Aktenzeichen: 2 Ws 139/2000 OLG Hamm
Leitsatz: Auf den Widerruf des Einverständnisses mit der Vollstreckung eines ausländischen Erkenntnisses in der Bundesrepublik Deutschland ist die zum Widerruf der Einwilligung zur bedingten Entlassung aus der Strafhaft ergangene Rechtsprechung entsprechend anzuwenden.
Senat: 2
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Ausländisches Urteil, Vollstreckbarkeitserklärung, Rücknahme des Antrags, Einlegung der sofortigen Beschwerde
Normen: IRG 55, IRG 49, StGB 57
Beschluss: Strafsache gegen M.H..
wegen Drogenschmuggels
(hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen einen Beschluss des Landgerichts Münster, durch den ein ausländisches Urteil für vollstreckbar erklärt worden ist).
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster vom 7. Dezember 1999 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30.08.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der Beschluss des Landgerichts Münster vom 7. Dezember 1999 wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt, aufgehoben.
Gründe:
I.
Der Verurteilte ist durch rechtskräftiges und vollstreckbares Urteil des Staatsgerichts in Southwark/Großbritannien vom 12. Juni 1998 wegen vorsätzlichen Drogenschmuggels zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Er hat diese Strafe zunächst in Großbritannien verbüßt. Mit Schreiben vom 9. September 1998 hat der Verurteilte beantragt, zum weiteren Vollzug der gegen ihn verhängten Strafe in die Bundesrepublik Deutschland überstellt zu werden. Dieser Antrag ist der Staatsanwaltschaft Münster zur Prüfung und weiteren Veranlassung gemäß §§ 50 ff. IRG übermittelt worden. Die Staatsanwaltschaft hat dann gemäß Artikel 9 Abs. 3 des Übereinkommens vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen in Verbindung mit § 55 IRG beantragt, die Vollstreckung aus dem Urteil des Staatsgerichts vom 12. Juni 1998 für zulässig zu erklären und entsprechend dem britischen Erkenntnis eine Freiheitsstrafe von vier Jahren festzusetzen. Dem ist die Strafvollstreckungskammer im angefochtenen Beschluss nachgekommen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich nunmehr der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde. Zur Begründung verweist er darauf, dass er am 10. April 2000 in Großbritannien aus der Haft entlassen und als "persona non grata" in die Bundesrepublik Deutschland abgeschoben worden sei; dies haben die britischen Behörden bestätigt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 7. Dezember 1999 aufzuheben, da er gegenstandslos sei.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 55 Abs. 2, 77 IRG in Verbindung mit §§ 304, 311 StPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der angefochtene Beschluss war aufzuheben, da die Voraussetzungen für die gemäß § 55 IRG in Verbindung mit Artikel 9 des Übereinkommens für die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983 (BGBl. 1991, II, S. 1006, 1007; 1992 II S. 98) erfolgte Vollstreckbarkeitserklärung des britischen Erkenntnisses vom 12. Juni 1998 nicht mehr vorliegen. Dabei kann dahinstehen, inwieweit der Verurteilte die Entlassung aus der britischen Haft und seine Abschiebung in die Bundesrepublik Deutschland ggf. gemäß § 49 IRG gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung geltend machen konnte.
Der angefochtene Beschluss ist nämlich schon deshalb aufzuheben, weil das nach den internationalen Bestimmungen/Übereinkommen erforderliche Einverständnis des Verurteilten mit der Vollstreckung des britischen Erkenntnisses, das in dem Antrag des Verurteilten vom 9. September 1998 deutlich geworden ist, nicht mehr gegeben ist. Der Verurteilte hat zwar sein Einverständnis nicht ausdrücklich zurückgezogen. Mit der Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss hat er jedoch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er mit der von ihm zunächst angestrebten Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland, die im angefochtenen Beschluss für zulässig erklärt worden ist, nicht mehr einverstanden ist.
Der in der Einlegung der sofortigen Beschwerde liegende Widerruf des Einverständnisses mit der Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland war zu diesem Zeitpunkt auch noch möglich. Insoweit ist nach Auffassung des Senats die zu § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB ergangene Rechtsprechung entsprechend anzuwenden. Nach allgemeiner Meinung muß die nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erforderliche Einwilligung des Verurteilten in die bedingte Entlassung nach Verbüßung von 2/3 der erkannten Strafe noch vorliegen, wenn der Strafaussetzungsbeschluss rechtskräftig wird (OLG Celle NJW 1956, 1608; Tröndle in Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 57 StGB Rn. 7). Bis zu diesem Zeitpunkt kann sie zurückgenommen werden (Tröndle, a.a.O., mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die hinter dieser Rechtsprechung stehende Interessenlage ist mit der hinsichtlich der Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Erkenntnisses in der Bundesrepublik Deutschland nach den §§ 50 ff. IRG, die im Interesse des Verurteilten ergangen sind, vergleichbar. Denn ebenso wie die bedingte Entlassung nach § 57 StGB dem Verurteilten nicht aufgezwungen werden soll (Tröndle, a.a.O.), soll die Vollstreckung eines ausländischen Erkenntnisses in der Bundesrepublik Deutschland nur erfolgen, wenn der Verurteilte damit einverstanden ist und/oder einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Ist das aber der Fall, dann muß der Verurteilte diesen Antrag bis zur Rechtskraft der Vollstreckbarkeitserklärung auch zurücknehmen können.
Diese Rücknahme ist noch im Beschwerdeverfahren möglich. Denn kann eine zunächst verweigerte Einwilligung in die Strafaussetzung nach § 57 StGB noch im Beschwerdeverfahren erklärt werden (ständige Rechtsprechung aller Strafsenate des OLG Hamm; siehe auch Tröndle, a.a.O., mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung), muß umgekehrt die zunächst erklärte Einwilligung auch zu diesem Zeitpunkt noch zurückgenommen werden können.
Da somit die Voraussetzungen für die im angefochtenen Beschluss erfolgte Vollstreckbarkeitserklärung nicht mehr vorliegen, war der Beschluss vom 7. Dezember 1999 aufzuheben. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 473 Abs. 2, 467 StPO.
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