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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 181/00 OLG Hamm

Leitsatz: Das Vorliegen einer Sachbeschädigung ist bei Farbsprühaktionen nicht allgemein zu bejahen. Vielmehr muß die Substanzverletzung der Sache einen nach ihrer Größe und ihrem Erhaltungszustand ins Gewicht fallenden Umfang erreichen. Die Feststellung der Substanzverletzung erfordert in jedem einzelnen Fall die Prüfung, ob durch die Besprühung mit der verwendeten Farbe die Sachsubstanz in nicht unerheblichem Umfang unmittelbar beschädigt wurde oder ob deren Beseitigung notwendigerweise zu einer solchen Substanzverletzung des besprühten Objekts führt.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Sachbeschädigung, Sprühen, Sprayer, Farbsprühaktion, Substanzverletzung, lückenhafte Feststellungen

Normen: StGB 303

Beschluss: Strafsache gegen S.R.,
wegen Sachbeschädigung

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Bielefeld vom 19.10.1999 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Bielefeld zurückverwiesen.

G r ü n d e :

I.
Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - hat den Angeklagten durch Urteil vom 19.10.1999 der Sachbeschädigung in 58 Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn zwei Freizeitarreste ver-
hängt. Ferner hat der Angeklagte die Auflage erhalten, nach Bestimmung des Jugendamtes Bielefeld 80 Stunden unentgeltlich in einer gemeinnützigen Einrichtung zu arbeiten.

Zum Schuldspruch hat das Amtsgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

"Ungefähr ab November 1998 begann der Angeklagte mit dem Sprühen seines Tags "Meda" an Hauswände, Mauern und Stromkästen in Bielefeld. Das Tag "Meda" benutzte der Angeklagte, weil es ihm gefiel. Es handelt sich um eine Wortschöpfung des Angeklagten ohne irgendwelchen Sinn. Der Angeklagte begann mit dem Graffittisprühen, da er die ganze Graffitti-Szene gut findet und sich erhoffte, in der Szene berühmt zu werden. Das Sprühen des Angeklagten fand seinen Höhepunkt in der Nacht vom 09. auf den 10.01.1999. In dieser Nacht war der Angeklagte mit dem gesondert verfolgten Till Paulik unterwegs. In dieser Nacht sprühte der Angeklagte an mindestens 19 Hauswänden, Mauern und Stromkästen sein Tag "Meda"."

Sodann folgt in den Urteilsgründen in 58 Fällen die Nennung des jeweils betroffenen Objekts, des Geschädigten mit postalischer Anschrift und unter Bezugnahme auf die betreffenden Fotos, und die Nennung des oder der angebrachten Tags und Schriftzüge sowie teilweise des Umstandes, ob das Tag inzwischen vom Angeklagten, in einem Fall durch den Eigentümer, übergestrichen oder entfernt worden ist oder der Angeklagte Sonstiges zur Schadenswiedergutmachung geleistet hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den unter II., S. 4 bis S. 7, dritter Absatz niedergelegten Inhalt der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Amtsgericht hat weiter dargelegt, dass dieser festgestellte Sachverhalt auf dem glaubwürdigen Geständnis des Angeklagten sowie der Augenscheinnahme der bei den einzelnen Taten genannten Fotos beruhe.

Zum Schuldspruch hat das Amtsgericht weiter Folgendes ausgeführt:

"Der Angeklagte hat sich damit der Sachbeschädigung in 58 Fällen nach den §§ 303, 53 StGB schuldig gemacht. Zur Tatbestandsverwirklichung des § 303 StGB gehört eine nicht unerhebliche Verletzung der Substanz der Sache. Bei den dem Angeklagten zur Last gelegten Farbsprühaktionen handelt es sich um einen nicht ganz geringfügigen Eingriff in die Substanz der Sache. Die Farbsubstanzen aus den Farbsprühdosen, die der Angeklagte verwendet hat, wirken auf den Untergrund ein und sind nicht durch einfache Maßnahmen wie Abwaschen mit Wasser zu beseitigen, da Farbsprühdosen keine Wasserfarben enthalten. Es bedarf regelmäßig der Verwendung besonderer Lösungsmittel um die aufgesprühte Farbe zu entfernen. Weil sich die Farbe jedoch mit dem Untergrund verbunden hat, gelingt dies nur unzulänglich, sei es, weil die Farbe nicht gänzlich zu beseitigen ist, sei es, weil die Lösungsmittel das zugrundeliegende Material angegriffen haben. Der Angeklagte hat überwiegend sein Tag auf rauhe Mauerwände gesprüht. Auf diesen Flächen lassen sich die Tags mit Lösungsmitteln nur gänzlich beseitigen, wenn auch auf die Substanz eingewirkt wird. Eine ordnungsgemäße Beseitigung der Tags ist nur dann zu erreichen, wenn die Tags übergestrichen werden. Das Überstreichen stellt jedoch lediglich die Wiederherstellung einer beschädigten Sache dar und beseitigt nicht die Sachbeschädigung als Straftat. Auch soweit der Angeklagte seine Tags auf einen glatten Untergrund gesprüht hat (z. B. Stromkasten) lassen sich die Tags nicht ohne weiteres mit Lösungsmitteln entfernen. Es kommt in jedem Falle zu einer Beschädigung des Untergrundes, die nur durch ein Überstreichen gänzlich beseitigt werden kann."

