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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ss OWi 211/2000 OLG Hamm

Leitsatz:

  1. Das Rechtsbeschwerdegericht hat auch die Entscheidung des Tatrichters von einem an sich nach §§ 25 Abs. 1 Satz 2, 24 a StVG verwirkten Regelfahrverbot abzusehen, bis zur "Grenze des Vertretbaren" hinzunehmen.
  2. Eine Absehen von einem Fahrverbot ist in diesem Fall nicht nur gerechtfertigt, wenn ein Existenzverlust sicher feststeht, sondern bereits dann, wenn dieser aufgrund konkreter Umstände nachprüfbar droht.

Senat: 1

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Fahrverbot, Absehen, außergewöhnliche Härte, Existenzverlust, wirtschaftliche Nachteile, Überprüfbarkeit der Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht

Normen: StVG 24 a, StVG 25

Beschluss: Bußgeldsache gegen H.V.
wegen Zuwiderhandlung gegen § 24 a StVG.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen das Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 24. August 1999 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 02.03.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels einschließlich der dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:
Das Amtsgericht Arnsberg hat mit Urteil vom 22. August 1998 gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässiger Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG eine Geldbuße von 1.000,- DM festgesetzt. Von der Verhängung eines Fahrverbotes ist abgesehen worden. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen dieses Urteil hat der Senat mit Beschluss vom 20. April 1999 das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Arnsberg zurückverwiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, das Amtsgericht habe nicht nachprüfbar dargelegt, dass ein Fahrverbot für den Betroffenen unausweichlich zum Existenzverlust führen würde. Darüber hinaus dürfe das Amtsgericht die Angaben des Betroffenen im Zusammenhang mit den für ein Fahrverbot bedeutsamen Umständen nicht einfach ungeprüft übernehmen, sondern müsse eventuell unter Vorladung von Zeugen die näheren Auswirkungen des Fahrverbots ermitteln und in die Erwägungen einbeziehen.

Das Amtsgericht hat nunmehr in der erneuten Hauptverhandlung den Zeugen F., Bauingenieur der Firma K. und Bauleiter, vernommen. Mit Urteil vom 24. August 1999 hat es erneut gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 a StVG eine Geldbuße von 1.000,- DM festgesetzt und von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen. Insoweit hat das Amtsgericht zur Begründung ausgeführt:

"Der Zeuge hat damit in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargetan, dass die Existenz des inzwischen 60-jährigen Betroffenen in Gefahr käme, wenn ein Fahrverbot gegen ihn verhängt werden würde. Er hat zwar nicht konkret gesagt, dass der Betroffene bei weiteren Aufträgen keine Berücksichtigung fände, dies jedoch auf keinen Fall ausgeschlossen. Die Firma K., die die Kosten hätte durch die Anlernung eines Ersatzmannes, will sich nicht festlegen, diesen Ersatzmann dann voll oder wenigstens teilweise bei den Aufträgen einzusetzen. Der ,Betroffene ist aber von den Aufträgen der Firma K. abhängig. Wenn er diese Aufträge verlöre, bedeutete das quasi den Verlust er Existenzgrundlage des, Betroffenen. Er ist auch in einem Alter, ,in dem er sich eine neue Existenz nicht mehr einfach aufbauen kann.

Das Gericht ,ist der ,Auffassung, dass in einem solchen Fall, in dem das kleine Unternehmen existentiell in Zeiten harten Wettbewerbs gefährdet ist, die Verhängung, des Fahrverbotes in diesem' Fall unangemessen ist.

Der Bettoffene, der vor diesem Vorfall und auch nach diesem Vorfall keinerlei Verkehrsverstöße begangen hat und noch nie ,eine Eintragung in Flensburg hatte, hat sich offensichtlich ,dieses Verfahren ausreichend zur Warnung dienen lassen, so dass auch ohne Verhängung eines Fahrverbotes die Warnfunktion vollkommen durchgreift. Er hat inzwischen so lange um seine Fahrerlaubnis gebangt, dass er sich dessen immer bewusst ist und keinen Verkehrsverstoß begehen wird.

Bei alledem erscheint es ausnahmsweise angebracht, von der Verhängung eines Fahrverbotes unter Verdoppelung der Geldbuße abzusehen."

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Arnsberg form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt. Es wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Zur näheren Begründung ist ausgeführt, die Urteilsfeststellungen reichten zur Begründung der Annahme einer unverhältnismäßigen Härte nicht aus. Eine außergewöhnliche Härte sei nicht schon deshalb gegeben, weil bei der Verhängung eines Fahrverbotes der Betroffene berufliche Nachteile erleiden würde. Derartige wirtschaftliche Nachteile seien regelmäßig die Folge eines Fahrverbotes und rechtfertigten keine Ausnahme.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg beigetreten.

