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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 24/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG setze eine kausale Beziehung zwischen der Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers und seiner Straftat voraus. Allein der Umstand, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Begehung der Tat betäubungsmittelabhängig war, reicht nicht aus.

Senat: 1

Gegenstand: Strafvollstreckungssache

Stichworte: Zurückstellung der Strafvollstreckung, Betäubungsmittelabhängigkeit, kausaler Zusammenhang, Ermessensentscheidung

Normen: BtMG 35

Beschluss: Justizverwaltungssache betreffend A,P. wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, hier: Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 21.03.2000 auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Wuppertal vom 18.01.2000 in der Form des Beschwerdebescheids des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 29.02.2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:

Der Antrag wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:
Der Antragsteller ist am 08.07.1996 von dem Schöffengericht Remscheid wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Durch Beschluss vom 26.01.1998 wurde die Bewährung wegen einer Straffälligkeit in der Bewährungszeit um ein Jahr verlängert. Da der Angeklagte jedoch erneut straffällig geworden ist, wurde die Strafaussetzung mit Beschluss vom 26. Juli 1999 widerrufen. Der Antragsteller hat Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG beantragt und geltend gemacht, er sei seit langen Jahren drogenabhängig. Derzeit befinde er sich in einer Entzugsbehandlung. Im Anschluss daran sei eine etwa zweijährige "Nachsorgetherapie" vorgesehen.

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, weder aus den Gründen des Urteils vom 04.01.1996 ergäbe sich, dass die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden sei, noch stehe dies sonst fest. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf zurückgewiesen. In seinem Bescheid hat er u.a. ausgeführt:

"Eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG setzt u.a. voraus, dass der Verurteilte die Tat, die Gegenstand des Urteils ist, nicht nur anlässlich, sondern aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat. Es muss ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen Tat und Abhängigkeit bestehen, d.h. die Tat muss aus der Sucht erwachsen (zu vgl. Weber, BtMG, § 35 Rdnr. 33 m.w.N.; Körner in Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts § 18 Rdnr. 21).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn nach den Urteilsfeststellungen entsprang die Tat Ihres Mandaten Umständen, die nicht mit seiner etwaigen Betäubungsmittelabhängigkeit zu erklären sind, sondern ihre Ursache in der Wut und Eifersucht Ihres Mandanten hatte. Die Feststellungen in dem Urteil des Amtsgerichts Remscheid vom 8. Juli 1996 stehen im Übrigen in Einklang mit der Stellungnahme der Evangelischen Nervenklinik, Stiftung Tannenhof, vom 22. Februar 1995, in der u.a. ausgeführt ist, dass der Verurteilte "sein Hauptproblem nicht in der Drogenabhängigkeit, sondern in seiner Unfähigkeit, mit dem täglichen Leben zu Recht zu kommen", sah, wobei in Einzelgesprächen auffiel, "dass unterschiedliche Affekte wie Wut und Idealisierung völlig unintegriert gegenüber standen".

Daher fehlt es an dem notwendigen Kausalzusammenhang, so dass ungeachtet einer etwaigen Betäubungsmittelabhängigkeit zum Tatzeitpunkt die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 BtMG nicht erfüllt sind.

Ihre Beschwerde weise ich daher zurück."

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Dieser hat keinen Erfolg.

Bei der Entscheidung, ob einem Verurteilten Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zur Durchführung einer Entzugstherapie zu bewilligen ist, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG ist eine solche Ermessensentscheidung gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG rechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die Staatsanwaltschaft die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat, oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden und ob die Vollstreckungsbehörde den Sachverhalt in dem gebotenen Umfang unter Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat (vgl. OLG Hamm, NStZ 1982, 483, 484; Beschluss vom 02.03.2000 - 1 VAs 7/2000 -).

Vorliegend ist die Generalstaatsanwaltschaft von einem zutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen, nach dem die Voraussetzungen für die Zurückstellung nicht vorliegen. Eine kausale Beziehung zwischen der Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers und seiner Straftaten lässt sich nicht feststellen. Allein der Umstand, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Begehung der Tat betäubungsmittelabhängig war, reicht nicht aus. In welcher Weise die Abhängigkeit den Entschluss zur Durchführung der Tat oder das eigentliche Tatgeschehen beeinflusst hat, wird nicht deutlich. Hierzu trägt der Antragsteller auch nichts Konkretes vor. Der Antrag war daher zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.


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