Aktenzeichen: 1 VAs 33/96 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG bei ambulanter Therapie
Senat: 1
Gegenstand: Justizverwaltungssache
Stichworte: Zurückstellung, Strafvollstreckung, ambulante Therapie, Substitutionsbehandlung
Normen: BtMG
Beschluss: Justizverwaltungssache betreffend P.C.,
wegen Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG.
Auf den Antrag der Betroffenen vom 2. Mai 1996 auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 29. März 1996 in der Form des Beschwerdebescheids des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 26.06.1996 sowie auf den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30.07.1996 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet verworfen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des der Antragstellerin wird verworfen.
Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.
Gründe:
Das Amtsgericht Dortmund verurteilte die Antragstellerin am 4. Februar 1992 wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung. Mit Beschluss vom 12. August 1992 führte das Gericht diese Strafe und eine weitere aus dem Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 30. Januar 1992, der ebenfalls ein Verstoß gegen das BtMG zugrundelag, auf eine Gesamtstrafe von neun Monaten zurück, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Am 9. Juni 1993 verlängerte das Amtsgericht Dortmund die Bewährungszeit um ein Jahr auf vier Jahre nachdem die Antragstellerin vom Amtsgerichts Dortmund an 23. Februar 1993 wegen eines weiteren Verstoßes gegen das BtMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten mit Bewährung verurteilt worden war. Am 14.02.1994 erhob die Staatsanwaltschaft Dortmund erneut Anklage gegen die Antragstellerin. Sie war in diesen Verfahren geständig, sich in dem Zeitraum von Dezember 1992 bis Juli 1993 wegen verbotswidrigen Erwerbs von Betäubungsmitteln strafbar gemacht zu haben. Noch vor Abschluss des Verfahrens widerrief das Amtsgericht Dortmund daraufhin mit Beschluss vom 6. Oktober 1994 die Strafaussetzung. Der Beschluss ist rechtskräftig.
Am 7. Juni 1995 beantragte die Antragstellerin die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG. Sie begründete dies im wesentlichen mit der von ihr beabsichtigten Teilnahme an einer ambulanten Therapie in Verbindung mit einer Substitution durch Methadon. Das Amtsgericht hat die Zustimmung gemäß § 35 Abs. 1 BtMG mit der Begründung verweigert, dass erhebliche Zweifel an der erforderlichen psycho-sozialen Betreuung der Antragstellerin bestehen würden. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin den Antrag auf Zurückstellung der Strafvollstreckung zurückgewiesen und dazu ausgeführt, dass die Antragstellerin den erforderlichen Nachweis einer geeigneten Therapie durch ausgebildete Fachkräfte nicht erbracht habe und im übrigen nicht feststellbar sei, dass die Antragstellerin überhaupt therapiert werde.
Die dagegen erhobenen Einwendungen der Antragstellerin hat der Generalstaatsanwalt in Hamm zurückgewiesen. Er hat dazu ausgeführt, dass selbst dann, wenn man mit einer im Vordringen befindlichen Rechtsauffassung eine ambulante Substitutionstherapie als Behandlung im Sinne von § 35 Abs. 1 BtMG ansehe, die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen bei der Antragstellerin jedenfalls nicht vollständig gegeben seien.
Angesichts der langjährigen Drogenabhängigkeit der Antragsteller sei bereits zweifelhaft, ob eine ambulante Substitutionstherapie überhaupt geeignet sei, zur Drogenfreiheit zu führen. Die von der Antragstellerin vorgelegten Bescheinigungen der Einrichtung "Anonyme Drogenberatungsstelle Recklinghausen Rauschmittelprobleme e.V." über Gespräche in der Beratungsstelle seien nicht geeignet, die erforderliche psychosoziale Betreuung nachzuweisen.
Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 ff. EGGVG verfolgt die Antragstellerin weiterhin das Ziel, die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zu erreichen. Sie hat dazu ausgeführt, dass das Mittel einer stationären Therapie für sie nicht in Betracht komme, weil sie nach dem Scheitern solcher Therapien gegen diese inzwischen zu viele Vorbehalte und Ängste entwickelt habe. Der mit Dr. med. Ulrich R. in Dortmund geschlossene Behandlungsvertrag über eine Substitutionsbehandlung mit Methadon sowie die psycho-soziale Betreuung durch die anonyme Drogenberatungsstelle Recklinghausen in Recklinghausen seien geeignet, die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zu rechtfertigen.
