Aktenzeichen: 3 Ss 488/2000 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Annahme eines Betruges bei Abhebung von aufgrund unberechtigter Gutschriften erlangter Gelder von einem Bankkonto.
Senat: 3
Gegenstand: Revision
Stichworte: Betrug, unberechtigte Gutschriften, Kontoeröffnung, rechtlicher Hinweis, gleiche Tat
Normen: StGB 263, StGB 267, StGB 281, StPO 264, StPO 265
Beschluss: Strafsache gegen T.N.,
wegen Betruges
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XVIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 21.01.2000 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 21.07.1999 wegen Urkundenfälschung in vier Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Essen durch Urteil vom 21.01.2000 das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte wegen Betruges, versuchten Betruges sowie wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt wird.
Die Strafkammer hat außerdem das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO insoweit eingestellt, als dem Angeklagten mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Essen vom 05.05.1999 (20 Js 76/99) die Vorlage eines gefälschten Passes am 22.12.1998 zur Last gelegt worden ist.
Nach den Feststellungen, die das Landgericht zur Sache getroffen hat, hatte sich der Angeklagte in Essen einen Fantasieausweis besorgt, der den Stempelaufdruck "World Service Authority Washington D.C." trägt und auf den Namen "Charles Douglas" ausgestellt war und das Ausstellungsdatum 02.01.1997 auswies. Jeweils unter Vorlage dieses Fantasieausweises und jeweils unter dem Namen "Charles Douglas" eröffnete er am 12.08.1998 bei der Deutschen Bank in Essen, Filiale Lindenallee, ein Sparkonto mit Spar-Card unter der Kontonummer 220012960 sowie am 14.10.1998 bei der Sparkasse Essen, Geschäftsstelle Innenstadt, ein Girokonto mit der Nummer 654939. Der Angeklagte hatte dabei von Anfang an die Absicht, sich über diese Konten in betrügerischer Weise Geld zu verschaffen. Er beabsichtigte, unberechtigte Gutschriften auf die Konten zu transferieren und das gutgeschriebene, ihm aber nicht zustehende Geld noch vor der Rückbuchung abzuheben und für seine Zwecke zu verwenden.
1.
Am 16.10.1998 wurde auf das von dem Angeklagten eröffnete Konto bei der Deutschen Bank in Essen zu Lasten des Kunden G. von der BfG-Bank Ratingen ein Betrag von 42.972,- DM überwiesen, ohne dass dieser Kunde einen entsprechenden Überweisungsauftrag erteilt hatte. Auf welche Weise diese unberechtigte Gutschrift auf das Konto des Angeklagten gelangt ist, konnte nicht festgestellt werden. Sicher ist aber, dass dies von dem Angeklagten selbst oder durch Mittäter veranlasst wurde. Der überwiesene Betrag wurde dem Konto des Angeklagten am 19.10.1998 gutgebracht. Noch am gleichen Tage erfolgte aber ein Widerruf durch die BfG-Bank Ratingen, so dass die Deutsche Bank in Essen das Geld von dem Konto des Angeklagten wieder abbuchte, noch bevor es diesem gelang, es abzuheben.
2.
Der Angeklagte veranlasste außerdem, dass auf seinem Konto bei der Sparkasse Essen am 24.11.1998 ein Betrag in Höhe von 47.691,34 DM gutgeschrieben wurde. Als angeblicher Auftraggeber der entsprechenden Überweisung war die Firma P.P.-Leasing in Köln angegeben. Noch bevor die Überweisung zurückgebucht werden konnte, ließ sich der Angeklagte am 25.11.1998 43.000,- DM in bar auszahlen, um sie für sich zu verbrauchen.
Beide Überweisungsträger wiesen ausdrücklich "Charles Douglas" als Empfänger der Überweisung aus und gaben jeweils die Kontonummern des Angeklagten bei der Deutschen Bank und bei der Sparkasse zutreffend wieder.
3.
Am 31.01.1999 reiste der Angeklagte, der sich zuvor in Italien aufgehalten hatte, mit der Deutschen Bahn AG beim Grenzübergang Kiefersfelden, Landkreis Rosenheim, in die Bundesrepublik Deutschland ein. Anlässlich einer Passkontrolle in Höhe der Ortschaft Brannenburg, Landkreis Rosenheim, wies er sich mit einem durch Seitenauswechslung verfälschten britischen Reisepass mit der Nummer 012783854, ausgestellt auf "David Isaac Ogilivie, geboren am 12.06.1979 in Manchester", aus. Er wusste, dass der Reisepass nicht für ihn ausgestellt war und ihm war auch bekannt, dass er nicht berechtigt war, in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen und sich dort aufzuhalten.
