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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ss OWi 837/00 OLG Hamm

Leitsatz:

  1. Dem tatrichterlichen Urteil muß zu entnehmen sein, dass der Tatrichter sich der Möglichkeit, vom Fahrverbot absehen zu können, bewußt war.
  2. Der Tatrichter muß sich auch mit persönlichen Umständen, die ein Absehen vom Fahrverbot ggf. rechtfertigen erkennbar auseinandersetzen, da anderenfalls das Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüfen kann, ob das Amtsgericht das Vorbringen des Betroffenen ggf. zu Recht als unerheblich und zur Begründung eines Ausnahmefalles, der ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigt, nicht geeignet angesehen hat.

Senat: 5

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Fahrverbot, Möglichkeit, vom Fahrverbot absehen zu können, bewusst sein, Anforderungen an Entscheidungsgründe

Normen: StVG 25, BKatVO 2

Beschluss: Bußgeldsache gegen B.G.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 3. April 2000 hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 31.08.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung bzw. auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 u. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde verworfen.

G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um
35 km/h zu einer Geldbuße von 200,- DM verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 30. Juli 1999 gegen 14.37 Uhr mit einem BMW-PKW die Hagener Straße in Dortmund in südlicher Richtung, wobei er in Höhe des Hauses
Nr. 344 entgegen der gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h die dort aufgestellte Radargeschwindigkeits-Messeinrichtung vom Typ Multanova 6 F mit einer Geschwindigkeit von mindestens 85 km/h (unter Berücksichtigung eines Toleranzabzuges von 3 km/h) passierte.

Zur Einlassung des Betroffenen wird in den Urteilsgründen u.a. folgendes ausgeführt:

"Außerdem weist er (Betroffener) darauf hin, dass er sich um seine kranke Ehefrau kümmern und deshalb mobil sein müsse."

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Bei der Ahndung dieser Ordnungswidrigkeit ist das Gericht von den Regelsätzen der Bußgeldkatalogverordnung ausgegangen. Diese sieht bei einer Ordnungswidrigkeit wie hier eine Geldbuße in Höhe von 200,- DM und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats vor. Dementsprechend hat das Gericht erkannt, weil es sich vorliegend um einen Regelfall handelt. Besondere, eine Ausnahmeentscheidung tragende Gründe hat der Betroffene nicht vorgetragen. Solche Gründe sind auch sonst nicht erkennbar geworden."

II.
Gegen dieses Urteil richtet sich die mit der Sachrüge zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die zu einem zumindest vorläufigen Teilerfolg führt.

1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldspruch des angefochtenen Urteils richtet, ist sie als offensichtlich unbegründet verworfen worden; insoweit hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO). Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Da die Geschwindigkeitsmessung in einem standardisierten, anerkannten Messverfahren erfolgte, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben waren, war das Amtsgericht nicht verpflichtet, in den Urteilsgründen Erörterungen über die Zuverlässigkeit der Messung anzustellen; um dem Rechtsbeschwerdegericht auch insoweit eine hinreichende Kontrolle der Beweiswürdigung zu ermöglichen, reichte es vielmehr aus, in den Urteilsgründen das angewendete Messverfahren, den Messwert und den vorgenommenen Toleranzabzug mitzuteilen (vgl. BGHSt 39, 291; Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 71 Rdnr. 43 f). Auch im Übrigen erweist sich die von dem Tatrichter in dem angefochtenen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung als rechtsfehlerfrei.