Der Antrag erweist sich als zulässig. Bei der beanstandeten Maßnahme handelt es sich um die Verweigerung der Zurückstellung der Strafvollstreckung bei betäubungsmittelabhängigen Straftätern nach § 35 Abs. 1 BtMG durch die Strafvollstreckungsbehörde. Diese stellt ein Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG dar. Gegen die Verweigerung der Zurückstellung können die ordentlichen Gerichte auch nicht aufgrund anderer Vorschriften, insbesondere derjenigen der StPO angerufen werden (§ 23 Abs. 3 EGGVG).
In der Sache ist der Antrag jedoch unbegründet. Die Staatsanwaltschaft hat zu Recht die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 Abs. 1 BtMG verweigert.
Es bedarf im vorliegenden Fall keiner grundsätzlichen Entscheidung, ob eine ambulante Substitutionsbehandlung mit psychosozialer Betreuung überhaupt geeignet sein kann, die Voraussetzungen für eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zu erfüllen, denn die dazu bislang von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen sind jedenfalls bei der Antragstellerin in wesentlichen Punkten nicht erfüllt. Da eine ambulante Substitutionstherapie deutlich geringere Anforderungen an den Drogenabhängigen stellt, bedarf die Heranziehung solcher Maßnahmen im Rahmen des § 35 Abs. 1 BtMG in jedem Fall einer besonders sorgfältigen Prüfung (vgl. auch OLG Köln, StV 1995, 649).
Sofern eine ambulante Substitutionstherapie überhaupt als geeignete Maßnahme im Rahmen von § 35 Abs. 1 BtMG angesehen werden kann, bedarf es in einem solchen Fall zumindest u. a. insbesondere einer psychosozialen Begleitung, die von der Verurteilten auch ernsthaft wahrgenommen wird.
Die Antragstellerin hat insoweit lediglich vorgetragen und durch Bescheinigungen nachgewiesen, dass sie in der Zeit zwischen dem 9. Mai 1995 und dem 15. Mai 1996 an 6 Tagen zu einem Gespräch in der Anonymen Drogenberatung in Recklinghausen war und weitere Termine vorgesehen sind. Der Arzt für innere Medizin Dr. R. hat der Antragstellerin darüber hinaus am 30. April 1996 u. a. bescheinigt, dass sie sich täglich bei ihm zur Substitution einfinde, klar und gesund erscheine und wiederholte Urinkontrollen zum Ausschluss eines Beigebrauchs negativ ausgefallen seien. Die Staatsanwaltschaft hat die Antragstellerin schließlich mit Schreiben vom 2. Mai 1996 vergeblich dazu aufgefordert, sich zu Art und Umfang der psycho-sozialen Betreuung zu erklären.
Die Antragstellerin hat damit eine wesentliche im Rahmen des § 35 BtMG an eine ambulante Substitutionstherapie zu stellende Anforderung - ihre grundsätzliche Eignung als Behandlung unterstellt - nicht erfüllt. Angesichts der innerhalb eines Jahres nur sechs nachgewiesenen Gespräche in der Anonymen Drogenberatung und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass über die berufliche Befähigung des Betreuenden keine Erkenntnisse vorliegen, ist nicht einmal erkennbar, ob die Antragstellerin in ihrer Lebensführung überhaupt in qualifizierter Weise psychosozial betreut wird und diese Betreuung auch akzeptiert.
Schließlich genügt auch die vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Dr. med. R. nicht den strengen Voraussetzungen, wie sie im Fall der Anerkennung einer ambulanten Substitutionstherapie zu fordern wären. Ihr ist schon nicht zu entnehmen, ob mit der Vergabe des Substitutionsmittels nicht lediglich eine Leidensminderung angestrebt wird, sondern auch eine gesundheitliche Stabilisierung mit dem Ziel der Drogenfreiheit. Dies ist der vorgelegten Bescheinigung jedoch ebenso wenig zu entnehmen, wie die Mitteilung, in welchen zeitlichen Abständen eine Kontrolle auf den Ausschluss von anderen Betäubungsmitteln vorgenommen wurde.
Der Antrag konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Schließlich war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen, da gemäß § 29 Abs. 3 EGGVG in Verbindung mit § 117 ZPO die dafür erforderlichen Erklärungen nicht abgegeben worden sind. Aus diesem Grund kann auch für die Beiordnung eines Rechtsanwalts kein Raum mehr sein.
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