Aktenzeichen: 1 Ss OWi 321/2000 OLG Hamm
Leitsatz: Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe, wenn der Betroffene anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Radarfotos identifiziert werden soll.
Senat: 1
Gegenstand: Rechtsbeschwerde
Stichworte: Täteridentifizierung, Lichtbild, Foto, Anforderungen an Urteilsgründe, Abgleich mit einem Passfoto, Beweisverwertungsverbot, Verjährung, Übersendung eines Anhördungsbogens
Normen: StPO 267, OWiG 33
Beschluss: Bußgeldsache gegen G.S. wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 25. Januar 2000 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 25.04.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Arnsberg zurückverwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h zu einer Geldbuße von 500,- DM verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 24.05.1999 um 8.34 Uhr als Führer seines PKW HSK-U 8444 die L 686 in Sundern-Seidfeld in Richtung Sundern. Dabei überschritt er in Höhe der VEW-Station die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h. Zur Identifizierung des bestreitenden Betroffenen als Fahrer des gemessenen Fahrzeugs und seiner Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Die Beweisaufnahme hat außerdem ergeben, dass der Betroffene der Fahrer des Fahrzeugs zur Tatzeit war. Bei dem Betroffenen, der persönlich in der Hauptverhandlung anwesend war, konnten daher Vergleiche zu den Lichtbildern, die zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurden, angestellt werden. Zunächst fällt die Kopfform auf. Es war eindeutig festzustellen, dass die ovale Kopfform, die hohe Stirn und der zurückliegende Haaransatz übereinstimmten. Außerdem stimmte die Nasenform sowie die Wangenbeine, die eindeutig auf den Fotos erkannt werden konnten, mit dem Gesicht des Betroffenen überein.
Aus alledem ergibt sich, dass in der Hauptverhandlung der Betroffene eindeutig erkannt werden konnte als der Fahrer auf den Fotos, die bei der Geschwindigkeitsmessung gemacht worden sind."
Dieses Urteil greift der Betroffene mit der rechtzeitig eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde an, mit der er im Einzelnen beanstandet, das Urteil beruhe auf einem Rechtsfehler, weil die dem Verfahren zugrunde liegende Ordnungswidrigkeit verjährt sei und weil die Behörden den Betroffenen unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen als angeblichen Täter ermittelt hätten. Die Bußgeldstelle des Hochsauerlandkreises habe sich vom Einwohnermeldeamt in Sundern eine Ablichtung des Passfotos des Betroffenen übermitteln lassen, um dieses mit dem Radarfoto vergleichen zu können.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Arnsberg zurückzuverweisen.
Ihren Antrag vom 11.04.2000 hat sie u.a. wie folgt begründet:
"Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Ihr ist ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht zu versagen.
Indessen liegt ein Verfahrenshindernis, wie in der Begründung der Rechtsbeschwerde behauptet, nicht vor. Der Anhörungsbogen und später der Bußgeldbescheid richteten sich gegen den Betroffenen und entfalteten eine verjährungsunterbrechende Wirkung, so dass eine Verfolgungsverjährung nicht eingetreten ist. Der Vortrag der Rechtsbeschwerde, zu diesem Zeitpunkt habe sich der Verdacht gegen den Betroffenen lediglich aufgrund seiner Eigenschaft als Halter des PKW gerichtet, ist rechtlich ohne Belang. Für die Stellung als Betroffener in einem Bußgeldverfahren kommt es lediglich darauf an, ob sich gegen die betreffende Person ein Tatverdacht und ein Verfolgungswille der zuständigen Behörde richtet (zu vgl. Göhler, 12. Aufl., vor § 59 OWiG, Rdnr. 49; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. Aufl., Einleitung Rdnr. 76 m.w.N.).
...
Das Urteil ist jedoch auf die Sachrüge aufzuheben, weil die Urteilsgründe nicht den Anforderungen entsprechen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die Darlegung der Beweiswürdigung zur Identifizierung des Betroffenen anhand der bei der Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos zu stellen sind. Der Bundesgerichtshof (BGH NZV 1996, 157, 158) hat insoweit ausgeführt, dass dann, wenn eine prozessordnungsgemäße Verweisung auf das Beweisfoto nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG unterbleibt, das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben muss, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist.
Eine prozessordnungsgemäße Verweisung auf die von dem Amtsrichter verwendeten Beweisfotos gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG ist in dem angefochtenen Urteil nicht erfolgt. Das Urteil enthält lediglich Ausführungen dazu, dass die entsprechenden Lichtbilder in Augenschein genommen und mit dem in der Hauptverhandlung erschienenen Betroffenen verglichen worden sind. Mit diesen Ausführungen wird nur der Beweiserhebungsvorgang, aufgrund dessen der Tatrichter seine Überzeugung von der Identität des Betroffenen als Fahrer gebildet hat, beschrieben. Für die Anwendung der oben angegebenen Rechtsprechung ist aber entscheidend, dass die Lichtbilder zum Inhalt der Urteilsurkunde gemacht worden sind. Dazu lässt sich jedoch der bloßen Mitteilung, die Lichtbilder seien in Augenschein genommen worden, nichts entnehmen mit der Folge, dass es dem Senat verwehrt ist, die in den Akten befindlichen Lichtbilder selbst zu würdigen und darauf zu überprüfen, ob sie für eine Identifizierung des Betroffenen geeignet sind (zu vgl. Senatsbeschluss vom 26.03.1996 - 1 Ss OWi 267/96 -; Beschluss des 3. Senats für Bußgeldsachen des OLG Hamm vom 18.03.1997 - 3 Ss OWi 1531/96 -; OLG Hamm NStZ - RR 1988, 238; OLG Brandenburg DAR 1998, 112, 113).
Die Urteilsgründe enthalten aber auch keine Ausführungen zur Bildqualität, insbesondere zur Schärfe der Lichtbilder. Eine detaillierte Beschreibung der auf den Lichtbildern abgebildeten Person ist nicht in ausreichendem Maße erfolgt. Die aufgeführten Identifizierungsmerkmale wie Kopfform, Haaransatz, Nasenform und Wangenbeine treffen auf eine Vielzahl von Personen zu und sind daher wenig aussagekräftig. Aus diesen Gründen ist dem Senat eine Prüfung der fehlerfreien Identifizierung nicht möglich."
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt der Senat sich an.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.
Soweit der Betroffene das angefochtene Urteil mit der Rüge angreift, er sei von der Bußgeldstelle unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen als angeblicher Täter ermittelt worden, geht dieser Angriff fehl. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Übermittlung einer Ablichtung des Lichtbildes des Betroffenen von der Melde- an die Ordnungsbehörde einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Personalausweis- oder Passgesetzes darstellte und ob ein solcher ein Beweisverwertungsverbot darstellt. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einem derartigen eventuell gegebenen Verfahrensfehler. Die gerichtliche Überführung des Betroffenen als Täter stützt das Amtsgericht nicht auf den Vergleich zwischen dem angeblich rechtswidrig erlangten Passfoto und der Radaraufnahme, sondern allein auf den Vergleich des Äußeren des in der Hauptverhandlung erschienenen Betroffenen mit dem sich aus dem Radarfoto ergebenden Bild.
Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass das Amtsgericht im Falle der Verurteilung des Betroffenen und der Verhängung eines Fahrverbotes bei seiner erneuten Entscheidung gemäß § 25 Abs. 2 a StVG bei der Tenorierung zum Ausdruck zu bringen haben wird, dass ein eventuelles Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch nach Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
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