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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 79/00 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Umfang der erforderlichen Ausführungen der Strafvollstreckungskammer in Entscheidungen, die Strafvollzugssachen zum Gegenstand haben.

Senat: 1

Gegenstand: Strafvollzugssache

Stichworte: Verlegung in den offenen Vollzug, lückenhafte Entscheidungsgründe

Normen: StVollzG 119

Beschluss: Strafvollzugssache betreffend den Strafgefangenen J.K.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden
(hier: Verlegung in den offenen Vollzug).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 15. Juni 2000 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 19. Mai 2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01.08.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Präsidenten des Justizvollzugsamtes Westfalen-Lippe beschlossen:

Der Beschluss des Landgerichts Arnsberg, durch den der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen worden ist, wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.

Die Sache wird insoweit zur neuen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg zurückverwiesen.

Gründe:
Der Antragsteller verbüßt derzeit in der Justizvollzugsanstalt Werl eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren neun Monaten wegen Bandendiebstahls. Im Anschluss daran ist die Vollstreckung zweier widerrufener Strafreste notiert. Strafende ist der 18. Oktober 2006. Aufgrund der Einweisungsentschließung der JVA Hagen vom 16. April 1999 wurde der Antragsteller am 30. April 1999 der Justizvollzugsanstalt Werl zugeführt.

In dem vorliegenden Verfahren wendet sich der Betroffene gegen die Ablehnung seines Antrages auf Verlegung in den offenen Vollzug.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hat zur Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung ausgeführt:

"Am 29. Mai 1999 beantragte der Antragsteller, aus medizinischen Gründen in den offenen Vollzug verlegt zu werden, um eine Rehabilitationsmaßnahme durchführen zu können. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl lehnte den Antrag nach Erörterung in der Vollzugskonferenz gemäß § 159 StrVollzG am 31. August 1999 ab. Die Entscheidung wurde dem Antragsteller am gleichen Tag mündlich eröffnet."

Den gegen diese Entscheidung des Anstaltsleiters gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer zwar für zulässig, in der Sache jedoch als nicht begründet angesehen. Die getroffene Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Insoweit führt die Strafvollstreckungskammer aus:

"Die Persönlichkeit des Antragstellers und seine kriminelle Karriere stützen die Prognose der Missbrauchsgefahr durch den Antragsgegner. Die Entwicklung der kriminellen Karriere begann beim Antragsteller bereits im Jugendalter. Seit 1970 kam es zu zwölf Einträgen in das Bundeszentralregister, vorwiegend wegen Diebstahls- und Einbruchsdelikten. Nach Abschluss des ersten Einweisungsverfahrens in der Justizvollzugsanstalt Hagen im Jahre 1986 wegen einer Freiheitsstrafe von drei Jahren sechs Monaten wurde der Antragsteller in den offenen Vollzug verlegt, um einem Arbeitseinsatz außerhalb der Justizvollzugsanstalt nachgehen zu können. Die Lockerung des offenen Vollzuges nutzte der Antragsteller zur Begehung einer Serie organisierter Einbruchsdiebstähle, was zur Verlegung in den geschlossenen Vollzug führte, aus dem er im November 1988 entlassen wurde. Nach Abschluss des zweiten Einweisungsverfahrens in der Justizvollzugsanstalt Hagen im Jahre 1991 wegen einer Freiheitsstrafe von vier Jahren wurde der Antragsteller wegen der Straflänge zunächst in den geschlossenen Vollzug eingewiesen. 1993 wurde er in den offenen Vollzug verlegt, wo er an einer Technikerausbildung teilnahm. Während der Haftzeit kam es zu keinen Auffälligkeiten. Nach der Haftentlassung im Jahre 1995 setzte der Antragsteller seine kriminelle Karriere fort. Gemeinsam mit mehreren Mittätern führte er über einen längeren Zeitraum zahlreiche, gezielt geplante und organisierte Einbruchsdiebstähle in Gewerbebetriebe oder öffentliche Gebäude durch, obwohl er zu diesem Zeitpunkt in den Verfahren 12 KLs 18/91 LG Mönchengladbach und 61 KLs 127/89 LG Hagen unter Bewährung stand. Die Straftaten dienten dem Antragsteller als gute und beständige Einnahmequelle, aus der er seinen Lebensunterhalt bestritt. Durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 2. Juni 1998 wurde er deswegen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren neun Monaten verurteilt. Durch diese Lebensführung hat der Antragsteller verdeutlicht, dass ihn weder langjährige Inhaftierungen noch mehrfache Bewährungschancen von der Begehung weiterer Straftaten abhalten, wobei die hohe Rückfallgeschwindigkeit hervorsticht. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner bei seiner Prognoseentscheidung eine Missbrauchsgefahr befürchtet. Hinzu kommt der hohe Strafrest, der vom Antragsteller in seiner Prognoseentscheidung berücksichtigt worden ist und der für den Antragsteller einen erhöhten Fluchtanreiz darstellt. Dabei ist zu beachten, dass sich das Strafzeitende nunmehr auf den 18. Oktober 2006 verlängert hat, nachdem die Strafaussetzungen in den Verfahren 12 KLs 17/91 LG Mönchengladbach und 41 KLs 127/89 LG Hagen durch Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 16. August 1999 widerrufen wurden. Der Einschätzung des Antragsgegners steht nicht entgegen, dass der Antragsteller sich in der Justizvollzugsanstalt Werl beanstandungsfei führt. Dies hat er auch in der Vergangenheit im geschlossenen Vollzug stets getan. Sobald ihm jedoch Lockerungen zugestanden wurden, hat er diese zur Begehung neuer Straftaten missbraucht."

