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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 BL 129/00 (32/00) OLG Hamm

Senat: 2

Gegenstand: Haftprüfung durch das OLG

Stichworte: Haftprüfung durch das OLG, wichtiger Grund, langer Zeitraum zwischen Eingang der Anklage und Terminierung, Angebot, Sache vorzuziehen

Normen: StPO 121


Beschluss: Strafsache gegen Y. und D.E.,
hier: Y.E. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a., (hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).

Auf die Vorlage der Akten (7 Bände Zweitakten) zur Entscheidung nach den §§ 121, 122 StPO hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28.07.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten und seines Verteidigers beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.

Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
Der Angeklagte befand sich nach vorläufiger Festnahme am 22. Oktober 1999 seit dem 23. Oktober 1999 zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Schwelm vom 23. Oktober 1999 (54 Gs 402/99) und sodann aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Schwelm vom 15. Dezember 1999, durch den die ursprüngliche Haftanordnung ersetzt und erweitert und der dem Angeklagten am 23. Dezember 1999 durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Schwelm verkündet wurde, im vorliegenden Verfahren in Untersuchungshaft. Die Untersuchungshaft war vom 18. Februar bis zum 19. Mai 2000 zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 92 Tagen für das Verfahren 2 VRs 903/99 StA Hagen unterbrochen. Seit dem 20. Mai 2000 wird die Untersuchungshaft im vorliegenden Verfahren wieder vollzogen, so dass der Angeklagte sich nunmehr insgesamt sechs Monate in Untersuchungshaft befindet.

Mit dem Haftbefehl vom 15. Dezember 1999 wird dem Angeklagten vorgeworfen, im Juli 1998 mit dem anderweitig verfolgten
I.D. (später als M.D. bezeichnet) 1 kg Heroin in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt und dieses an die in Berlin lebenden anderweitig verfolgten Abnehmer T. verkauft zu haben, am 12./13. Oktober 1999 mit Abnehmern über den Verkauf von 200 Gramm Kokain, das der Mitangeklagte D.E. in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt hatte, verhandelt zu haben, im Dezember 1998 von dem anderweitig verfolgten. I.D. 150 Gramm Heroin gekauft und gewinnbringend weiter verkauft zu haben, am 28. März 1999 an den anderweitig verfolgten Ö.C. 40 Gramm Kokain für 4.000,00 DM verkauft zu haben sowie am 22. Oktober 1999 gemeinsam mit D.E. 500 Gramm Heroin für 23.000,00 DM verkauft zu haben.

Diese Vorwürfe sind auch Gegenstand der unter dem 19. Januar 2000 erhobenen Anklage der Staatsanwaltschaft Hagen. Hinsichtlich der Tat vom 12./13. Oktober 1999 steht jedoch nunmehr eine Menge von 500 Gramm Kokain, an deren Verkauf der Angeklagte beteiligt gewesen sein soll, in Frage. Darüber hinaus legt die Anklage dem Angeklagten Y.E. unter Nrn. 4 und 5 zur Last, am 29. März 1999 25 Gramm Kokain für 2.500,00 DM an M.C. und am 22. Mai 1999 den später erfolgten Verkauf von 100 Gramm Kokain an M.S. verabredet zu haben. In allen Fällen soll der Angeklagte, wovon bereits in der Haftanordnung ausgegangen wird, gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande gehandelt haben.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug genommen.

Da der Haftbefehl an den gegenwärtigen Verfahrensstand noch nicht angepasst worden ist, ist Grundlage der vorliegenden Haftentscheidung des Senats allein der Inhalt des - erweiter-
ten - Haftbefehls vom 15. Dezember 1999. Der Senat vermag nicht nachzuvollziehen, warum - wie der Verteidiger meint - insoweit lediglich von dem ursprünglichen Haftbefehl vom 23. Oktober 1999, der allein den Verkauf vom 22. Oktober 1999 zum Gegenstand hat, auszugehen sein soll und der erweiterte Haftbefehl vom 15. Dezember 1999 sowie die anschließende Verkündung dieses Haftbefehls mangels Zuständigkeit des Amtsgerichts Schwelm unzulässig oder gar nichtig sein soll.

Der Angeklagte ist der ihm mit dem Haftbefehl zur Last gelegten Taten aus den in der Anklage näher ausgeführten Erwägungen sowie aufgrund der dort bezeichneten Beweismittel dringend verdächtig. Insbesondere wird er durch das Ergebnis der Telefonüberwachungsmaßnahmen sowie - hinsichtlich des Vorwurfs vom 22. Oktober 1999 - durch die Angaben der polizeilichen Vertrauensperson überführt werden können.

Im übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auch wegen des dringenden Tatverdachts auf den Inhalt der Anklageschrift, die durch Beschluss der Strafkammer vom 22. Mai 2000 zugelassen worden ist, Bezug genommen.

Bei dem Angeklagten besteht jedenfalls der Haftgrund des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Er hat angesichts der Schwere der ihm zur Last gelegten Vorwürfe mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen, woraus sich bereits ein erheblicher Fluchtanreiz ergibt. Allein seine Beteiligung an dem Heroingeschäft vom 22. Oktober 1999, bei dem letztlich 487,1 Gramm Heroinzubereitung mit einem Heroinhydrochloridgehalt von 20,4 %, also dem rund 66-fachen einer nicht geringen Menge, sichergestellt worden sind, lässt die Verhängung einer langjährigen Freiheitsstrafe erwarten. Demgegenüber verfügt er nicht über solche persönlichen und sozialen Bindungen, die ihn davon abhalten würden, sich dem weiteren Verfahren im Falle seiner Freilassung zu entziehen. Bereits vor seiner Festnahme war er seit mehreren Jahren arbeitslos und lebte vom dem Einkommen seiner Ehefrau, das diese bei der Firma Mc Donalds erzielt. Insbesondere aufgrund der vielfältigen Verbindungen ins Ausland, insbesondere in die Niederlande, erscheinen somit die Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland nicht so stark, dass sie ihn davon abhalten würden, sich dem Verfahren zu entziehen.

