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Rechtsprechung

Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. 416/95 (37) OLG Hamm

Leitsatz: Der Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft steht es nicht entgegen, wenn die Auslieferungsunterlagen nur in Telekopie vorliegen.

Senat: 2

Gegenstand: Auslieferungssache

Stichworte: fehlende Urschrift des Auslieferungsersuchens, beglaubigte Abschrift des Auslieferungsersuchens, Auslieferungsverfahren, Anordnung förmlicher Auslieferungshaft

Beschluss: Auslieferungssache (förmlicher Auslieferungshaftbefehl) betreffend den niederländischen Staatsangehörigen A.V.,
wegen Auslieferung zur Strafverfolgung aus Deutschland in die Niederlande,
(hier: Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft).

Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 4. Januar 1996 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.01.1996 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht beschlossen:

Gegen den Verfolgten wird die förmliche Auslieferungshaft angeordnet.

Gründe:
Der Senat hat durch Beschluss vom 18. Dezember 1995, auf den Bezug genommen wird, gegen den Verfolgten die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet.

Mit einem an das nordrhein-westfälische Justizministerium in Düsseldorf per Telefax übermittelten Schreiben vom 20. Dezember 1995 hat das niederländische Justizministerium Den Haag nunmehr förmlich um die Auslieferung des Verfolgten ersucht. Das Ersuchen ist auf den ebenfalls per Telefax übermittelten nicht in Übersetzung beigefügten Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Roermond vom 24. Oktober 1995 gestützt. Die von der Generalstaatsanwaltschaft veranlasste Übersetzung des Haftbefehls lautet bezüglich der hier interessierenden Ausführungen wie folgt:

"G.V., dem folgendes zur Last gelegt wird:
1. dass er in der Zeit vom 9. September 1995 bis 19. September in der Gemeinde Tegelen, jedenfalls im Gerichtsbezirk Roermond, gemeinsam und in Zusammenarbeit mit einer oder mehreren weiteren Personen, zumindest alleine, in der Absicht einer widerrechtlichen Zueignung eine Geldmenge (ca. f 25, -) und/oder eine Scheckkarte mit Geheimkode und/oder ein Personenauto und/oder einen CD-Player entwendet hat, auf jeden Fall Güter, die Eigentum von P.A.M.P. Peeters sind, zumindest einer anderen Person als dem Beschuldigten und/oder des Mittäter(n) gehören. Dieser Diebstahl wurde begangen mit Anwendung von Gewalt und/oder Gewaltandrohung gegen P.A.M.P. Peeters, welche Gewalt angewandt wurde, um den Diebstahl vorzubereiten und/oder zu erleichtern und/oder wenn nötig die Flucht zu ermöglichen bzw. die Inbesitznahme der gestohlenen Güter abzusichern; unter Strafe gestellt in Artikel 312 des Strafgesetzbuches, für welches Verbrechen eine Haftstrafe bis zu 12 Jahren angegeben ist; und dass er in der Zeit vom 9. September 1995 bis 19. September in der Gemeinde Tegelen, jedenfalls im Gerichtsbezirk Roermond, gemeinsam und in Zusammenarbeit mit einer oder mehreren weiteren Personen, bzw. zumindest alleine, in der Absicht einer widerrechtlichen Vorteilsnahme mit Gewalt und/oder Gewaltandrohung P.A.M.P. Pe. zur Herausgabe einer Geldmenge (ca. f 950, -) und/oder eines Autoschlüssels gezwungen hat, zur Herausgabe von Gütern also, die Eigentum von P.A.M.P. Pe. sind, zumindest einer anderen Person als dem Beschuldigen und/oder dessen Mittäter(n) gehören; unter Strafe gestellt in Artikel 312 des Strafgesetzbuches (nach der unübersetzten Fassung des Haftbefehls ist hier Artikel 317 des Strafgesetzbuches angeführt), für welches Verbrechen eine Haftstrafe bis zu 12 Jahren angegeben ist;"

Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist nunmehr gegen der Verfolgten die förmliche Auslieferungshaft anzuordnen.