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen. In dieser führt er unter anderem aus, die Strafvollstreckungskammer greife völlig unerwartet auf Missbrauchs- und Fluchtgefahr zurück. Eine derartige, in diese Richtung gehende Ermessensbetätigung durch die Justizvollzugsanstalt Werl sei nicht ergangen. Die Strafvollstreckungskammer habe entweder ihr Ermessen an die Stelle des Ermessens der Justizvollzugsanstalt Werl in Bezug auf die Missbrauchs- und Fluchtgefahr gesetzt oder gegen Artikel 103 GG verstoßen, da ihm, dem Betroffenen, eine solche Stellungnahme niemals durch die Justizvollzugsanstalt Werl zugänglich gemacht worden sei.

Der Senat hat die gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer gerichtete Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (§ 116 Abs. 1 StrVollzG).

Das Rechtsmittel hat auch einen - vorläufigen - Erfolg, weil der Beschluss an einem durchgreifenden Mangel leidet. Die Entscheidungsgründe lassen nicht in der gebotenen Weise erkennen, welchen Sachverhalt das Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung unter Hinweis auf die Besonderheiten des revisionsrechtlich ausgestalteten Rechtsbeschwerdeverfahrens in Strafvollzugssachen ausgeführt, dass die Strafvollstreckungskammer den für erwiesen erachteten Sachverhalt, der ihrer rechtlichen Würdigung zugrunde liegt, in den Gründen des Beschlusses wenigstens in gedrängter Form unter Verzicht auf eine Bezugnahme darzulegen hat, damit eine rechtliche Überprüfung anhand der tatrichterlichen Feststellungen der Strafvollstreckungskammer ermöglicht wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Juni 1998 - 1 Vollz (Ws) 25 und 116/98 -; Senatsbeschluss vom 20. Oktober 1998 - 1 Vollz (Ws) 282 und 283/98).

Die Strafvollstreckungskammer hat deshalb die entscheidungserheblichen Tatsachen so vollständig wiederzugeben, dass anhand dieser Feststellungen eine rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht möglich ist.

Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Beschluss nicht. Ihm ist weder zu entnehmen, auf welche Gründe im einzelnen die Justizvollzugsanstalt Werl ihre Ablehnung auf Verlegung in den offenen Vollzug gestützt hat, noch welche Gründe dem Antragsteller eröffnet worden sind. Der Senat kann daher nicht überprüfen, welche Ermessensentscheidung der Leiter der Justizvollzugsanstalt im Rahmen des ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraumes getroffen hat und welche tatsächlichen Grundlagen dieser Ermessensentscheidung zugrunde gelegt worden sind. Von daher ist es dem Senat auch nicht möglich zu beurteilen, ob es sich bei den Erwägungen der Strafvollstreckungskammer um eine Prüfung der Ermessensentscheidung der Justizvollzugsanstalt oder um eigene Ermessensgesichtspunkte handelt, mit denen die Strafvollstreckungskammer den ihr zustehenden Prüfungsumfang überschritten hätte (BGHSt 30, 320).

Angesichts der Tatsache, dass die Strafvollstreckungskammer in den Gründen des Beschlusses ebenfalls nicht mitgeteilt hat, ob der Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl zur Begründetheit des Antrages auf gerichtliche Entscheidung Stellung genommen hat, kann auch daraus nicht gefolgert werden, auf welche Gründe die Justizvollzugsanstalt ihre ablehnende Entscheidung gestützt hat und welche Gründe dem Betroffenen eröffnet worden sind. Einer Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt zu diesem Punkt bedarf es hier insbesondere deshalb, weil nach den von der Justizvollzugsanstalt eingereichten Unterlagen die ablehnenden Gründe lediglich in einem Vermerk festgehalten worden sind. Welche Gründe für die Ablehnung der Verlegung in den offenen Vollzug dem Antragsteller eröffnet worden sind, ergibt sich aus diesen Unterlagen nicht.

Die Sache war daher zur erneuten Aufklärung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuweisen.


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