Die zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg kann in der Sache keinen Erfolg haben. Die Erwägungen des Amtsgerichts, mit denen von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist, sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Im Falle einer Zuwiderhandlung nach § 24 a StVG ist gern. § 25 Abs. 1 5. 2 StVG in der Regel ein Fahrverbot anzuordnen. Dabei kommt es auf weitergehende Pflichtverletzungen im Sinne grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers nicht an. Der Tatbestand des § 24 a StVG umschreibt vielmehr wegen der hohen Durchschnittsgefährlichkeit des Kraftfahrzeugfahrens unter Alkohol den Regelfall eines Fahrverbotes.

Von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass nur ausnahmsweise von der Verhängung dieses Regelfahrverbotes abgesehen werden kann, nämlich dann, wenn entweder die Tatumstände so aus dem Rahmen üblicher Begehungsweise fallen, dass die Vorschrift über das Regelfahrverbot offensichtlich nicht darauf zugeschnitten ist, oder wenn die Anordnung für den Betroffenen eine Härte ganz außergewöhnlicher Art bedeuten würde (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., Rdnr. 15 a zu §25 StVG m.w.N.). Eine außergewöhnliche Härte ist nicht schon bei beruflichen Nachteilen gegeben. Wirtschaftliche Nachteile sind nämlich häufig Folge eines Fahrverbotes und rechtfertigen in der Regel keine Ausnahme Allerdings. rechtfertigt ein drohender Arbeitsplatz- oder Existenzverlust als unausweichliche, im Urteil nachprüfbar im Einzelnen zu begründende Folge eines Fahrverbotes ein Absehen von dem Regelfall (Jagusch/Hentschel, a.a.O.. Die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalles der konkrete Sachverha1t Ausnahmecharakter hat und somit von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann unterliegt in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler dahingehend überprüft werden; ob ,die gesetzlich niedergelegten oder von der Rechtsprechung ,herausgearbeiteten Zumessungskriterien beachten worden sind. Die Entscheidung ist im Zweifel ,,bis zur Grenze des Vertretbaren" zu respektieren. Dieser für § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG (OLG Hamm DAR 96, 68) und für die Ausnahmeregelung in § 69 a Abs. 2 StGB (OLG Hamm, VRS 62, 445) entwickelte Gründsatz muss auch für die Frage gelten, inwieweit gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG eine Ausnahme vom Regelfahrverbot zu machen ist.

Diese Überprüfung ergibt, dass die vom Amtsgericht angestellten Erwägungen ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen. Das Amtsgericht hat nunmehr nicht lediglich die Angaben des Betroffenen im Zusammenhang mit den für ein Fahrverbot bedeutsamen Umständen ungeprüft übernommen (OLG Düsseldorf NZV 1997, ,447), sondern den Zeugen F., Bauingenieur der Firma K. und Bauleiter, vernommen. Nach dessen Aussage ist, das Amtsgericht davon ausgegangen, es sei nicht ausgeschlossen, dass der Betroffene bei weiteren Aufträgen keine Berücksichtigung durch die Firma K. mehr finden würde. Dies würde nach Auffassung des Amtsgerichts einen Existenzverlust für den Betroffenen bedeuten. Ein Absehen von dem in § 25 I 2 StVG vorgesehenen Regelfahrverbot ist aber nicht nur dann gerechtfertigt, wenn ein Existenzverlust sicher feststeht, sondern bereits dann, wenn dieser aufgrund konkreter Umstände nachprüfbar droht. Nach der Aussage des Zeugen F. kann dem drohenden Existenzverlust infolge eines Fahrverbotes, auch nicht durch Urlaub begegnet werden, da dem Betroffenen höchstens für zwei Wochen Urlaub gewährt werden kann. Auch die Anstellung eines Fahrers kommt nach der Aussage des Zeugen F. nicht in Betracht, da der Betroffene nicht nur als Fahrer beschäftigt wird, sondern kleinere Reparaturaufträge erledigt. Zu diesem Zwecke muss der Betroffene auch einen Mehrzweckbagger fahren. Danach müsste der Betroffene nicht lediglich einen Fahrer einstellen, ,sondern eine Kraft, die ihm während seiner gesamten Tätigkeit zur Verfügung steht.

Nach alledem ist die Entscheidung des Amtsgerichts, auch im Hinblick auf den an sich mit der Verhängung eines Fahrverbotes verfolgten "Denkzettelzwecks" vertretbar und damit vom Rechtsbeschwerdegericht; nicht zu beanstanden, so dass die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. Abs. 1 StPO.


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