2. Demgegenüber kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben.

Zwar ist gegen die Verhängung der Regelbuße von 200,- DM, die für eine fahrlässige Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 bis 40 km/h nach lfd. Nr. 5.3.3 der Tabelle 1 a c) des Anhangs zu Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV vorgesehen ist, nichts zu erinnern. Das Amtsgericht geht auch zutreffend von einem Regelfall für die Anordnung eines Fahrverbotes gemäß §§ 25 Abs. 1 S. 1 StVG, 2 Abs. 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Tabelle 1 a c) des Anhangs lfd. Nr. 5.3.3 aus. Das amtsgerichtliche Urteil lässt jedoch nicht erkennen, dass sich der Tatrichter der generellen Möglichkeit bewusst war, trotz der Annahme eines Regelfalles von der Verhängung eines Fahrverbotes bei gleichzeitiger Erhöhung der Regelbuße (vgl. § 2 Abs. 4 BKatV) abzusehen, wenn im Einzelfall auch dadurch ausnahmsweise die erstrebte Einwirkung auf den Betroffenen erreicht werden kann. Insoweit bedarf es zwar keiner näheren Ausführungen, wenn der Tatrichter einen solchen Ausnahmefall verneint; die Urteilsgründe müssen jedoch erkennen lassen, dass sich der Tatrichter einer solchen Möglichkeit bewusst war (vgl. BGH
NZV 1992, 117; ständige Rechtsprechung des Senats). Hieran fehlt es vorliegend. Mit der Frage, ob nicht allein schon deshalb von der Verhängung des Fahrverbotes - bei gleichzeitiger Erhöhung der festgesetzten Geldbuße - abgesehen werden konnte, weil bei dem Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch durch Verhängung eines erhöhten Bußgeldes zu erreichen war, hat sich das Amtsgericht in den Urteilsgründen in keiner Weise auseinandergesetzt. Insoweit heißt es in den Urteilsgründen lediglich: "Besondere, eine Ausnahmeentscheidung tragende Gründe hat der Betroffene nicht vorgetragen. Solche Gründe sind auch sonst nicht erkennbar geworden." Diesen Ausführungen ist lediglich zu entnehmen, dass das Amtsgericht von einem Regelfall ausgegangen ist und Umstände, die eine Ausnahme vom Regelfahrverbot rechtfertigen würden, nicht für gegeben erachtet hat. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter im Falle der Berücksichtigung der generellen Möglichkeit, im Einzelfall von der Verhängung eines Fahrverbotes unter gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße abzusehen, von dieser Möglichkeit vorliegend Gebrauch gemacht hätte, beruht das angefochtene Urteil auf diesem Rechtsfehler. Das Urteil war daher schon aus diesem Grunde im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufzuheben.

Auch die Ausführungen des Tatrichters mit denen dieser einen Ausnahmefall, der ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen würde, verneint hat, halten der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht stand. Nach den Urteilsgründen hatte der Betroffene in seiner Einlassung darauf hingewiesen, "dass er sich um seine kranke Ehefrau kümmern und deshalb mobil sein müsse." Mit dieser Einlassung des Betroffenen hat sich das Amtsgericht nicht in erkennbarer Weise auseinandergesetzt, so dass das Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüfen kann, ob das Amtsgericht dieses Vorbringen des Betroffenen zu Recht als unerheblich und zur Begründung eines Ausnahmefalles, der ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigt, nicht geeignet angesehen hat. Persönliche Umstände des Betroffenen können im Einzelfall ein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen. Hierfür kann der Umstand der Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit eines Angehörigen ausreichen, wenn die Pflege und die Versorgung des Angehörigen im Fall der Verhängung des Fahrverbotes tatsächlich erheblich gefährdet wäre (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12.12.1995 - 1 Ss OWi 1353/95 -). Ob eine Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit der Ehefrau des Betroffenen tatsächlich besteht und deren Betreuung und Versorgung im Falle der Verhängung des einmonatigen Regelfahrverbotes ernsthaft gefährdet wäre, kann mangels näherer Feststellungen des Amtsgerichts zu dieser Frage von Seiten des Rechtsbeschwerdegerichts nicht überprüft werden. Das Amtsgericht hätte die hierfür maßgeblichen Umstände näher aufklären und sich in den Urteilsgründen damit auseinandersetzen müssen. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, um welche Art von Erkrankung der Ehefrau es sich handelt und ob und inwieweit diese Erkrankung eine zeitweise oder dauernde Pflege, Betreuung oder Begleitung der Ehefrau durch eine andere Person erforderlich macht. Des weiteren ist die Frage bedeutsam, ob als Betreuungsperson innerhalb der Familie neben dem Betroffenen noch andere Personen zur Verfügung stehen und aus welchen Gründen der Betroffene die erforderliche Betreuung und Pflege während der Zeit der Vollstreckung eines verhängten Fahrverbotes nicht leisten kann. Zu prüfen wäre auch, ob der Betroffene, falls keine anderen, unentgeltlich tätigen Betreuungspersonen zur Verfügung stehen, die Betreuung seiner Ehefrau nicht durch die Beauftragung eines Pflegedienstes gegen Entgelt unter Inkaufnahme zumutbarer wirtschaftlicher Nachteile sicherstellen kann. Sollte die Ehefrau des Betroffenen im übrigen infolge ihrer Erkrankung zur Wahrnehmung unaufschiebbarer Arzt- oder sonstiger Behandlungstermine auf die Inanspruchnahme eines Privatfahrzeugs nebst Fahrer angewiesen sein, wäre zu prüfen, ob die erforderlichen Fahrten während eines einmonatigen Fahrverbotes nicht auch durch ein Taxi- oder Krankentransportunternehmen geleistet werden können, ohne dass die damit verbundenen Kosten den Betroffenen wirtschaftlich in unzumutbarer Weise belasten.

Die persönliche und familiäre Situation, die der Betroffene zur Abwendung des Fahrverbotes anführt, wird das Amtsgericht im Übrigen im Falle der Erheblichkeit des diesbezüglichen Vorbringens des Betroffenen kritisch zu hinterfragen und erforderlichenfalls durch eine Beweisaufnahme zu klären haben.


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