Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss OWi 651/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Beruft sich ein Kraftfahrer darauf, dass er fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass eine Verkehrsbeschränkung aufgehoben worden sei und kann ihm diese Einlassung nicht widerlegt werden, so scheidet zwar die Verhängung eines Fahrverbots nicht notwendig aus, der Tatrichter hat sich jedoch unter Berücksichtigung aller übrigen Tatumstände mit der entsprechenden Einlassung des Betroffenen in den Urteilsgründen auseinander zusetzen.

Senat: 4

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Fahrverbot, Ausnahme vom Regelfahrverbot, Augenblicksversagen, Übersehen eines Verkehrsschildes

Normen: StVO 3, StVG 25

Beschluss: Bußgeldsache gegen F.B.,
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tecklenburg vom 15. Februar 2000 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 29. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 79 Abs. 5, 6 OWiG beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Tecklenburg zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht Tecklenburg hat den Betroffenen "wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit" zu einer Geldbuße von 350,- DM verurteilt und ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge der Führerscheinklasse 3 im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Es hat ferner angeordnet, dass das Fahrverbot erst wirksam werde, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 25. August 1999 gegen 13.02 Uhr mit einem PKW der Marke Audi, amtliches Kennzeichen HF-WB 254 in Lengerich die Autobahn A 1 in Fahrtrichtung Dortmund. In Höhe Kilometer 242 innerhalb einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h befuhr er die Autobahn mit einer Geschwindigkeit von mindestens 153 km/h und überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit damit um mindestens 53 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war durch Zeichen 274 StVO bestimmt. Die Geschwindigkeitsbegrenzungsschilder haben 800 m sowie 250 m vor der Messstelle rechts und links der Fahrbahn gestanden. Nach den Urteilsfeststellungen befand sich in Höhe der Messstelle "eine entsprechende Beschilderung zur Aufhebung einer Überholverbotszone für LKWs".

Das Amtsgericht hat das Verhalten des Betroffenen als fahrlässige Zuwiderhandlung "gegen §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG" gewertet.

Es hat die genannte Geldbuße festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats für Kraftfahrzeuge der Führerscheinklasse 3 angeordnet.

Mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde wendet sich der Betroffene gegen die Verhängung des Fahrverbots. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat Erfolg. Die Begründung, mit der das Amtsgericht das Fahrverbot angeordnet hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Damit unterliegt der Rechtsfolgenausspruch wegen der Wechselwirkung von Fahrverbot und Geldbuße insgesamt der Aufhebung.

Soweit nach der Bußgeldkatalogverordnung in den Fällen von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG die Verhängung eines Fahrverbots "in der Regel" in Betracht kommt, ist diese durch den Verordnungsgeber getroffene Regelung ebenso wie die durch die Rechtsprechung herausgearbeitete Handhabung grundgesetzkonform (vgl. BVerfG, DAR 1996, 196, 197 f). Insoweit gilt, dass in diesen Fällen ein grober bzw. beharrlicher Pflichtverstoß indiziert ist, dessen Ahndung, abgesehen von besonderen Ausnahmefällen, der Verhängung eines Fahrverbots als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme bedarf (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl.,
§ 25 StVG Rdnr. 15 b m.w.N.).

Hiervon kann nur abgesehen werden, wenn unter Berücksichtigung der konkreten und im Einzelnen darzulegenden Umstände des Einzelfalles ausnahmsweise das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung verneint wird (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 25 StVG Rdnr. 14 m.w.N.) oder wenn erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher oder durchschnittlicher Umstände gegeben sind, die das Tatgeschehen aus dem Rahmen der typischen Begehungsweise einer solchen Ordnungswidrigkeit im Sinne einer Ausnahme herausheben (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 25 StVG Rdnr. 15 b m.w.N.; BGH, NZV 117, 119; BayObLG, DAR 1994, 501).

Nach den bisher getroffenen Feststellungen kann der von der Rechtsprechung herausgearbeitete Ausnahmefall, wonach bei einem nur auf einfacher Fahrlässigkeit beruhenden, wenn auch objektiv schwerwiegenden Verstoß gegen Verkehrsvorschriften (sogenanntes Augenblicksversagen durch schlicht fahrlässiges Übersehen einer Beschilderung) möglicherweise ein grober Pflichtverstoß nicht angenommen werden kann (vgl. dazu BGH, NJW 1997, 3252, 3253) = VRS 94, 221 ff.), in Betracht kommen. Das Amtsgericht hat nämlich festgestellt, dass sich in Höhe der Messstelle eine Beschilderung zur Aufhebung einer Überholverbotszone für LKWs befunden hat. Möglicherweise hat der Betroffene - wie er bereits vor dem Amtsgericht geltend gemacht hat - zufolge eines augenblicklichen Versehens hierin eine Aufhebung einer Verkehrsbeschränkung insgesamt gesehen. Beruft sich ein Kraftfahrer darauf, dass er Verkehrsschilder schlicht übersehen hat und kann ihm diese Einlassung nicht widerlegt werden, so scheidet zwar die Verhängung eines Fahrverbots wegen der Nichtbefolgung nicht notwendig aus, der Tatrichter hat sich jedoch unter Berücksichtigung aller übrigen Tatumstände mit der entsprechenden Einlassung des Betroffenen in den Urteilsgründen auseinander zusetzen. Da es an jeglichen Ausführungen zu der Frage fehlt, ob das Fehlverhalten des Betroffenen dennoch als grob pflichtwidrig i.S.d. § 25 Abs. 2 StVG oder nur als einfache Fahrlässigkeit zu werten ist, war das Urteil auf die Sachrüge des Betroffenen bereits aus diesem Grunde aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass gemäß § 260 Abs. 4 StPO in der Urteilsformel die rechtliche Bezeichnung der Tat, deren der Betroffene schuldig gesprochen worden ist, anzugeben ist. Auf § 260 Abs. 5 StPO wird wegen der Vollständigkeit ebenfalls aufmerksam gemacht.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".