Die Strafkammer ist aufgrund der getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, der Angeklagte habe sich im Fall 1. eines versuchten Betruges zu Lasten der Deutschen Bank schuldig gemacht. Bereits als er das Konto dort eröffnet habe, habe er mit der Betrugshandlung begonnen, weil schon die Kontoeröffnung in der Absicht geschehen sei, sich zu Unrecht zu bereichern. Denn er habe von vornherein beabsichtigt, mit einem falschen Überweisungsträger eine ihm nicht zustehende Gutschrift auf sein Konto zu transferieren. Die Tat sei nur deshalb nicht vollendet worden, weil die Deutsche Bank sofort die Rückbuchung veranlasst habe. Im Fall 2. habe der Angeklagte sich eines Betruges zu Lasten der Sparkasse Essen schuldig gemacht. Er habe, nachdem er auch bei diesem Kreditinstitut in der bereits oben wiedergegebenen betrügerischen Absicht ein Konto eröffnet und durch einen gefälschten Überweisungsauftrag eine Gutschrift auf seinem Konto veranlasst habe, den auszahlenden Sparkassenangestellten vorgespiegelt, dass sein Konto ein Guthaben aufweise. Der dadurch erregte Irrtum habe noch vor dem Rückruf der Überweisung zur Auszahlung der dem Konto des Angeklagten kurzfristig gutgeschriebenen 43.000,- DM geführt. Eine tateinheitlich begangene Urkundenfälschung bei der Eröffnung der beiden Konten könne dem Angeklagten dagegen nicht vorgeworfen werden, da er bei den Kontoeröffnungen nicht den gefälschten englischen Pass, sondern den Fantasieausweis "World Service Authority Washington D.C." vorgelegt habe.
Bezüglich der Tat vom 31.01.1999 habe der Angeklagte eine Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1, 3. Alternative StGB begangen. Er habe nämlich einen englischen Pass vorgezeigt, der durch die Auswechslung von Seiten verfälscht gewesen sei. Mit der Vorlage des so verfälschten Ausweises habe er seine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erreichen wollen. Damit habe er im Rechtsverkehr eine verfälschte Urkunde gebraucht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er eine Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht.
II.
Die Revision hat mit der erhobenen Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeten Betruges zu Lasten der Sparkasse Essen und versuchten Betruges zu Lasten der Deutschen Bank in Essen hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Angeklagte hatte durch die Eröffnung der beiden Konten bei der Deutschen Bank in Essen und bei der Sparkasse Essen jeweils Giroverträge abgeschlossen, die Geschäftsbesorgungsverträge nach § 675 BGB darstellen. Durch den Girovertrag verpflichtet sich die Bank, alle bei ihr für den Kunden eingehenden Einzahlungen und Überweisungen seinem Konto gutzubringen (Anspruch auf Gutschrift), und erkennt an, die dem Konto gutgeschriebenen Beträge abstrakt zu schulden (Anspruch aus der Gutschrift). Der Überweisungsempfänger erlangt mit der Vornahme der Gutschrift einen Rechtsanspruch auf Auszahlung gegen seine Bank (vgl. BGHZ 87, 246, 252; BGHSt 39, 393, 396). Gibt der Kontoinhaber den überwiesenen Betrag ab, fordert er im Verhältnis zur Bank demnach keine nichtgeschuldete Leistung; er macht vielmehr einen ihm zustehenden Anspruch geltend (vgl. BGHSt 39, 396). Schon aus diesem Grunde stellten das Abheben der 43.000,- DM von dem Girokonto bei der Sparkasse Essen sowie die nach den landgerichtlichen Feststellungen beabsichtigte Abhebung gutgeschriebener Beträge von dem Konto bei der Deutschen Bank in Essen keine Betrugsstraftaten zu Lasten der beiden o.g. Kreditinstitute dar.
Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen einer am 31.01.1999 begangenen Urkundenfälschung kann keinen Bestand haben. Der Gebrauch einer Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr setzt nämlich voraus, dass ein Anderer über die Echtheit der Urkunde getäuscht werden und damit zu einem durch den Falschheitsgehalt (mit-)motivierten rechtserheblichen Verhalten veranlasst werden soll (vgl. Kühl in Lackner/Kühl, StGB, 23. Aufl., § 267 Randziffer 25). Beabsichtigt werden muss eine Täuschung durch den gedanklichen Inhalt der Urkunde, nicht durch deren sonstige Eigenschaften. Ist nur ein Teil der Urkunde verfälscht, so muss gerade dieser Teil das rechtlich erhebliche Verhalten auslösen sollen (vgl. Fischer in Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 267 Randziffer 32). Ob die Vorlage des britischen Reisepasses durch den Angeklagten bei seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am 31.01.1999 diese Voraussetzungen erfüllte, der Angeklagte also gerade mit Hilfe des verfälschten Teiles des Ausweises seine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erreichen wollte, lässt sich anhand der Urteilsfeststellungen aber nicht nachprüfen. Denn diese enthalten keine näheren Ausführungen dazu, welche Inhaltsänderung der britische Pass durch die Seitenauswechslung erhalten hat. Falls der Angeklagte nicht den verfälschten Inhalt des Passes benutzen wollte, um seine Einreise zu erreichen, sondern mit dem vorgelegten britischen Pass über seine Identität hatte täuschen und seine Einreise unter dem Namen David Isaac Oglivie, hatte erreichen wollen, wäre kein Verstoß des Angeklagten gegen § 267 StGB, sondern gegen § 281 Abs. 1 StGB gegeben, der im Verhältnis zu § 267 StGB einen milderen Strafrahmen - Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe - aufweist, gegeben.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.
