Eigenschaft als Pflichtverteidiger hat der Antragsteller Einsicht in die 25 Akten- und Beiaktenbände mit insgesamt 10.000 Seiten genommen. Die Hauptverhandlung begann bereits am 10. April 1997. Sie fand an 9 Terminen vor der großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Bochum statt. Die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine betrug rund 3 Stunden 8 Minuten. In der Regel fanden 1 bis 2 Termine in der Woche statt. Zeugen wurden nicht vernommen. Neben der Tätigkeit in der Hauptverhandlung hat der Antragsteller nach seinen Angaben noch einige Besprechungen mit dem ehemaligen Angeklagten geführt.

Die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers betragen 3.520,00 DM (480,00 DM + 8 * 380,00 DM). Die Wahlverteidigerhöchstgebühren betragen 7.600 DM, die Mittelgebühr eines Wahlverteidigers beträgt 4.340,-- DM. Der Antragsteller hat eine Pauschvergütung von 6.940 DM beantragt, und zwar für jeden Hauptverhandlungstag weitere 380,-- DM. Der Vertreter der Staatskasse hat gegen die Gewährung einer angemessenen Pauschvergütung keine Bedenken erhoben. Er hat das Verfahren allerdings nur als "besonders schwierig" angesehen.

II.
Dem Antragsteller war gemäß § 99 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen.

1. Das Verfahren war für den Antragsteller "besonders schwierig" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO. Der Senat schließt sich insoweit der Einschätzung des Vorsitzenden der Wirtschaftsstrafkammer, der auch der Vertreter der Staatskasse nicht widersprochen hat, an (zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit dieser Einschätzung siehe Senatsbeschluss in 2 (s) Sbd. 5 - 265/97 vom 15. Januar 1998 in AnwBl. 1998, 416 = AGS 1998, 104 = ZAP EN-Nr. 609/98).

2. Das Verfahren war nach Auffassung des Senats auch im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO "besonders umfangreich". Besonders umfangreich ist eine Strafsache nach ständiger Rechtsprechung des Senats, die der einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur entspricht (vgl. z.B. OLG Koblenz NStZ 1988, 371; siehe auch Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 13. Aufl., 1999, § 99 Rn. 3), wenn der von dem Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" Sache zu erbringen hat. Vergleichsmaßstab sind dabei nur gleichartige Verfahren (OLG Koblenz Rpfleger 1985, 508; OLG München JurBüro 1976, 638 = MDR 1976, 689), vorliegend also Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer (vgl. auch Senat in NStZ-RR 1998, 254 = StraFo 1998, 321, 356 = AGS 1998, 140 = StV 1998, 619 und die weiteren Nachweise aus der Rechtsprechung des Senats bei ).

Legt man diesen Maßstab hier zugrunde, hat es sich - auch für ein Wirtschaftsstrafverfahren - um ein "besonders umfangreiches" Verfahren gehandelt.

Die zeitliche Beanspruchung des Antragstellers durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung lag mit einer durchschnittlichen Hauptverhandlungsdauer von rund 3 Stunden allerdings im unterdurchschnittlichen Bereich. Auch war die Terminierung mit durchschnittlich einem bzw. zwei Hauptverhandlungstag/Woche nur locker. Insoweit ist daher die Auffassung des Vertreters der Staatskasse zutreffend, dass mit der Teilnahme an den Hauptverhandlungen der "besondere Umfang" des Verfahrens nicht begründet werden kann.

Der Vertreter der Staatskasse berücksichtigt nach Auffassung des Senats bei seiner Einschätzung jedoch nicht ausreichend weitere darüber hinaus gehende Tätigkeiten, die es rechtfertigen, auch das vorliegende Verfahren schon als "besonders umfangreich" anzusehen: Der Antragsteller musste sich nämlich in verhältnismäßig kurzer Zeit in das besonders umfangreiche Aktenmaterial von rund 10.000 Seiten einarbeiten. Ihm verblieben nach seiner Beiordnung am 29. Januar 1997 bis zum Beginn der Hauptverhandlung am 10. April 1997 dafür nur gut neun Wochen. Hinzu kommen die zahlreichen Besprechungen des Antragstellers mit seinem Mandanten. Der dafür insgesamt vom Antragsteller erbrachte Zeitaufwand geht nach Auffassung des Senats erheblich über das hinaus, was sonst in Verfahren vor der Strafkammer üblich ist. Auch darf der dazu zusätzlich erbrachte Zeitaufwand für die Vor- und Nachbereitung der Hauptverhandlung nicht übersehen werden.

3. Bei der somit nach allem zu bewilligenden Pauschvergütung hat der Senat bei der Bemessung der Pauschvergütung alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Dabei waren einerseits die nur unterdurchschnittliche Dauer der Tätigkeiten des Antragstellers in der Hauptverhandlung zu berücksichtigen. Den zur Vorbereitung der Hauptverhandlung vom Antragsteller für Akteneinsicht und Besprechungen erbrachten Zeitaufwand hat der Senat bei der überschlägigen Bemessung der Pauschvergütung pauschal mit der Wahlverteidigerhöchstgebühr angesetzt. Der Senat hat außerdem berücksichtigt, dass das Verfahren "besonders schwierig" gewesen ist.

Insgesamt erschien dem Senat zum angemessenen Ausgleich der vom Antragsteller erbrachten Tätigkeiten eine über der Mittelgebühr eines Wahlverteidigers liegende Pauschvergütung erforderlich. Deshalb ist die Pauschvergütung auf 5.000 DM festgesetzt worden. Eine höhere Pauschvergütung kam nicht in Betracht. Insbesondere bestand vorliegend kein Anlass eine in Nähe der Wahlverteidigerhöchstgebühr - wie beantragt - liegende Pauschvergütung festzusetzen. Nach ständiger Rechtsprechung kommt eine Pauschvergütung in dieser grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn das Verfahren den Pflichtverteidiger über einen längeren Zeitraum ganz oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat (vgl. z.B. Senat in StraFo 1998, 215 = AGS 1998, 87 = JurBüro 1998, 413; Senat in 1998, 431 = JurBüro 1999, 134 = AGS 1999, 104; Senat in StraFo 1999, 431). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Der Senat hat auch keinen Anlass vorliegend von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Der vorliegende Fall ist mit den Umständen der Entscheidung des Senats vom 19. Mai 2000 in 2 (s) Sbd. 6-48/2000 nämlich nicht vergleichbar. Dort hatte der Verteidiger ein erheblich umfangreicheres Aktenmaterial in noch kürzerer Zeit durchzuarbeiten und hat zudem erheblich mehr zusätzlichen Besprechungsaufwand erbracht. Nach allem war damit der weitergehende Antrag zurückzuweisen.


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