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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 5 Ss OWi 1196/99 OLG Hamm

Leitsatz:
  1. Die bei einer Geschwindigkeitsmessung grundsätzlich einzuhaltende Mindestentfernung von 200 m zu dem Beginn und dem Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung (Runderlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. 5. 1996 (Ministerialblatt 1996, 956) kann unterschritten werden, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Ist das der Fall, kann sich der Betroffene nicht auf ein Augenblicksversagen berufen, wenn er die Geschwindigkeitsbeschränkung übersehen hat.
  2. Ein erheblicher Zeitablauf seit der Tat kann dazu führen, dass es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines (Regel-)Fahrverbotes nicht mehr bedarf. Ein Zeitraum von 1 Jahr und 5 Monaten seit Begehung der Tat bis zur Verurteilung ist hierfür jedoch nicht ausreichend.
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Senat: 5

Gegenstand: OWi-Rechtsbeschwerde

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Verfolgungsverjährung, Foto, Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes, Fahrverbot, Messung kurz vor Ortsausgangsschild (71 m), Unterschreitung der Mindestentfernung für Geschwindigkeitsmessung in Nähe des Ortseingangsschildes, sachlicher Grund, Parkplatzausfahrt, Verjährung, langer Zeitraum zwischen Tat und Rechtskraft der Entscheidung

Normen: OWiG 33 Abs. 1 Nr. 1; StPO 267 Abs. 1 Satz 3, StVG 25 Abs. 1

Beschluss: Bußgeldsache gegen W.H., ,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 26. Juli 1999 hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein des Betroffenen in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von. vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Dortmund hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 54 km/h, begangen am 7. Februar 1998 in Dortmund auf der Brackeler Straße, zu einer Geldbuße von 350,- DM verurteilt sowie ein Fahrverbot von einem Monat gegen den Betroffenen verhängt.

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 2. August 1999, am gleichen Tage beim Amtsgericht Dortmund eingegangen, Rechtsbeschwerde eingelegt. Diese Rechtsbeschwerde hat der Verteidiger des Betroffenen mit Schriftsatz vom 22. September 1999, form- und fristgerecht begründet. Die Rechtsbeschwerde wird darauf gestützt, dass der Verurteilung das Verfolgungshindernis der Verjährung entgegen stehe, die Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer in den Urteilsgründen nicht ausreichend dargelegt sei und im Übrigen das verhängte Fahrverbot weder gerechtfertigt, noch hinreichend begründet worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II. Die Rechtsbeschwerde war mit der Maßgabe der Einräumung der 4-Monats-Frist des § 25 Abs. 2 a StVG als unbegründet zu verwerfen, da die Überprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).

Anlass zu näheren Erörterungen gibt nur Folgendes:

1. Entgegen der vom Betroffenen weiterhin vertretenen Auffassung ist eine Verfolgungsverjährung nicht eingetreten. Die gemäß § 26 Abs. 3 StVG bis zum Erlass des Bußgeldbescheids am 23. Juni 1998 geltende Verjährungsfrist von drei Monaten ab Tatbegehung wurde nicht bereits am 5. März 1998 durch die Versendung eines Anhörungsbogens unterbrochen, da dieser Anhörungsbogen, wie sich aus dem Schreiben des Polizeipräsidiums Dortmund vom 30. März 1998 an die Polizeiinspektion Nord ergibt, an die Firma BCB-Wohnungsunternehmung GmbH als Fahrzeughalterin gerichtet war und weder die Fahrereigenschaft noch die Personalien des Betroffenen zu diesem Zeitpunkt bekannt waren. Erst durch die Vorladung des Betroffenen zur Vernehmung durch Schreiben des Polizeipräsidiums Dortmund vom 21. April 1998 wurde die Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen, so dass die dreimonatige Verjährungsfrist bis zum Erlass des Bußgeldbescheides am 23. Juni 1998 noch nicht abgelaufen war. Auch in der Folgezeit ist keine Verjährung eingetreten. Der Senat sieht auch Berücksichtigung der Beschwerderechtfertigung des Betroffenen, welche insoweit keine neuen Tatsachen enthält, keine Veranlassung, von der bereits in dem Senatsbeschluss vom 16. März 1999 näher ausgeführten Rechtsauffassung zur Verjährungsfrage abzuweichen.

2. Auch die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer anhand des in der Akte befindlichen (Front-)Radarfotos weisen keine Rechtsfehler auf. Sie entsprechen vielmehr den Anforderungen, die von der obergerichtlichen Rechtsprechung insoweit an die Darlegung der Identifizierung des Betroffenen in den Urteilsgründen gestellt werden. Danach müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt. Aufgrund einer solchen Bezugnahme wird das Lichtbild zum Bestandteil der Urteilsgründe, so dass das Rechtsmittelgericht die Abbildung aus eigener Anschauung würdigen kann und daher auch in der Lage ist, zu beurteilen, ob sie als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist. Macht der Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Gebrauch, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist, weil es die einzelnen Gesichtszüge erkennen lässt (vgl. BGHSt 41, 3 74 = NZV 1996, 157). Von der Möglichkeit der Bezugnahme auf ein in der Akte befindliches Foto gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG hat der Tatrichter hier in rechtsfehlerfreier Weise Gebrauch gemacht. Das (Front-)Radarfoto, auf das in den Urteilsgründen Bezug genommen worden ist, lässt die einzelnen Gesichtszüge des Fahrzeugführers deutlich erkennen und ist zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet. Die Ausführungen in den Urteilsgründen, dass die Gesichtszüge der auf dem Messfoto abgebildeten Person mit den Gesichtszügen des Betroffenen übereinstimmen, sind daher nachvollziehbar. Der Vergleich des Messfotos mit dem in Kopie vorliegenden Personalausweisfoto des Betroffenen, auf das in den Urteilsgründen ebenfalls Bezug genommen worden ist, stützt das Beweisergebnis des Amtsgerichts, dass es sich bei dem Fahrzeugführer um den Betroffenen handelt, aufgrund der äußerlichen Übereinstimmungen der jeweils abgebildeten Person zusätzlich.