Der Zweck der Untersuchungshaft lässt sich deshalb auch nicht mit weniger einschneidenden Maßnahmen nach § 116 StPO erreichen.

Ob darüber hinaus auch der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, der im Haftbefehl vom 15. Dezember 1999 angesprochen aber nicht begründet worden ist, besteht, kann dahinstehen.

Die bisher gegen den Angeklagten vollzogene sowie die weitere Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tatvorwürfe und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Freiheitsstrafe.

Wichtige Gründe im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO haben ein Urteil bislang nicht zugelassen; sie rechtfertigen auch die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus.

Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft unverzüglich Anklage erhoben und gleichzeitig den Verteidigern des Angeklagten und seines Mitangeklagten Bruders D.E. die vollständigen Zweitakten zur Einsicht überlassen. Nachdem die erforderliche Übersetzung der Anklageschrift vorlag, ist diese dem Angeklagten am 3. März 2000 und dem Mitangeklagten am 28. Februar 2000 zugestellt worden. Die von den Verteidigern angekündigte Stellungnahme gemäß § 201 StPO ist durch diese jedoch erst am 18. April bzw. 19. April 2000 erfolgt.

Bereits zuvor hatte der Vorsitzende der Strafkammer unter dem Vorbehalt der Eröffnung des Hauptverfahrens mehrere Gespräche zwecks Abstimmung der Hauptverhandlungstermine geführt und insoweit Ende April für die Monate Mai und Juni 2000 insgesamt 31 Terminstage angeboten, an denen die Strafkammer die Hauptverhandlung hätte durchführen können. Dabei wurde erst Ende April 2000 bekannt, dass den in anderen Strafsachen terminlich gebundenen Verteidigern lediglich ein gemeinsamer Tag zur Teilnahme an einer Hauptverhandlung im genannten Zeitraum zur Verfügung gestanden hätte. Mit Schreiben vom 28. April 2000 hat daher der Stellvertretende Vorsitzende der Strafkammer Möglichkeiten aufgezeigt, entweder das Verfahren bezüglich der unter Nr. 8 der Anklage zur Last gelegten Tat vom 22. Oktober 1999 abzutrennen und vorab gesondert zu verhandeln oder gegen jeden der Angeklagten getrennt zu verhandeln. Der entsprechenden Bitte an die Verteidiger, insoweit kurzfristig Stellung zu nehmen und gemeinsam mögliche freie Termine zu nennen, sind diese nicht nachgekommen. Daraufhin hat die Strafkammer durch Beschluss vom 22. Mai 2000 das Hauptverfahren eröffnet, der Vorsitzende hat sodann mit Verfügung vom 8. Juni 2000 Termin zur Hauptverhandlung auf den 16. August 2000 mit sieben Folgeterminen bis zum 31. August 2000 bestimmt.

Angesichts der aufgezeigten Möglichkeiten, die Verhandlung einzelner Vorwürfe vorzuziehen und gegebenenfalls auch die Verfahren gegen die Angeklagten zu trennen, ist nicht zu beanstanden, dass der Vorsitzende den Angeklagten nicht vorsorglich weitere Verteidiger beigeordnet hat. Zu berücksichtigen ist dabei, dass jeder neu mit der Sache befasste Verteidiger ausreichend Gelegenheit hätte erhalten müssen, den sieben Bände umfassenden Akteninhalt nebst annähernd 1400 Seiten Protokoll über durchgeführte Telefonüberwachungsmaßnahmen auszuwerten. Hinzu kommt, dass wegen des Sachzusammenhangs auch der Inhalt der Sachakten des gegen den gesondert verfolgten M.D. geführten Verfahrens 44 KLs 591 Js 557/99 (4/00) LG Hagen ebenfalls zu berücksichtigen wäre.

Im Hinblick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles ist trotz der ungewöhnlich langen Dauer zwischen Eingang der Anklage und Beginn der Hauptverhandlung der zeitliche Ablauf auch unter Berücksichtigung des in Haftsachen geltenden Grundsatzes der besonderen Beschleunigung noch nicht zu beanstanden. Insbesondere war es bei dem aufgezeigten Sachverhalt auch nicht möglich, bereits im Februar oder März 2000 eine Entscheidung über die Eröffnung und Terminierung zu treffen, wie der Verteidiger in seinem Schriftsatz vom 23. Juli 2000 dargelegt hat, zumal zu diesem Zeitpunkt die von den Verteidigern angekündigte Stellungnahme gemäß § 201 StPO noch gar nicht verfasst und eingegangen war.

Bei der Terminierung erst ab dem 16. August 2000 ist zudem zu berücksichtigen, dass wegen der bis zum 12. August 2000 andauernden Schulferien in Nordrhein-Westfalen eine Terminierung angesichts der Vielzahl von Zeugen und Sachverständigen, die in dieser Zeit erfahrungsgemäß nur zu einem geringen Teil erreichbar sind, untunlich gewesen wäre.

Bei der gegebenen Sachlage rechtfertigt sich eine andere Entscheidung auch nicht etwa dadurch, dass sich der Angeklagte Y.E. insgesamt bereits einen Monat länger in Haft befindet als sein Bruder D., gegen den der Senat mit Beschluss vom 13. Juni 2000 (2 BL 89/00) die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet hat.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.


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