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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss OWi 396//00 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Absehen vom Fahrverbot bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung infolge bloßem Übersehens des Orteingangsschildes.

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Ortseingangsschild, keine Bebauung, Regelfahrverbot, Absehen vom Fahrverbot, Änderung des Rechtsfolgenausspruchs, Erhöhung der Geldbuße, Verhängung der Regelbuße, Augenblicksversagen, grobe Pflichtverletzung, beharrliche Pflichtverletzung, einfaches Übersehen des Ortseingangsschildes, Ortstafel, Abänderung zugunsten des Betroffenen, Rechtsbeschwerde der StA

Normen: OWiG 79 Abs. 5 und 6, StPO 301

Beschluss: Bußgeldsache gegen F.W.;
wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Paderborn gegen das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 8. März 2000 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 08.06.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung des Betroffenen gemäß § 79 Abs. 5, 6 OWiG beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von DM 250 festgesetzt wird.

Die Kosten der Rechtsbeschwerde, einschließlich der dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, trägt die Staatskasse.

Gründe:
I. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen "wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 3 Abs. III Nr. 1 StVO in Verbindung mit § 49 StVO und § 24 StVG" eine Geldbuße von DM 500 festgesetzt.

Zum Sachverhalt hat der Tatrichter festgestellt:

"Am 6.8.1999 gegen 8.11 Uhr befuhr der Betroffene mit einem PKW mit dem Kennzeichen SO - AN 177 in Delbrück-Schöning die Kreisstraße 61 (Schöninger Straße) in Fahrtrichtung Ortsmitte. Aus Fahrtrichtung des Betroffenen gesehen befindet sich vor dem Ortseingangsschild eine Bushaltestelle, es folgt dann das Ortseingangsschild und ein unbebauter Bereich auf beiden Seiten von etwa 150 Meter. Es folgt dann eine Hofeinfahrt und die Bebauung der geschlossenen Ortschaft beginnt dann ein kurzes Stück danach mit einem etwas von der Straße zurückliegenden Haus.

Der Betroffene befuhr in dieser beschriebenen Fahrtrichtung die Schöninger Straße und war ortsunkundig. Er suchte nach einer Abfahrt, um mit einem Bekannten zu einem Golfturnier zu fahren. Dabei übersah er das Ortseingangsschild und es konnte ihm danach zunächst nicht auffallen, dass er sich bereits im Bereich der geschlossenen Ortschaft befand, weil noch in einem Bereich von etwa 150 Metern keine Bebauung links oder rechts der Straße gegeben war. Kurz vor dem ersten aus Fahrtrichtung gesehen rechts liegenden Haus wurde die Geschwindigkeit des von dem Betroffenen gesteuerten PKW's gemessen, sie betrug 88 km/h und war damit 38 km/h über dem zulässigen Höchstwert gem. § 3 Abs. III Nr. 1 StVO." (UA 2/3)
Zum Rechtsfolgenausspruch ist in den Urteilsgründen u.a. ausgeführt:

"Die Regelbuße beträgt in einem solchen Fall unter Berücksichtigung der Voreintragungen 250,00 DM.

Das Gericht hat wegen dieses Verstoßes von der Festsetzung eines Fahrverbotes abgesehen. Zwar ist im Regelfall für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 30 km/h innerhalb eines geschlossenen Ortsbereichs die zusätzliche Anordnung eines Fahrverbots gem. § 25 StGB (StVG) vorgesehen. In dem hier zu beurteilenden Fall konnte jedoch weder eine grobe noch eine beharrliche Pflichtverletzung des Betroffenen festgestellt werden. Der vorliegende Fall weicht von den üblichen dadurch ab, dass die Geschwindigkeit des von ihm gefahrenen PKW's zwar in dem durch das Ortseingangsschild ausgewiesenen Ortsbereich erreicht wurde, die Fahrlässigkeit des Betroffenen ist vorliegend jedoch gering, da er nach dem Übersehen des Ortsschildes wegen der fehlenden, normalerweise in einem Ortsbereich vorhandenen Bebauung als Ortsunkundiger nicht auf einen innerörtlichen Bereich schließen konnte.
Das Gericht hat jedoch die Geldbuße verdoppelt und dies als angemessen angesehen." (UA 3/4)

