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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 42/2000 OLG Hamm

Senat: 1

Gegenstand: Strafvollzugssache

Stichworte: Verlegung in den offenen Vollzug, Beurteilungsspielraum der Vollzugsbehörde

Normen: StVollzG 10


Beschluss: Strafvollzugssache betreffend den H.K.,
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden,
(hier: Verlegung in den offenen Vollzug).

Auf die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt Werl vom 17. April 2000 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 15.03.2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Präsidenten des Justizvollzugsamtes Westfalen-Lippe, des Betroffenen und seines Verteidigers beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg zurückverwiesen.

G r ü n d e :
Der Antragsteller verbüßt zur Zeit eine Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren 6 Monaten wegen räuberischer Erpressung aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.09.1995 in der Justizvollzugsanstalt Werl. 2/3 der Strafe werden am 15.09.2000 verbüßt sein. Das Strafzeitende ist auf den 17.07.2003 notiert.

Der Antragsteller unterhält soziale Kontakte überwiegend zu seiner Ehefrau, die regelmäßig an Regel- und Langzeitbesuchen teilnimmt. Ferner hat er gemeinsam mit ihr an einem anstaltsinternen Eheseminar teilgenommen.

Der Antragsteller ist in der Vergangenheit erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Wegen der Darstellung der Vorstrafen, der Einzelheiten der Tatbegehung, die der derzeit zu verbüßenden Verurteilung zugrunde liegen, sowie die Umstände bei seiner Festnahme wird auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss (Bl. 3 und 4) verwiesen.

Im Vollzug ist der Gefangene bislang im Wesentlichen im Kabelhof und in der Anstaltsschlosserei beschäftigt gewesen. Im Rahmen der Überprüfung der Eignung des Antragstellers für eine Verlegung in den offenen Vollzug verzichtete er am 26.03.1998 auf eine Verlegung. Am 01.10.1998 meldete er sich sodann für eine Umschulung zum Landschaftsgärtner an. Die Umschulungsmaßnahme, die 21 Monate dauert, findet ausschließlich im Rahmen des offenen Vollzuges der Justizvollzugsanstalt Bochum-Langendreer statt. Beginn der Maßnahme war am 02.05.2000. Die förderungsrechtlichen Voraussetzungen nach dem AFG lagen vor. Einen gleichgerichteten Antrag stellte er am 22.07.1999.

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl lehnte den Antrag vom 01.10.1998 nach Erörterung in der Vollzugskonferenz durch Entscheidung vom 22.12.1998 mit der Begründung ab, der Antragsteller sei für den offenen Vollzug nicht geeignet. Das Vorleben des Antragstellers, sein vollzugliches Verhalten und die Stellungnahme des Psychologischen Dienstes schlössen eine Missbrauchsgefahr i.S.d. § 10 StVollzG nicht mit der erforderlichen Sicherheit aus. Wegen der weiteren Einzelheiten des Bescheides wird auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss (Bl. 5 letzter Absatz und Bl. 6 erster Absatz) Bezug genommen.

Den gegen diese Entscheidung gerichteten Widerspruch des Antragstellers vom 22.12.1998 wies der Präsident des Justizvollzugsamtes Westfalen-Lippe mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.1999 mit der Begründung zurück, dass vor dem Hintergrund des Vorlebens und des Vollzugsverhaltens des Antragstellers zur Abgabe einer günstigen Prognoseentscheidung i.S.d. § 10 StVollzG zunächst zwingend regelmäßige Gespräche des Antragstellers mit den zuständigen Fachdiensten erforderlich seien.

Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Die Strafvollstreckungskammer hat diesem Antrag - nach weiteren Ermittlungen - stattgegeben. Sie hat die Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass eine Missbrauchsgefahr i.S.d. § 10 StVollzG nicht mehr festgestellt werden könne. Hierbei hat sie die Stellungnahme des Psychologischen Dienstes der Anstalt vom 02.07.1999 besonders berücksichtigt, in der - nach Ansicht der Strafvollstreckungskammer - eine Verlegung des Antragstellers in den offenen Vollzug befürwortet werde. Ferner hat sie sich im Wesentlichen mit den Argumenten des Leiters der JVA in seiner Entscheidung vom 22.12.1998 auseinander gesetzt und diese im Wesentlichen nicht für zwingend erachtet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl mit seiner form- und fristgerecht erhobenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Diese hat der Senat zur Herbeiführung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache.

Indem die Strafvollstreckungskammer eine Flucht- und Missbrauchsgefahr verneint und den Antragsgegner verpflichtet hat, den Antragsteller zur Durchführung der Umschulungsmaßnahme in die JVA Bochum-Langendreer zu verlegen, hat sie sowohl in den der Vollzugsbehörde vorbehaltenen Beurteilungsspielraum eingegriffen als auch das der Vollzugsbehörde zustehende Folgeermessen in unzulässiger Weise durch eigene Ermessensausübung ersetzt.

