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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 BL 124/00 OLG Hamm

Senat: 3

Gegenstand: Haftprüfung durch das OLG

Stichworte: Haftprüfung durch das OLG, wichtiger grund, Anklage zunächst beim unzuständigen Gericht

Normen: StPO 121


Beschluss: Strafsache gegen I.S. wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
(hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).

Auf die Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.07.2000 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten und seines Verteidigers beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.

Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gerichts übertragen.

Gründe:
Der Angeklagte befindet sich aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom 13. Dezember 1999 - 9 Gs 4505/99 - seit dem 15. Dezember 1999 in Untersuchungshaft, nachdem der am Tage zuvor vorläufig festgenommen worden war. Die Untersuchungshaft war unterbrochen in der Zeit vom 22. März bis zum 10. April 2000 zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe.

Mit dem genannten Haftbefehl wird dem Angeklagten vorgeworfen, in Bielefeld in der Zeit von Februar 1999 bis zum Oktober 1999 durch 190 selbständige Handlungen mit Betäubungsmitteln Handel getrieben zu haben, wobei er gewerbsmäßig gehandelt haben soll; durch eine weitere selbständige Handlung soll er mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben haben. Im wesentlichen wird ihm folgendes mit dem Haftbefehl vorgeworfen: In 150 Fällen soll er von Februar 1999 bis zum 5. Dezember 1999 gemeinschaftlich mit einem bisher nicht näher ermittelten Hassan, bei dem es sich möglicherweise um den im Verfahren 36 Js 399/00 StA Bielefeld verfolgten A.H., geb. am 12.03.1968 in A., Türkei handelt einem gemeinsamen Tatplan folgend in Bielefeld fast täglich an 150 Tagen jeweils Heroin an den gesondert verfolgten F.A. verkauft haben. A. soll bei dem Angeklagten und seinem Mittäter täglich ca. 20 Gramm Heroin, manchmal nur 15 Gramm, einmal 50 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 5,3 % eingekauft haben. Dies war lediglich während der Monate März 1999 und August 1999 während der Dauer von jeweils zwei Wochen nicht der Fall, als sich Akinci in der Entgiftung befand. An den Tagen, an denen A. beim Angeklagten und seinem Mittäter gekauft haben soll, soll er bis zu 3 x jeweils zwei bis drei Beutel Heroin abgeholt haben.

Darüberhinaus soll der Angeklagte bereits vor dem in Rede stehenden Zeitraum, nämlich im Winter 1997/Anfang 1998 im Abstand von zwei Wochen zweimal an Akinci 4 bis 4,5 Gramm Heroin für 120,00 DM bis 150,00 DM verkauft haben. Dieses Heroin soll relativ schlechte Qualität gehabt haben.

Innerhalb des in Rede stehenden Zeitraums, nämlich von August 1999 bis zum 17. September 1999 soll der Angeklagte gemeinsam mit dem Mittäter H. in vier verschiedenen Fällen und im Oktober 1999 in einem Fall Heroin an die Abnehmer L.E. und M.Z. veräußert haben; schließlich soll er in der Zeit vom 3. Oktober bis zum 1. Dezember 1999 an einen G.M. nach telefonischer Kontaktaufnahme in 34 Fällen jeweils 5 bis 6 Gramm Heroin verkauft haben, und zwar für je 200,00 DM pro Kauf. Wegen der weiteren Einzelheiten der dem Angeklagten mit dem Haftbefehl vorgeworfenen Taten wird auf den genannten Haftbefehl Bezug genommen.

Der Angeklagte ist der ihm mit dem Haftbefehl vorgeworfenen Taten dringend verdächtig. Er bestreitet zwar, sich strafbar gemacht zu haben, wird jedoch durch Zeugenaussagen, insbesondere diejenigen seiner Abnehmer entsprechend belastet. Die Tatvorwürfe stehen im Einklang mit denjenigen der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 8. Juni 2000, mit der dem Angeklagten allerdings noch eine weitaus größere Anzahl von Heroinverkäufen in Mittäterschaft mit dem gesondert verfolgten Y.G. vorgeworfen wird. Insoweit ist zwar die Erweiterung des Haftbefehls seitens der Staatsanwaltschaft in Bielefeld beantragt worden. Dies ist jedoch bisher nicht geschehen.

Es besteht auch der im Haftbefehl angenommene Haftgrund der Fluchtgefahr: Der Angeklagte hat im Fall der Verurteilung mit einer hohen vollstreckbaren Freiheitsstrafe zu rechnen. Dies stellt bereits einen beträchtlichen Fluchtanreiz dar. Hinzu kommt, dass der Angeklagte in Deutschland ohne soziale oder berufliche Einbindung lebt. Er hat seinen Wohnsitz in Deutschland häufig gewechselt. Für Singen war er offiziell gemeldet; er hielt sich jedoch überwiegend in Bielefeld an verschiedenen Orten auf, und zwar zuletzt im Conti-Hotel in Bielefeld. Er ist ledig und in Deutschland ohne familiäre Bindungen; seine Eltern leben in seinem Geburtsort Bingöl/Türkei.

Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass der Angeklagte sich im Falle seiner Freilassung in sein Heimatland begeben oder anderweitig untertauchen würde. Maßnahmen nach § 116 StPO sind daher nicht geeignet, der bestehenden Fluchtgefahr in ausreichendem Maße entgegenzuwirken.

Die bisher erlittene Freiheitsentziehung steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Verurteilungsfall zur erwartenden Strafe.

Es liegen auch die besonderen Voraussetzungen vor, unter den die Untersuchungshaft länger als sechs Monate andauern darf. Das Verfahren ist mit der gebotenen Beschleunigung betrieben worden. Nach Abschluß der polizeilichen Ermittlungen - es handelt sich um einen umfangreichen Gesamtkomplex, der sich gegen eine Vielzahl von Asylbewerbern kurdischer Abstammung richtet - ist ein gewisser Zeitverlust dadurch eingetreten, dass die Staatsanwaltschaft Bielefeld die Anklageschrift, erstellt am 19. Mai 2000, zunächst bei der Strafkammer des Landgerichts Bielefeld eingereicht hat. Der Eingang dort läßt sich dem dem Senat vorliegenden Zweitakten nicht entnehmen. Bereits mit Verfügung vom 2. Juni 2000 hat der Strafkammervorsitzende die Rücknahme der Anklage und erneute Anklageerhebung vor dem Jugendschöffengericht angeregt. Die Rücknahme der Anklage erfolgte alsdann am 8. Juni 2000. Zeitgleich wurde die Anklageschrift, gerichtet an das Jugendschöffengericht Bielefeld, erstellt. Der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts hat sodann am 29. Juni 2000 die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und Hauptverhandlungstermin anberaumt auf den 24. Juli 2000. Aus Vorstehendem ergibt sich, dass keine Verfahrensverzögerungen eingetreten sind, die zur Aufhebung des Haftbefehls nötigen könnten. Die Verzögerung infolge der Anklageerhebung zunächst bei der Strafkammer ist nicht gravierend. Das Verfahren ist alsdann beschleunigt vom Vorsitzenden des Schöffengerichts weiter gefördert worden. Insgesamt ist dem Beschleunigungsgebot noch ausreichend Rechnung getragen worden. Daher war die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen.

Die Nebenentscheidung beruht auf § 122 Abs. 3 StPO.


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