Aktenzeichen: 3 Ss 683/00 OLG Hamm
Leitsatz: Will das Berufungsgericht trotz geringeren Schuldumfanges die gleiche Strafe wie das Erstgericht aussprechen, bedarf es einer besonderen Begründung.
Senat: 3
Gegenstand: Revision
Stichworte: Berufung, gleiche Strafe bei geringerem Schuldumfang, besondere Darlegung, lückenhafte Ausführungen
Normen: StPO 267, StGB 224, StGB 21
Beschluss: Strafsache gegen H.M.,
wegen gefährlicher Körperverletzung.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der
VI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 21. März 2000 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.08.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I.
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 08.11.1999 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Das Amtsgericht ist bei dem den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten weder von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit zur Tatzeit noch vom Vorliegen eines minder schweren Falles ausgegangen.
Auf die gegen dieses Urteil gerichtete und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bielefeld durch Urteil vom 21.03.2000 die Berufung verworfen.
Das Landgericht hat folgendes ausgeführt:
"Bei der Strafzumessung hat die Kammer gemäß § 224 Abs. 1 StGB einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren zugrundegelegt. Denn eine Gesamtbetrachtung von Täter, Tat und tatbegleitenden Umständen - insbesondere der Strafzumessungserwägungen im engeren Sinne, wie sie unten noch näher darzulegen sein werden - hat ergeben, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens unangebracht wäre und deshalb von einem minder schweren Fall im Sinne des § 224 StGB auszugehen ist. Dieses Ergebnis hat die Kammer im Hinblick auf die erheblichen Verletzungen, die das Tatopfer hat hinnehmen müssen und der Vorbelastungen des Angeklagten allerdings nur unter Berücksichtigung aller unten aufgeführten mildernden Umstände in ihrer Gesamtheit gefunden. Soweit wegen der aufgrund der Alkoholisierung des Angeklagten nicht ausschließbaren erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB auch eine Milderung nach § 49 Abs. 1 StGB in Betracht gekommen ist, hat die Kammer hiervon deshalb Abstand genommen, weil der für den minder schweren Fall vorgesehene Strafrahmen günstiger als der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Regelstrafrahmen ist und im übrigen ein minder schwerer Fall ohne diesen Milderungsgrund nicht anzunehmen war.
Die Strafmilderung nach § 46 a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB kam nach Auffassung der Kammer bereits deshalb nicht in Betracht, weil besondere - über die nach § 46 Abs. 2 StGB hinausgehende - Bemühungen des Angeklagten um Schadenswiedergutmachung nicht gegeben sind und im übrigen auch wegen der erheblichen Verletzungen des Opfers sich eine Milderung verbietet.
Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass er sich letztlich durch die Beschränkung seines Rechtsmittels auf das Strafmaß geständig gezeigt hat und sein Verhalten offensichtlich bereut. Auch hat er durch die Schmerzensgeldzahlung - die Kammer hat insoweit eine erfolgte Zahlung durch den Angeklagten unterstellt - aktiv zur Schadenswiedergutmachung beigetragen. Ferner sind die alkoholische Beeinflussung des Angeklagten und die aufgeheizte Atmosphäre bei der Schlägerei, die nicht vom Angeklagten ausgegangen ist, sowie die vorherige tatkräftige Teilnahme des Opfers an der Auseinandersetzung mildernd gewürdigt worden. Schließlich hat die Kammer bedacht, dass es sich bei dem Angeklagten noch um einen sehr jungen Mann handelt, der zudem Erstverbüßer ist und der durch die in dieser Sache erlittene Untersuchungshaft von sieben Monaten die Folgen seines Verhaltens schon unmittelbar zu spüren bekommen hat.
Als strafschärfend war jedoch zu werten, dass die Verletzungen, die der Geschädigte davongetragen hat, erheblich gewesen sind. Zulasten des Angeklagten mussten sich ferner seine Vorbelastungen auswirken, die Hinweise auf seine hohe Bereitschaft zur Gewaltanwendung geben. Insbesondere die einschlägige Vorverurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung vom 27.04.1999 - nur u.a. einen Monat vor der hier anstehenden ähnlich gelagerten Tat - musste sich straferschwerend auswirken.
Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erschien auch der Kammer die vom Amtsgericht verhängte Freiheitsstrafe von
einem Jahr und sechs Monaten
als tat- und schuldangemessen sowie unbedingt erforderlich, um den Angeklagten von weiteren Gewaltstraftaten abzuhalten.
Eine Strafaussetzung zur Bewährung kam nicht in Betracht. ..."
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt auf die erhobene Sachrüge zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zu einer Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld.
1. Die Strafkammer ist zu Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen. Das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 08.11.1999 enthält ausreichende Tatsachenfeststellungen, die eine zuverlässige Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden.
2. Soweit die Revision die Nichtaussetzung der Strafe zur Bewährung mit der Sachrüge angreift, ist diese Rüge erfolglos, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung in dieser Hinsicht keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Rechtsfolgenausspruch der Strafkammer hält jedoch einer rechtlichen Nachprüfung zur Festsetzung der Höhe der Freiheitsstrafe nicht stand. Die in dem angefochtenen Urteil dargelegten Gründe zur Strafzumessung genügen nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 3 StPO. Ersichtlich ist das Landgericht durch die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 224 Abs. 1 StGB von einem geringeren Schuldumfang ausgegangen als das Amtsgericht. Zwar ist ein Berufungsgericht grundsätzlich nicht gehindert, trotz Milderung des Schuldspruchs die gleiche Strafe auszusprechen wie das zuvor mit der Sache befasste Gericht. Die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessungserwägungen in der früheren Entscheidung sind kein Maßstab für die neue Strafzumessung. Will das Berufungsgericht trotz geringeren Schuldumfanges die gleiche Strafe wie das Erstgericht aussprechen, bedarf es indes einer besonderen Begründung, denn der Angeklagte hat einen Anspruch zu erfahren, warum er für ein Vergehen, das nunmehr im milderen Lichte erscheint und bei dem sogar ein deutlich niedrigerer Strafrahmen vorgeschrieben ist als der, der nach den früheren Feststellungen geboten war, gleich hoch bestraft wird (vgl. BGH NJW 1983, 54 = BGH StV 1983, 14; BGH StV 1993, 26, 585; HansOLG Hamburg, StV 1995, 643; OLG Karlsruhe StV 1989, 347). Die besondere Begründung einer solchen Strafzumessung ist auch deshalb erforderlich, weil anderenfalls die spezialpräventive Wirkung der Verurteilung von vornherein in Frage gestellt sein kann. Wird in verschiedenen Abschnitten ein und desselben Verfahrens die Tat des Angeklagten trotz unterschiedlicher für die Strafzumessung bedeutsamer Umstände, die sogar zu einer Verringerung des Strafrahmens führen, ohne ausreichende Begründung mit der gleich hohen Strafe belegt, so kann auch bei einem verständigen Angeklagten der Eindruck entstehen, dass die Strafe nicht nach vom Gesetz vorgesehenen oder sonst allgemein gültigen objektiven Wertmaßstäben bestimmt wurde (vgl. BGH, a.a.O., OLG Karlsruhe, a.a.O.).
Dieser erhöhten Darlegungs- und Begründungspflicht entsprechen die Ausführungen des Landgerichts zur Strafzumessung - bei der nach Auffassung des Senates im Übrigen maßvollen Strafe - nicht. Nachdem die Strafkammer die Tat des Angeklagten als minder schweren Fall nach § 224 Abs. 1 StGB bewertet, die Voraussetzungen des § 21 StGB hierbei bejaht und im Übrigen über die Erwägungen des Amtsgerichts hinaus die zwischenzeitlich entstandene geständige Haltung des Angeklagten berücksichtigt hat, hätte es der Darlegung eines entscheidenden Übergewichts von Straferschwerungsgründen gegenüber den strafmildernden Gesichtspunkten, die bei der festgestellten Tat zu treffen sein könnten, bedurft.
Da das angefochtene Urteil bereits deshalb aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen war, kann offen bleiben, ob der Umstand, dass die Strafkammer den drohenden Widerruf der durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 27.04.1999 zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe nicht berücksichtigt hat, die Revision begründet hätte.
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