Hiergegen richtet sich die zulässige, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Paderborn, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie meint, das Gericht habe von der Verhängung des regelmäßig anzuordnenden Fahrverbots abgesehen, ohne dass eine Ausnahme von dieser Regel begründet worden wäre. Die Ausführungen im Urteil begründeten nur, weshalb das Gericht der Einlassung des Betroffenen gefolgt und von fahrlässigem Verhalten ausgegangen sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem zuungunsten des Betroffenen eingelegten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Paderborn mit weiteren Erwägungen, auf die Bezug genommen wird (Bl. 40 ff. d.A.), beigetreten.

II. 1. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig, jedoch nicht begründet, soweit sie zuungunsten des Betroffenen auf eine Verschärfung des Rechtsfolgenausspruchs durch Anordnung eines Fahrverbots zielt.

Die Ausführungen in den Rechtsmittelschriften gehen davon aus, dass das Amtsgericht von einer solchen Anordnung trotz Vorliegens der Voraussetzungen aufgrund der Umstände des Einzelfalls abgesehen habe. Das ist indes nicht der Fall. Der Tatrichter hat vielmehr - im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum sog. Augenblicksversagen (BGHSt 43, 241 ff.) - verneint, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots bei dem gegebenen Sachverhalt erfüllt sind.

Das ist nach den - im Hinblick auf die wirksame Rechtsmittelbeschränkung - bindend festgestellten Tatumständen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

a) Nach der Vorschrift des § 25 StVG, die auch nach Inkrafttreten der Bußgeldkatalogverordnung alleinige Rechtsgrundlage für die Verhängung des Fahrverbots ist (vgl. BGHSt 38, 125, 128; Jagusch/ Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl. (1999), § 25 StVG Rdnr. 15 b m.w.N.), kann die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn gegen den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 StVG, die er unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt wird (§ 25 Abs. 1 Satz 1 StVG).
b) Eine grobe Pflichtverletzung kann ihm nur vorgehalten werden, wenn seine wegen ihrer Gefährlichkeit objektiv schwerwiegende Zuwiderhandlung subjektiv auf groben Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit zurückgeht (vgl. BGHSt 43, 241, 246 m.w.N.).

aa) Bei den Katalogtaten gemäß § 2 Abs. 1 BKatV - eine solche kommt hier in Betracht - handelt es sich um Regelbeispiele, deren Verwirklichung das Vorliegen der groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers indiziert (BGHSt 38, 125, 134). Doch kann auch eine im Sinne der Regelbeispiele des § 2 Abs. 1 BKatV tatbestandsmäßige Handlung nicht mit einem Fahrverbot geahndet werden, wenn als Ergebnis der von den Bußgeldstellen und Gerichten vorzunehmenden Würdigung des Einzelfalles eine grobe Pflichtverletzung - sei es in objektiver oder in subjektiver Hinsicht - ausscheidet (BGHSt 43, 241, 247/248).

bb) Zur "qualifizierten" Überschreitung der sich aus § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO in Verbindung mit der Ortstafel gemäß Zeichen 310 ergebenden Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts hat der Bundesgerichtshof ausgeführt:

"Dem Kraftfahrzeugführer kann das für ein Fahrverbot erforderliche grob pflichtwidrige Verhalten nicht vorgeworfen werden, wenn der Grund für die von ihm begangene erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung darin liegt, dass er das die Höchstgeschwindigkeit begrenzende Zeichen nicht wahrgenommen hat, es sei denn, gerade diese Fehlleistung beruhe ihrerseits auf grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit. Für die Bewertung seines Verschuldens ist es, solange er die ohne das Vorschriftszeichen maßgebliche Höchstgeschwindigkeit einhält, ohne Belang, ob er die durch das Verkehrszeichen angeordnete Geschwindigkeit weniger oder mehr überschreitet. Das Maß der Pflichtverletzung hängt nur davon ab, wie sehr ihm das Übersehen des Schildes zum Vorwurf gereicht. Das erhebliche Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung, auf das die Regelbeispielsfälle der Tabelle 1 a) zu Buchstabe c) abstellen, lässt aber keinen Schluss darauf zu, dass der Fahrzeugführer das Vorschriftszeichen wahrgenommen oder grob pflichtwidrig nicht wahrgenommen hat.
Daraus folgt ..., dass auch bei einer erheblichen, einen (Regel-)Tatbestand des § 2 Abs. 1 BKatV erfüllenden Geschwindigkeitsüberschreitung ein Fahrverbot nicht verhängt werden darf, wenn der Fahrer das die zulässige Geschwindigkeit beschränkende Zeichen nicht wahrgenommen hat und ihm insofern allenfalls einfache Fahrlässigkeit zur Last fällt." (BGHSt 43, 241, 249/250)

