Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. 289/97 (55/97) OLG Hamm
Leitsatz: Auch bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung reicht es aus, wenn statt der Urschrift des Auslieferungsersuchens eine von der deutschen Eingangsbehörde beglaubigte Abschrift übersandt wird oder aus sonstigen Umständen auf Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift und Echtheit der Urschrift geschlossen werden kann.
Senat: 2
Gegenstand: Auslieferungssache
Stichworte: fehlende Urschrift des Auslieferungsersuchens, beglaubigte Abschrift des Auslieferungsersuchens, Auslieferungsverfahren
Fundstelle: StraFo 1997, 342
Beschluss: Auslieferungssache betreffend den türkischen Staatsangehörigen S.A.,
wegen Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland nach Slowenien oder in die Türkei zur Strafverfolgung,
(hier: Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung und die Fortdauer der Auslieferungshaft).
Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 24. September 1997 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.10.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht beschlossen:
1. Die Auslieferung des Verfolgten an die Behörden der Republik Slowenien zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der ihm mit dem Haftbefehl des Untersuchungsrichters am Kreisgericht in Ptuj vom 4. Juni 1997 (Aktenzeichen Kpr. 41/97) zur Last gelegten Tat wird für zulässig erklärt.
2. Die Fortdauer der Auslieferungshaft wird unter Zurückweisung der Einwendungen des Verfolgten angeordnet.
Gründe:
I.
Der Senat hat gegen den am 23. Mai 1997 festgenommenen Verfolgten mit Beschluss vom 3. Juni 1997 die vorläufige Auslieferungshaft und mit Beschlüssen vom 1. Juli 1997 und 12. August 1997 die förmliche Auslieferungshaft angeordnet wegen der sowohl von den slowenischen Behörden als auch von den türkischen Behörden beantragten Auslieferung.
Der Verfolgte, dem die Senatsbeschlüsse vom 3. Juni 1997 und 1. Juli 1997 im Beisein seines Beistandes vom Amtsgericht in Siegen bekannt gegeben worden sind, hat mit am 22. August 1997 eingegangenem Schreiben erklärt, dass er in jedem Fall - auch wenn eine Bestrafung erforderlich sei - in Deutschland bleiben möchte.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt nunmehr, über die Zulässigkeit der Auslieferung sowohl nach Slowenien als auch in die Türkei zu entscheiden und diese für zulässig zu erklären sowie unter Zurückweisung der Einwendungen des Verfolgten die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen.
Auf dem von der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 29 IRG gestellten Antrag war die Auslieferung des Verfolgten nach Slowenien für zulässig zu erklären; hinsichtlich der von den türkischen Behörden beantragten Auslieferung konnte mangels eines überprüfbaren Auslieferungsersuchens noch keine Entscheidung über die Zulässigkeit erfolgen.
II.
Die Republik Slowenien hat mit Schreiben ihres Justizministers vom 17. Juni 1997 (Nr. 765 -937/97) unter Beifügung der vorgeschriebenen Auslieferungsunterlagen (Art. 12 Abs. 2 EuAlÜbk) um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung ersucht. Das Bundesministerium der Justiz in Bonn hat mit diesen Auslieferungsunterlagen eine unbeglaubigte Kopie des Ersuchens vom 17. Juni 1997 weitergeleitet und die Übermittlung einer beglaubigten Abschrift des Ersuchens abgelehnt. Das vom Bundesjustizministerium lediglich in einfacher Kopie übersandte Auslieferungsersuchen reicht im vorliegenden Fall für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung aus, da der Senat an der Echtheit dieses Auslieferungsersuchens keine Zweifel hat.
Der Senat ist berechtigt und verpflichtet, die Echtheit des Auslieferungsersuchens selbständig zu prüfen. Darüber, wie das zu geschehen hat, gibt es jedoch keine festen Regeln und keine bindenden Vorschriften; vielmehr entscheidet das Oberlandesgericht in freier Beweiswürdigung. Insbesondere ist nicht vorgeschrieben, dass die Echtheit eines Auslieferungsersuchens nur und ausschließlich durch die Vorlage der Urschrift nachgewiesen werden könne (vgl. zum Prüfungsumfang bei Erlass eines Auslieferungshaftbefehls BGHSt 24, 158 sowie Senatsbeschlüsse vom 15. Januar 1996, (2) 4 Ausl. 416/95 (37), und vom 31. Mai 1996, (2) 4 Ausl. 243/96-14, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Der Senat ist in Erweiterung seiner bisherigen Rechtsprechung der Auffassung, dass es auch bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung ausreicht, wenn statt der Urschrift des Auslieferungsersuchens eine von der Deutschen Eingangsbehörde beglaubigte Abschrift übersandt wird oder aus dem Begleitschreiben der Eingangsbehörde oder aus sonstigen Umständen auf Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift und Echtheit der Urschrift geschlossen werden kann. Vorliegend kann angesichts des auf der übersandten Fotokopie des Schreibens des slowenischen Justizministers befindlichen und ebenfalls mitkopierten Eingangsstempels des Bundesministeriums der Justiz in Bonn davon ausgegangen werden, dass sich das Original der vom Slowenischen Justizminister Marusic unterzeichneten Urkunde im Justizministerium befindet; Zweifel an der Echtheit dieser Urkunde bestehen damit nicht.
