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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 207-209/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Erforderlichkeit einer erneuten mündlichen Anhörung, wenn seit einer früheren Anhörung ein längerer Zeitraum verstrichen ist

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Widerruf von Strafaussetzung; neue Straftaten, zwingende mündliche Anhörung, Zeitnähe der mündlichen Anhörung, neue mündliche Anhörung nach langem Zeitablauf

Normen: StGB 56 f, StPO 453

Beschluss: Strafsache gegen P.W.,
wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a., (hier: Widerruf von Strafaussetzungen zur Bewährung in drei Verfahren).

Auf die - undatierte - sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 10. Juli 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01.09.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerde, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

Gründe:
Die Strafvollstreckungskammer hat mit den angefochtenen Beschlüssen die bedingte Aussetzung nicht verbüßter Restfreiheitsstrafen in zwei Verfahren sowie einer Freiheitsstrafe in einem weiteren Verfahren widerrufen und mit jeweils gleichlautender Begründung u.a. ausgeführt:

"Gegen seine Pflichten aus der Strafaussetzung hat der Verurteilte verstoßen. Er ist nämlich während der Bewährungszeit erneut straffällig geworden. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Witten vom 08.06.1999 wurde er wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Tatzeit war der 12.03.1999.

Der Verurteilte hat durch die Begehung dieser Straftaten gezeigt, dass sich die in ihn gesetzte Erwartung nicht erfüllt hat.

Zudem hat der Verurteilte grob und beharrlich gegen Weisungen verstoßen. Er trinkt weiter im Übermaß Alkohol und hat in die im Verfahren 11 Js 202/98 StA Bochum (StVK 1345/98) angeordnete stationäre Therapie nicht durchgeführt. Auch nach mündlicher Anhörung und eindringlicher Ermahnung durch die Kammer, nunmehr die Alkoholproblematik ernsthaft zu bekämpfen, hat er diese Chance nicht genutzt und konsumiert nach Auskunft des Bewährungshelfers weiter Alkohol im Übermaß.

Durch sein Verhalten gibt der mehrfach vorbestrafte Verurteilte Anlass zu der Besorgnis, dass er erneut Straftaten begehen wird."

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten, der ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht versagt bleibt.

Zwar würde die neuerliche Straffälligkeit des Verurteilten in Verbindung mit dem aufgezeigten Weisungsverstoß grundsätzlich den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigen. Vorsorglich merkt der Senat in diesem Zusammenhang jedoch an, dass allein die erneute Verurteilung zu einer Geldstrafe, der ein Ladendiebstahl mit einer Beute im Werte von lediglich 29,65 DM zugrunde liegt, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit voraussichtlich nicht ausgereicht hätte, um darauf einen Widerruf zu stützen, zumal die abgeurteilte Diebstahlstat nur in einem der hier betroffenen drei Verfahren als einschlägig anzusehen ist (vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 56 f Rdnr. 3 c m.w.N.).

Entscheidend dafür, dass im vorliegenden Falle die Widerrufsbeschlüsse, jedenfalls zunächst, keinen Bestand haben können, ist die fehlende Zeitnähe zwischen der Anhörung des Verurteilten am 29. Dezember 1999 und der erst am 10. Juli 2000 erfolgten dreifachen Widerrufsentscheidung.

Die gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO grundsätzlich zwingende Anhörung des Verurteilten soll sicherstellen, dass sich die Strafvollstreckungskammer vor ihrer Entscheidung einen persönlichen Eindruck von dem Verurteilten und seiner aktuellen Situation verschaffen kann. Dieser persönliche Eindruck, dem nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine entscheidende Bedeutung zukommt, muss jedoch zeitnah gewonnen werden und zum Zeitpunkt der Entscheidung noch fortwirken. Davon kann hier ca. sechseinhalb Monate nach der Anhörung nicht mehr ausgegangen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juli 1998 in StraFo 1998, 354; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 454 Rdnr. 31 m.w.N.). Dies gilt umso mehr, als der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde nunmehr eine deutliche Stabilisierung seiner Lebensverhältnisse behauptet, u.a. die Kontaktaufnahme zur Gruppe des "Blauen Kreuzes" in Witten, so dass eine neuerliche Anhörung nach Auffassung des Senats nach alledem unerlässlich ist.

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerde, an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.


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