Beruft sich der Kraftfahrer darauf, dass er eine Ortstafel schlicht übersehen hat, und kann ihm diese Einlassung nicht widerlegt werden, so scheidet die Verhängung eines Fahrverbots wegen der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit aber nicht notwendig aus. Die gebotene Aufmerksamkeit hätte er gleichwohl dann in grob pflichtwidriger Weise außer acht gelassen, wenn sich ihm die Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung aufgrund der ohne weiteres erkennbaren äußeren Situation (Art der Bebauung) hätte aufdrängen müssen (vgl. BGHSt 43, 241, 251/252).

cc) Auf dieser rechtlichen Grundlage, von der abzuweichen der Senat keinen Anlass sieht, bedarf es keiner weiteren Erörterung, dass sich aus dem oben wiedergegebenen Sachverhalt zwar ein objektiv grober Pflichtverstoß des Betroffenen im Sinne § 2 Abs. 1 BKatV ergibt (wie das Amtsgericht erkannt hat), doch aus Rechtsgründen nichts dagegen zu erinnern ist, dass sich der Tatrichter von den subjektiven Voraussetzungen der besonderen Verantwortungslosigkeit des Betroffenen nicht überzeugt hat.

c) Zu Recht hat das Gericht auch ausgeführt, dass ein Regelfall der beharrlichen Pflichtverletzung im Sinne des § 2 Abs. 4 BKatV nicht vorliegt. Insoweit fehlt es schon an den objektiven Voraussetzungen, weil die Zuwiderhandlung vom 9. Januar 1998 eine Geschwindigkeitsüberschreitung von weniger als 26 km/h zum Gegenstand hat, so dass keiner näheren Erörterung bedarf, ob ein "Augenblicksversagen" nicht auch insoweit der Verhängung eines Fahrverbots entgegenstünde (vgl. OLG Hamm MDR 1999, 1322).
Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft bleibt danach ohne Erfolg, soweit sie auf eine Verschärfung des Rechtsfolgenausspruchs abzielt.

2. Das Rechtsmittel führt allerdings zugunsten des Betroffenen (vgl. § 301 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG) zu einer Herabsetzung der vom Tatrichter festgesetzten Geldbuße (von DM 500) auf DM 250. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch gemachten der Sache selbst zu entscheiden, weil auszuschließen ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere für den Rechtsfolgenausspruch bedeutsam Feststellungen getroffen werden könnten.

Mit dem Amtsgericht geht der Senat davon aus, dass die vom Betroffenen begangene fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung unter Berücksichtigung der verwertbaren Voreintragungen entsprechend den Regelungen der Bußgeldkatalogverordnung (vgl. § 1 Abs. 1, 2 BKatV) angemessen mit einer Geldbuße in Höhe von DM 250 zu ahnden ist.
Für eine darüberhinausgehende Erhöhung der Regelbuße gibt es keinen Anlass. Insoweit fehlen entsprechende (weitere) Zumessungstatsachen, die eine dem Betroffenen nachteiligere Gewichtung der Pflichtverletzung rechtfertigten. Auch der Rechtsgedanke des § 2 Abs. 4 BKatV findet hier keine Anwendung, weil nach den rechtsfehlerfreien Ausführungen des Tatrichters die Voraussetzungen für die Anordnung des Fahrverbots gemäß § 25 StVG hier (wie oben erörtert) nicht vorliegen, so dass ein Grund für einen Ausgleich - für das Absehen von einem an sich verwirrten Fahrverbot - nicht besteht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1, 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG


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