Das Ersuchen des slowenischen Justizministers ist gestützt auf den Haftbefehl des Untersuchungsrichters am Kreisgericht in Ptuj vom 4. Juni 1997 (Aktenzeichen: Kpr 41/97) sowie auf den ebenfalls beigefügten Beschluss desselben Gerichts vom 3. Juni 1997, in dem die gerichtliche Voruntersuchung gegen den Verfolgten eröffnet worden ist. Dem Verfolgten wird darin zur Last gelegt, seine Ehefrau M.A. in der Nacht vom 24. März auf den 25. März 1997 im Ort Stanosina um 1. 00 Uhr auf einem Parkplatz in der Nähe des Grenzüberganges Gruskovje durch Schläge mit einem hammerähnlichen Gegenstand getötet zu haben.
Die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung wegen dieses ihm zur Last gelegten Tötungsdelikts ist zulässig. Die Tat ist sowohl nach slowenischem Recht (Art. 127 des StGB der Republik Slowenien) als auch nach deutschem Recht (zumindest als Totschlag gemäß § 212 StGB) strafbar und mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem Jahr bedroht. Die Auslieferungsfähigkeit des Verfolgten folgt aus Artikel 1 und Artikel 2 Abs. 1 EuAlÜbk. Gründe, die die Auslieferung nach den Bestimmungen des EuAlÜbk oder der IRG als unzulässig erscheinen lassen können, sind nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich aus dem Vorbringen des Verfolgten, in Deutschland bleiben zu wollen und soweit erforderlich, in Deutschland bestraft zu werden, kein Auslieferungshindernis.
III.
Die Auslieferung an die Behörden der Republik Türkei konnte derzeit nicht für zulässig erklärt werden, da der Senat derzeit die Echtheit des Auslieferungsersuchens des türkischen Justizministeriums nicht feststellen kann. Zur Prüfung der Echtheit des Auslieferungsersuchens ist der Senat - wie oben im einzelnen dargelegt - sowohl berechtigt als auch verpflichtet.
Die türkische Botschaft hat mit einem an das Auswärtige Amt gerichteten Schreiben vom 23. Juli 1997 ("Verbalnote") mitgeteilt, dass das türkische Justizministerium um Auslieferung des Verfolgten ersuche zum Zwecke der Strafverfolgung wegen Mordes an seiner Ehefrau in Slowenien. Das Auswärtige Amt hat dieses Schreiben der türkischen Botschaft vom 23. Juli 1997 an das Bundesministerium der Justiz weitergeleitet, das eine Übermittlung einer beglaubigten Abschrift dieses Schreibens an die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm abgelehnt hat.
Die Echtheit des Auslieferungsersuchens kann der Senat anhand des ihm vorliegenden Schriftstücks (Verbalnote der türkischen Botschaft vom 23. Juli 1997, 512. A/1973-312) nicht feststellen, da es weder handschriftlich unterschrieben ist noch in Druckschrift den Namen des verantwortlichen Absenders enthält. Zwar enthalten die den Anforderungen des Art. 12 Abs. 2 EuAlÜbk genügenden beigefügten Unterlagen ein von der Staatsanwaltschaft in Adana gestelltes Auslieferungsersuchen. Diesem Ersuchen der örtlichen Staatsanwaltschaft ist ein staatliches Auslieferungsersuchen, d.h. eine auf Auslieferung des Verfolgten gerichtete Willenserklärung der Republik Türkei, jedoch nur dann zu entnehmen, wenn es auf diplomatischem oder ministeriellem Geschäftsweg übermittelt wird (vgl. Uhlig/Schomburg/Lagodny, Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 28 bis 31).
Da der Senat anhand der ihm vorliegenden Verbalnote der türkischen Botschaft vom 23. Juli 1997 die Echtheit des Auslieferungsersuchens der Republik Türkei zur Zeit nicht feststellen kann, konnte eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten an die Behörden der Republik Türkei derzeit nicht erfolgen. Im vorliegenden Fall ist vielmehr die Vorlage eines Ersuchens erforderlich, die auch den Aussteller der Urkunde erkennen lässt.
IV. Entsprechend dem weiteren Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen (§ 26 Abs. 1 IRG). Die zuletzt im Senatsbeschluss vom 12. August 1997 dargelegten Haftgründe bestehen fort. Neue rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte, die eine dem Verfolgten günstigere Beurteilung der Haftfrage rechtfertigen, sind nicht hervorgetreten. Vielmehr ist der Anreiz, sich dem Verfahren durch Flucht oder Untertauchen zu entziehen durch die positive Zulässigkeitsentscheidung betreffend die Auslieferung nach Slowenien eher verstärkt worden, so dass weiterhin mildere Maßnahmen als der Vollzug der Auslieferungshaft zur Verfahrenssicherung nicht ausreichen.
Die weitere Auslieferungshaft ist auch derzeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.
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