Aktenzeichen: 1 Ss 611/2000 OLG Hamm
Leitsatz: Grundsätzlich kann die Mitwirkung des Richters an Vorentscheidungen in der Regel nicht als Ablehnungsgrund herangezogen werden. Das gilt insbesondere für die Mitwirkung in einem früheren Verfahren, in dem dieselben Vorgänge wie in dem jetzigen Verfahren eine Rolle spielten oder mit ihm im Zusammenhang stehen. Etwas anderes kann allenfalls in Ausnahmefällen gelten.
Senat: 1
Gegenstand: Revision
Stichworte: Befangenheit, Ablehnung, Mitwirkung in einem früheren Verfahren
Normen: StPO 24
Beschluss: Strafsache gegen F.R.,
wegen Betruges (hier: Ablehnung der Richter K., S. und B. wegen der Besorgnis der Befangenheit).
Auf den Antrag des Angeklagten vom 12. Juli 2000, den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K., die Richterin am Oberlandesgericht S. und den Richter am Oberlandesgericht B. wegen der Besorgnis der Befangenheit auszuschließen, hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.08.2000 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, in 17 Fällen Kreditinstitute dadurch betrogen zu haben, dass er Verrechnungsschecks vorlegte, die auf sein Konto gezogen waren, welches keine Deckung aufwies. Die Scheckbeträge wurden ihm ausgezahlt. Aufgrund dieses Verhaltens wurde er durch das Amtsgericht Olpe wegen Betruges in 17 Fällen am 24.09.1999 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hatten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Siegen Berufung eingelegt. Der Angeklagte hat seine Berufung zurückgenommen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 10 Monaten verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit seiner Revision.
Im Jahre 1996 war der Angeklagte wegen Betruges in 19 Fällen und weiterer Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 9 Monaten verurteilt worden. Mit Beschluss vom 06.10.1998 hatte das Landgericht Siegen den Angeklagten nach Verbüßung von 2/3 der Strafe bedingt entlassen. Aufgrund der neuen Straftaten wurde die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten hat der Senat unter dem 29.06.2000 unter Beteiligung der abgelehnten Richter verworfen. Dies nimmt der Angeklagte mit seinem Antrag vom 12. Juli 2000 zum Anlass, die beteiligten Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Er trägt vor, aufgrund der Entscheidung im Beschwerdeverfahren hätten die Richter zu erkennen gegeben, dass die Revision keine Aussicht auf Erfolg haben wird, ohne im Vorfeld sich mit der Revisionssache auseinander zusetzen.
Das so begründete Ablehnungsgesuch hat keinen Erfolg. Aus dem Verhalten der abgelehnten Richter kann der Betroffene kein Misstrauen in ihre Unparteilichkeit herleiten. Ein solches Misstrauen ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der oder die abgelehnten Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnehmen, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. BVerfGE 32, 288, 290). Grundsätzlich kann die Mitwirkung des Richters an Vorentscheidungen in der Regel nicht als Ablehnungsgrund herangezogen werden. Denn ein verständiger Angeklagter kann und muss davon ausgehen, dass der Richter sich dadurch nicht für künftige Entscheidungen festgelegt hat (vgl. BGH 21, 334, 341 m.w.N.). Das gilt insbesondere für die Mitwirkung in einem früheren Verfahren, in dem dieselben Vorgänge wie in dem jetzigen Verfahren eine Rolle spielten oder mit ihm im Zusammenhang stehen (vgl. BGH a.a.O.). Etwas anderes kann allenfalls in Ausnahmefällen gelten.
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier ersichtlich nicht vor. Im Rahmen der Beschwerde hatte der Senat sich damit auseinander zusetzen, ob das Verhalten des Angeklagten dreieinhalb Monate nach seiner Entlassung und der Strafaussetzung des Strafrestes zur Bewährung Anlass zum Widerruf der Strafaussetzung gab. Dabei konnte er berücksichtigen, dass der Angeklagte das äußere Tatverhalten uneingeschränkt eingeräumt hatte. Ferner war zu berücksichtigen, dass er selbst für dieses Verhalten eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt war, akzeptiert hatte. Die von ihm selbst eingelegte Berufung hatte er zurückgenommen. Bei dieser Sachlage konnte der Senat, ohne den endgültigen Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten, davon ausgehen, dass hinreichende Gründe für den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung vorlagen. Aus der Entscheidung des Senats kann der Verurteilte daher keinesfalls entnehmen, dass die Richter sich nunmehr nicht mit den Argumenten in seiner Revisionsbegründung unbefangen auseinandersetzen werden.
Daher war der Befangenheitsantrag zurückzuweisen.
Eine Fristverlängerung für die Stellungnahme zu den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter, wie der Angeklagte sie mit Schreiben vom 10.08.2000 beantragt hat, braucht nicht gewährt zu werden, da es für die Entscheidung auf den Inhalt dieser Äußerungen nicht ankam.
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