Zwar genügen die nur telekopierten Unterlagen, die nicht im original oder beglaubigter Abschrift vorgelegt worden sind, nicht der Formvorschrift des Artikel 12 Abs. 2 a EuAlÜbk. Dies steht jedoch der Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft nicht entgegen. Der Senat ist berechtigt und sogar verpflichtet, die Echtheit eines Auslieferungsersuchens unbeschadet der Vorschrift des Artikels 12 Abs. 2 a EuAlÜbk selbständig zu prüfen. Darüber, wie das zu geschehen hat, gibt es keine Regeln und keine bindenden Vorschriften, das Oberlandesgericht entscheidet vielmehr in freier Beweiswürdigung. Insbesondere ist nicht vorgeschrieben, dass die Echtheit eines Auslieferungsersuchens nur durch Vorlage einer Urschrift oder beglaubigten Abschrift nachgewiesen werden kann (vgl. BGHSt 24, 158; 28, 35; OLG Düsseldorf, StV 1989, 27 mit Anmerkung Stange; Uhlig/Schomburg/Lagodny, Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 2. Aufl., Artikel 12 EuAlÜbk, Rnr. 4; Grützner/Pötz-Wilkitzki, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 2. Aufl., § 15 IRG, Rnr. 15). Das Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen vom 23. September 1992 (Bundesgesetzblatt, 1995, Teil II, Seite 970) gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung, da hierdurch, wie aus der Bekanntmachung über die vorläufige Anwendung des zuvor zitierten Abkommens vom 26. September 1995 (Bundesgesetzblatt, 1995, Teil II, Seite 969) folgt, der Rechtshilfeverkehr vereinfacht, nicht aber erschwert werden sollte. Vorliegend hat der Senat keinen Zweifel, dass die Auslieferungsunterlagen mit den Originalen übereinstimmen. Sie sind, nach vorheriger Übermittlung gemäß dem Schengener Durchführungsübereinkommen, auf ministeriellem Geschäftswege übersandt worden, wobei aus dem Text des Schreibens des Holländischen Justizministeriums Den Haag vom 20. Dezember 1995 hervorgeht, dass dort keinerlei Zweifel an der Übereinstimmung des nunmehr übermittelten Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Roermond vom 24. Oktober 1995 mit dem Original bestand. Auch die äußere Form und Gestaltung der Unterlagen sprechen ersichtlich dafür, dass sie von Originalen oder beglaubigten Abschriften erstellt worden sind, an deren Echtheit zu zweifeln kein Anlass besteht.

Die Auslieferungsfähigkeit folgt aus Artikel 1 und Artikel 2 Abs. 1 EuAlÜbk. Die dem Verfolgten vorgeworfenen Handlungen sind sowohl nach niederländischem Recht (§§ 312 und 317 des niederländischen Strafgesetzbuches) als auch nach deutschem Recht (§§ 249, 253, 255 StGB) strafbar und mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem Jahr bedroht.

Anhaltspunkte dafür, dass der Verfolgte, der sich mit der vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt hat, deutscher Staatsangehöriger ist, liegen nicht vor.

Seine Auslieferung erscheint auch nicht von vornherein unzulässig (§ 15 Abs. 2 IRG). Der Umstand, dass der Verfolgte nach wie vor den Tatvorwurf bestreitet, steht der Zulässigkeit der Auslieferung nicht entgegen, denn eine Tatverdachtsprüfung findet in Auslieferungssachen nach deutschem Recht grundsätzlich nicht statt.

Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG). Der Verfolgte muß in den Niederlanden mit einer erheblichen Freiheitsstrafe rechnen, woraus sich erfahrungsgemäß ein starker Fluchtanreiz ergibt. Er verfügt im Inland weder über einen festen Wohnsitz noch über tragfähige soziale Bindungen. Es ist daher zu erwarten, dass sich der Verfolgte im Fall der Freilassung dem Auslieferungsverfahren nicht stellen würde.

Weniger einschneidende Maßnahmen bieten nicht die nach § 25 Abs. 1 IRG erforderliche Gewähr, dass der Zweck der Auslieferungshaft durch sie erreicht werden kann.
Schließlich steht die Auslieferungshaft auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zu der von dem Verfolgten zu erwartenden Strafe.


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