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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ss 611/00 OLG Hamm

Leitsatz: Keine ordnungsgemäße Berufungseinlegung durch die Staatsanwaltschaft, wenn aus einem nicht handschriftlich unterzeichneten Schriftstück nicht eindeutig der Wille, ein Rechtsmittel einlegen zu wollen, erkennbar ist.

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: ordnungsgemäße Berufungseinlegung durch die Staatsanwaltschaft. eindeutig erkennbarer Wille

Normen: StPO 314

Beschluss: Strafsache gegen X.X.,
wegen Betruges

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Siegen vom 27. März 2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24. 08. 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sowie die insoweit dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

Das Amtsgericht Olpe hat den Angeklagten mit Urteil vorn 24. September 1999 wegen Betruges in siebzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von achtzehn Monaten verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit einen am 02. Oktober 1999 beim Amtsgericht Olpe eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt, die er am 15. Oktober 1999 zurückgenommen hat.

Die auf den 27. September 1999 datierte mit dem zugehörigen Aktenzeichen versehene Berufungsschrift der Staatsanwaltschaft Siegen ist am 28. September 1999 bei dem Amtsgericht Olpe eingegangen. Darin heißt es:

,,In der Strafsache
gegen X.X.
wegen Betruges
lege ich gegen das am 24.09.1999 verkündete Urteil
Berufung
ein.
(S.)
Leitender Oberstaatsanwalt"

Eine Unterschrift enthält diese Berufungsschrift nicht.

Mit Urteil vom 27. März 2000 hat die 3. kleine Strafkammer des Landgerichts Siegen auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts Olpe abgeändert, den Angeklagten des Betruges in siebzehn Fällen für schuldig befunden und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.

Das zulässige Rechtsmittel des Angeklagten hat auch in der Sache Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, so dass es bei dem Urteil des Amtsgerichts Olpe vom 24.September 1999 verbleibt. Im Rahmen der Revision hat der Senat von Amts wegen die Verfahrensvoraussetzungen zu prüfen. Dazu gehört auch die Frage der Zulässigkeit der Berufung, denn die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils in dem anhängigen Verfahren stellt ein Prozesshindernis für das weitere Verfahren dar. Ein solches Verfahrenshindernis liegt hier vor. Das Urteil des Amtsgerichts Olpe ist nach Rücknahme der Berufung des Angeklagten rechtskräftig geworden. Denn die Berufung der Staatsanwaltschaft Siegen ist nicht in zulässiger Weise eingelegt worden. Die Berufungsschrift vom 27. September 1999 genügt nicht den Anforderungen des § 314 Abs. 1 StPO. Danach muß die Berufung binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich bei dem Gericht des ersten Rechtszuges eingelegt werden. Hier stellt sich nur die Frage, ob die Berufungsschrift dem Schriftformerfordernis genügt. Die Schriftform kann zwar auch dann gewahrt sein, wenn das die Erklärung enthaltende Schriftstück nicht unterzeichnet ist. Erforderlich ist dann jedoch, dass aus dem Schriftstück selbst für sich allein, ohne Zuhilfenahme anderer Beweismittel, klar die Identität des Erklärenden und sein Wille ersichtlich sein müssen, das Rechtsmittel einzulegen (RGSt 67, 385; BGHSt 2, 77; BayObLG JR 1962, 467; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, Einleitung Rdn. 128 m.w.N.). Die Schriftlichkeit soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muß feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (GMS-OBG NJW 80, 172). Diesem Erfordernis der Schriftform genügt das Schriftstück der Staatsanwaltschaft Siegen vom 24. September 1999 nicht. Der Wille des Leitenden Oberstaatsanwalts, Berufung einzulegen, mag vorhanden gewesen sein. Es fehlt jedoch an dem Merkmal, dass dieser Wille zur Zeit der Einreichung bei dem Amtsgericht aus dem Schriftstück unzweifelhaft erkennbar war. Bei Eingang des Schriftstückes bei dem Amtsgericht Olpe, welches entgegen RiStBV 149 nicht handschriftlich von dem Staatsanwalt unterzeichnet war, war für dieses nicht eindeutig zu erkennen, dass die Berufung von dem Leitenden Oberstaatsanwalt S. eingelegt worden ist. Es war hier nicht auszuschließen, dass der in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Olpe anwesende Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die Berufung einlegen wollte und dass dieser dem Leitenden Oberstaatsanwalt die Einlegung der Berufung empfohlen hat. Für diesen Fall war es denkbar, dass die Berufungsschrift auf Veranlassung des Sitzungsvertreters gefertigt und ohne Willen des Leitenden Oberstaatsanwalts dem Amtsgericht zugeleitet worden war. Die Schriftform gemäß § 314 StPO ist somit nicht gewahrt.

Wegen des aufgezeigten Verfahrenshindernisses war das angefochtene Urteil daher aufzuheben. Die Nebenentscheidung beruht auf den §§ 464, 473 StPO.


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