Für einen Freispruch des Angeklagten von dem Vorwurf des Betruges bzw. versuchten Betruges in den Fällen 1. und 2. war allerdings kein Raum. Vielmehr kommt in beiden Fällen eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchten bzw. vollendeten Betruges zu Lasten derjenigen Kreditinstitute in Betracht, die durch die gefälschten Überweisungsaufträge die beiden hier in Rede stehenden Überweisungen auf die von dem Angeklagten eröffneten Konten bei der Deutschen Bank in Essen und bei der Sparkasse in Essen durchgeführt haben. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass das Fälschungsrisiko bei der Ausführung von Überweisungsaufträgen grundsätzlich das Kreditinstitut trägt, außer wenn der Kunde einen Vertrauenstatbestand bezüglich der Echtheit des Überweisungsauftrages geschaffen hat, auf den sich die Bank verlassen durfte (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 59. Aufl., § 676 f Randziffer 37). Dafür, dass der Angeklagte selbst oder durch Mittäter die gefälschten Überweisungsaufträge erteilt hat, sprechen gewichtige Verdachtsmomente. So hat es die Strafkammer zu Recht für ausgeschlossen erachtet, dass gleich in zwei Fällen Überweisungen über erhebliche Beträge von unterschiedlichen Auftraggebern auf zwei verschiedene Konten des Angeklagten bei verschiedenen Kreditinstituten jeweils versehentlich fehlgeleitet worden sind, zumal beide Überweisungsträger ausdrücklich einen "Charles Douglas" als Empfänger auswiesen und in ihnen jeweils die Kontonummern des Angeklagten bei der Deutschen Bank und der Sparkasse zutreffend eingetragen waren. Hinzu kommt, dass der Angeklagte, wie die Strafkammer in den Urteilsgründen ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar erklären konnte, warum er überhaupt die beiden Konten eröffnet hat. Für die Eröffnung der beiden Konten bestand nämlich kein Anlass, wenn der Angeklagte, wie in den Urteilsgründen festgestellt worden ist, von Sozialhilfe lebte, die ihm bar ausgezahlt wurde. Soweit die Strafkammer außerdem festgestellt hat, der Angeklagte habe die abgehobenen 43.000,- DM für sich verbrauchen wollen, handelt es sich um einen Umstand, der ein gewichtiges Indiz dafür darstellen könnte, dass der Angeklagte die Überweisung selbst oder durch Mittäter veranlasst hat. Allerdings lässt das angefochtene Urteil in Bezug auf diesen Punkt Ausführungen dazu vermissen, worauf die Feststellung, der Angeklagte habe das Geld für sich verbrauchen wollen, beruht.
Einer etwaigen Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges zu Lasten der die Überweisungen ausführenden Kreditinstitute steht auch nicht entgegen, dass ein solcher Vorwurf zumindest in dem Anklagesatz der Anklage der Staatsanwaltschaft Essen vom 05.05.1999 nicht enthalten ist. Gegenstand des Strafverfahrens und der Urteilsfindung ist nämlich die Tat im prozessualen Sinne gemäß § 264 StPO. Diese umfasst nicht nur den in der Anklage umschriebenen und dem Angeklagten dort zur Last gelegten Geschehensablauf. Vielmehr gehört dazu das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Ist ein solcher einheitlicher Vorgang gegeben, so sind die Einzelgeschehnisse, aus denen er sich zusammensetzt, auch insoweit Bestandteil der angeklagten Tat, als sie keine Erwähnung in der Anklage finden (vgl. BGH NJW 1996, 1160 m.w.N.). Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Entscheidend ist, ob zwischen den in Betracht kommenden Verhaltensweisen - unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung - ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, so dass ihre getrennte Aburteilung in verschiedenen erstinstanzlichen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (vgl. BGH NJW 1997, 3034; 1998, 168). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der erforderliche innere Zusammenhang ergibt sich im vorliegenden Falle daraus, dass die Eröffnung der beiden Konten dann, falls der Angeklagte die gefälschten Überweisungen veranlasst hat, Teilakte eines einheitlichen Gesamtgeschehens darstellen würden, ohne die das Gesamtgeschehen nicht verständlich und nachvollziehbar wäre. Abgesehen davon ergäben sich dann Überschneidungen beider Tatgeschehen dadurch, dass dann, wenn der Angeklagte die beiden hier in Rede stehenden Überweisungen durch gefälschte Aufträge bewirkt hätte, die Überweisungen auf die von ihm eröffneten Konten gleichzeitig täuschungsbedingte Vermögensverfügungen der überweisenden Banken darstellen würden. Ebenso würden von den überweisenden Banken nicht mehr zu widerrufende Gutschriften auf den beiden Konten des Angeklagten den für die Erfüllung des Betrugstatbestandes erforderlichen Vermögensschaden der überweisenden Banken darstellen.
Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückzuverweisen.
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen hat der Senat keinen Anlass gesehen, den gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehl - er befindet sich seit dem 31.01.1999 in Untersuchungshaft - aufzuheben.
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