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten (Sprung-)Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und die Aufhebung des Urteils begehrt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat einen Antrag nicht gestellt.

II.
Die Revision ist zulässig und hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.

Zu Recht geht das Amtsgericht davon aus, dass Farbsprühaktionen an Hauswänden, Mauern und Stromkästen den Tatbestand der Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB nur begründen können, wenn mit dem Sprühen der Farben bzw. deren Beseitigung eine Substanzverletzung zwangsläufig verbunden ist oder aber, was das Amtsgericht vorliegend zutreffend nicht angenommen hat, die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit der Sache beeinträchtigt ist (vgl. BGHSt 29, 129 ff.; KG Beschluss vom 07.08.1998 - (5) 1 Ss 173/98 - = StV 1999, S. 156; BayObLG Beschluss vom 17.05.1999 - 2 StRR 84/99 - = StV 1999, 543 ff.). Die Substanzverletzung der Sache muss dabei einen nach ihrer Größe und ihrem Erhaltungszustand ins Gewicht fallenden Umfang erreichen. Die Feststellung der Substanzverletzung erfordert in jedem einzelnen Fall die Prüfung, ob durch die Besprühung mit der verwendeten Farbe die Sachsubstanz in nicht unerheblichem Umfang unmittelbar beschädigt wurde oder ob deren Beseitigung notwendigerweise zu einer solchen Substanzverletzung des besprühten Objekts führt (OLG Karlsruhe Beschluss vom 30.04.1999 - 1 Ss 192/98 - = StV 1999, S. 544). Das Vorliegen einer Sachbeschädigung bei Farbsprühaktionen ist nicht allgemein zu bejahen. Dies lässt sich auch nicht den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung BGHSt 41, 47 ff., die sich in erster Linie zu Fragen des § 129 StGB verhalten, entnehmen. Vielmehr kann von einer Offenkundigkeit, dass jede Farbbesprühung und deren Beseitigung zu einer Substanzverletzung führe, nicht ausgegangen werden (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.).

Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils genügen diesen Anforderungen nicht. Soweit das Amtsgericht zum Schuldspruch ausführt, dass die Farbsubstanzen aus den Farbsprühdosen, die der Angeklagte verwendet habe, nicht durch einfache Maßnahmen wie Abwaschen zu beseitigen seien, da Farbsprühdosen keine Wasserfarben enthielten, ist dies nicht ausreichend. Zum einen ist nicht ersichtlich, worauf das Amtsgericht diese Feststellung gründet. Das Amtsgericht hat nicht dargelegt, dass der Angeklagte hierzu Angaben gemacht hat. Es hat vielmehr lediglich seine diesen Feststellungen vorausgehenden Ausführungen zum Hergang der einzelnen Taten auf das glaubwürdige - nicht näher ausgeführte - Geständnis des Angeklagten und die Augenscheinnahme der genannten Fotos gestützt. Ob die genannte Feststellung hierauf ebenfalls beruht, bleibt zweifelhaft. Zum anderen bedarf es mit Rücksicht auf die erfahrungsgemäß vorhandenen erheblichen Unterschiede in der Zusammensetzung von Farbstoffen in Sprühdosen und infolgedessen - auch in Abhängigkeit von der Art der Substanz des Untergrundes - der Festigkeit der Anhaftung und der Möglichkeiten der folgenlosen Entfernung, auf die auch die Revisionsbegründung hinweist, jeweils der Prüfung der Substanzverletzung im einzelnen Fall. Das angefochtene Urteil lässt derartige konkrete Feststellungen zur Zusammensetzung der verwendeten Farbsubstanzen, der Beschaffenheit der jeweils besprühten Flächen und der Verursachung von Schäden durch die Beseitigung der Ansprühungen vermissen. Wenn eine Substanzverletzung nicht festgestellt werden kann, liegt - soweit wie hier eine Funktionsbeeinträchtigung nicht festgestellt ist - eine Straftat gemäß § 303 StGB nicht vor. Die Feststellungen tragen deshalb den Schuldspruch nicht.

Da die Sachrüge Erfolg hat, bedarf es der Prüfung der Verfahrensrüge nicht. Insoweit weist der Senat jedoch darauf hin, dass das Amtsgericht seine neuen Feststellungen zur Substanzverletzung durch Einwirkung der Farbantragung selbst oder durch deren Beseitigung auf konkrete Beweismittel wird stützen müssen; soweit die Einlassung des Angeklagten hierzu nicht hinreichend ergiebig sein wird, werden ggf. weitere Beweise durch Vernehmung der Geschädigten oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben sein.

III.
Die Beweiswürdigung beruht ebenso wie die Verurteilung auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. Das Urteil war daher mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO). Die Sache war an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO), die auch über die Kosten der Revision zu befinden hat, weil deren Erfolg i.S.d. § 473 StPO noch nicht feststeht.


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