3. Schließlich weist auch die Verhängung eines Fahrverbotes gegen den Betroffenen gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 StVG neben der Regelbuße von 350,- DM gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) i.V.m. lfd. Nr. 3 a. 3 und Tabelle 1 a c) lfd. Nr. 5.3.5 BKatV keinen Rechtsfehler auf. Ist, wie im vorliegenden Fall, einer der in § 2 Abs. 1 S. 1 BKatV aufgeführten Tatbestände erfüllt, so ist das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG indiziert, so dass es regelmäßig im Rahmen einer Besinnungsmaßnahme der Anordnung eines Fahrverbotes als "Denkzettel" bedarf (vgl. BGHSt 38, 125, 129 ff. ; OLG Hamm, NZV 1995, 366; DAR, 1995, 374; OLG Celle, VRS 86, 209; OLG Hamburg, VRS 88, 386; OLG Düsseldorf, NZV 1993, 320; BayObLG NZV 1994, 370). Ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht in den Urteilsgründen ausgeführt, dass der Umstand, dass die Radarmessung im vorliegenden Fall in einer Entfernung von nur 71 m vom Ortsausgangsschild vorgenommen worden ist, ein Absehen vom Fahrverbot nicht rechtfertigt. Zwar kann in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum sogenannten Augenblicksversagen (vgl. BGHSt 43, 241 NZV 1997, 525) die grobe Pflichtwidrigkeit einer Geschwindigkeitsüberschreitung in subjektiver Hinsicht entfallen, wenn die Geschwindigkeitsmessung unter Missachtung der Mindestabstände zum Ortseingangsschild, wie sie in den Richtlinien der Länder zur Durchführung solcher Geschwindigkeitsüberwachungsmaßnahmen vorgesehen sind, durchgeführt worden ist (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 1999, 374, 375; OLG Köln VRS 96, 62, 63; BayObLG VRS 95, 130; NZV 1995, 496; OLG Oldenburg NZV 1994, 286). Im vorliegenden Fall bestand jedoch, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, ein sachlicher Grund, die in dem Runderlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. Mai 1996 (MinBl. 1996, 956) bei Geschwindigkeitsmessungen grundsätzlich einzuhaltende Mindestentfernung von 200 m zu dem Beginn und dem Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung zu unterschreiten, da sich die Zu- und Abfahrt zu bzw. vom Parkplatz der Firma Metro kurz vor dem Ortsausgangsschild befindet und es in der Vergangenheit zur Gefährdung des Zu- und Abfahrtsverkehrs durch die sich auf der Brackeler Straße dem Ortsausgangsschild mit überhöhter Geschwindigkeit nähernden Kraftfahrzeuge gekommen ist. Diese besondere Gefahrensituation war für den Betroffenen auch erkennbar.

Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht schließlich auch die Frage aufgeworfen und verneint, ob ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot unter gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße gemäß § 2 Abs. 4 BKatV gerechtfertigt ist. Das Vorliegen besonderer Umstände, die einen solchen Ausnahmefall begründen könnten, hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Auch der Umstand, dass die der Verurteilung zugrunde liegende Tat bereits im März 1998 begangen wurde und daher inzwischen fast zwei Jahre und drei Monate zurückliegt, vermag nach Auffassung des Senats ein Absehen vom Fahrverbot nicht zu rechtfertigen. Zwar kann ein erheblicher Zeitablauf seit der Tat, wenn dieser dem Betroffenen nicht anzulasten ist, dazu führen, dass es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines (Regel-)Fahrverbotes nicht mehr bedarf (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.1996 - 2 Ss OWi 282/96 -; VRS 97, 449, 454; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 25 StVG Rdnr. 15 b). Von Bedeutung kann in diesem Zusammenhang allerdings nach Auffassung des Senats nur der Zeitraum zwischen Tatbegehung und der letzten tatrichterlichen Verhandlung sein, da der Tatrichter den sich anschließenden Zeitraum zwischen seiner Entscheidung und deren Rechtskraft nicht berücksichtigen kann und das Rechtsbeschwerdegericht lediglich zu prüfen hat, ob das Urteil des Tatrichters, auch was den Rechtsfolgenausspruch, insbesondere die Verhängung und Begründung eines Fahrverbotes betrifft, Rechtsfehler aufweist. Im Übrigen kann das Rechtsbeschwerdegericht auf der Grundlage der für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen in dem angefochtenen Urteil auch nur für den Zeitraum bis zur letzten tatrichterlichen Verhandlung prüfen, ob der Betroffene vor oder nach der abgeurteilten Tat noch in anderer Weise straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist.

Der Umstand allein, dass im vorliegenden Fall zwischen dem Geschwindigkeitsverstoß des Betroffenen und der amtsgerichtlichen Verurteilung ein Zeitraum von ca. einem Jahr und fünf Monaten vergangen ist, lässt die tatrichterliche Wertung, es bedürfe noch der Besinnungs- und Denkzettelfunktion des Fahrverbotes, nach Auffassung des Senats nicht als rechtsfehlerhaft erscheinen.

Da auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 a StVG erfüllt sind, war die im Übrigen unbegründete Rechtsbeschwerde mit der aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Maßgabe zu verwerfen. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Wirksamkeit des Fahrverbots wird auf die diesem Beschluss beigefügte Belehrung gemäß § 25 Abs. 8 StVG verwiesen.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.


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