Grundsätzlich darf das Gericht nicht in die Funktion der Vollzugsbehörde eingreifen. Namentlich ist es ihm verwehrt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens zu setzen. Vielmehr ist es auf die Prüfung beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (vgl. OLG Hamm, ZfStrVO 89, 248; Calliess-Müller-Dietz, StVollzG, 8. Aufl., § 115 RN 13 und 14 m.w.N.). Spruchreife ist in solchen Fällen nur dann gegeben, wenn im konkreten Fall nur eine einzige Entscheidung zulässig ist, sich also das Ermessen der Vollzugsbehörde auf Null reduziert hat.

Ausführungen dazu, dass dies für die Entscheidung, mit der die Vollzugsbehörde verpflichtet wird, den Antragsteller zur Durchführung einer Umschulungsmaßnahme zum Landschaftsgärtner in den offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Bochum-Langendreer zu verlegen, der Fall ist, finden sich im angefochtenen Beschluss nicht. Sie sind auch nicht ersichtlich. Im angefochtenen Beschluss befasst sich die Strafvollstreckungskammer allein mit der Frage, ob der Betroffene für den offenen Vollzug gemäß § 10 Abs. 1 StVollzG geeignet ist. Selbst wenn dies zu Unrecht von der Vollzugsbehörde verneint worden wäre, kann daraus allein nicht die Verpflichtung folgen, den Betroffenen an einer konkreten Umschulungsmaßnahme im offenen Vollzug teilnehmen zu lassen. Dass auch hinsichtlich dieses Folgeermessens eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, ist nicht zu erkennen.

Ferner tragen auch die bisherigen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung die Feststellung, die Vollzugsbehörde habe den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum bei der Prognoseentscheidung im Rahmen des § 10 Abs. 1 StVollzG überschritten, nicht. So hat die Strafvollstreckungskammer schon nicht beachtet, dass sie die Entscheidung der Vollzugsbehörde in der Form des Widerspruchsbescheides zu überprüfen hatte, § 115 Abs. 2 S. 1 StVollzG. Etwaige unzutreffende Überlegungen in der Entscheidung des Antragsgegners durften daher keine Rolle mehr spielen. Auf die Frage des etwaigen Durchhaltevermögens des Antragstellers und seine mögliche Verstrickung in subkulturelle Tätigkeiten ist im Widerspruchsbescheid nicht mehr abgestellt worden. Im Widerspruchsbescheid ist - neben der erheblichen Vorstrafen des Betroffenen, seiner Einschätzung als stärker kriminell gefährdet durch die Einweisungsanstalt und seiner verbalen Entgleisungen im Vollzug im Wesentlichen auf die Einschätzung des Anstaltspsychologen abgestellt worden. Dieser hatte von einer unmittelbaren Verlegung des Betroffenen in den offenen Vollzug der JVA Bochum-Langendreer abgeraten und vor einer Verlegung in den offenen Vollzug der JVA Bielefeld eine längerfristig anzusetzende psychologische Abklärung empfohlen. Aus diesem Grunde wurden zunächst zwingend regelmäßige Gespräche mit den zuständigen Fachdiensten als erforderlich angesehen. Dass diese Einschätzung nicht auf einem richtig und vollständig ermittelten Sachverhalt beruht oder die Vollzugsbehörde bei der Entscheidung sich nicht vom richtigen Verständnis des Versagungsgrundes hat leiten lassen, ist im angefochtenen Beschluss nicht dargelegt. Entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer lässt sich auch aus der Stellungnahme des Psychologischen Dienstes vom 02.07.1999 nichts - zumindest nicht derzeit - herleiten, dass sich die Grundlagen der Entscheidung zwischenzeitlich geändert haben. In dieser Stellungnahme wurde lediglich die Überprüfung der Erprobung im offenen Vollzug zum 2/3-Termin vorgeschlagen. Dieser Termin ist noch nicht erreicht. 2/3 der Strafe werden erst am 15.09.2000 erreicht sein. Insbesondere ist auch diese Stellungnahme in sich nicht schlüssig. In ihr ist nicht dargelegt, dass die bis dahin für erforderlich gehaltene längerfristig anzusetzende Abklärung der kriminellen Gefährdung des Antragstellers durch eben diesen Psychologischen Dienst entbehrlich geworden ist. Eine solche Abklärung hat aufgrund der fehlenden Mitarbeiterbereitschaft des Antragstellers noch nicht stattgefunden. Aus dieser Stellungnahme allein kann sich somit nicht ergeben, dass der Präsident des Justizvollzugsamtes bei seinem Widerspruchsbescheid von unzutreffend ermittelten Grundlagen ausgegangen ist.

Die Entscheidung war daher aufzuheben und die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.


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