Aktenzeichen: 3 Ss OWi 881/2000 OLG Hamm
Leitsatz:
Senat: 3
Gegenstand: Rechtsbeschwerde
Stichworte: letzte Wort, ausreichende Begründung der Verfahrensrüge, Teilaufhebung
Normen: StPO 344, StPO 258
Beschluss: Bußgeldsache gegen J.H.,
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 14.06.2000 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 31.08.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über der Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr zu einer Geldbuße in Höhe von 200,- DM verurteilt. Ferner hat es ihm für die Dauer von zwei Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen.
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Betroffene mit am 19.06.2000 beim Amtsgericht in Minden eingegangenem Schreiben seines Verteidigers vom selben Tage Rechtsbeschwerde eingelegt und diese nach Urteilszustellung an den Verteidiger am 30.06.2000 mit am 18.07.2000 bei dem Amtsgericht Minden eingegangenem weiteren Schreiben des Verteidigers mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
Während die Sachrüge nur in allgemeiner Form erhoben wird, rügt der Beschwerdeführer mit der Verfahrensrüge die Verletzung von § 258 Abs. 2, Abs. 3 StPO. Unter näherer Darlegung des Ganges der Hauptverhandlung nach dem Schluss der Beweisaufnahme beanstandet er, dass ihm nicht das letzte Wort gewährt worden sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 400,- DM und ein Fahrverbot von einem Monat Dauer zu verhängen und die weitergehende Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Die Rechtsbeschwerde hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches des angefochtenen Urteils auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Die Rüge der Verletzung des § 258 Abs. 2, 2. Halbsatz, Abs. 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG ist zulässig (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG) erhoben und greift gegenüber dem Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils durch.
1.
Der Beschwerdeführer hat den Verfahrensfehler der Nichtgewährung des letzten Wortes in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG entsprechenden Weise dargelegt. Diesen Anforderungen ist jedenfalls dann genügt, wenn die der Urteilsverkündung unmittelbar vorausgegangenen Verfahrenshandlungen geschildert werden (BGH StV 1995, 176).
Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft genügt die Rechtsbeschwerdebegründung diesen Anforderungen. Die der Urteilsverkündung unmittelbar vorausgegangenen Verfahrenshandlungen werden anhand des Protokolls der Hauptverhandlung im Einzelnen dargelegt. Die Rechtsbeschwerde behauptet auch eindeutig, dass dem Betroffenen das letzte Wort nicht gewährt wurde. Es heißt hierzu in der Rechtsbeschwerdebegründung:
Dem Zusammenhang der Rechtsbeschwerdebegründung lässt sich darüber hinaus auch noch mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen, dass sich an den Antrag des Verteidigers, von einem Fahrverbot abzusehen, die Urteilsverkündung und hieran die Bitte des Verteidigers anschloss, die Nichtgewährung des letzten Wortes an den Betroffenen in das Protokoll aufzunehmen. Eine andere Deutung lässt der Vortrag der Rechtsbeschwerde bei verständiger Würdigung nicht zu. Der vorliegende Fall ist daher mit den Fällen, in denen eine unzulässige Erhebung der Verfahrensrüge der Nichtgewährung des letzten Wortes gesehen wurde, nicht vergleichbar. Dort handelte es sich vielmehr um die Fälle, in denen die Revisionsbegründung sich auf die nicht durch eine Schilderung des tatsächlichen Verfahrensablaufs belegte bloße Beanstandung beschränkte, dem Beschwerdeführer sei das letzte Wort nicht gewährt worden (vgl. BGH, a.a.O.).
Die Verfahrensrüge führt allerdings zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nur im Rechtsfolgenausspruch. Der Verstoß gegen § 258 Abs. 2, 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG begründet die Revision nämlich nicht unbedingt, sondern nur dann, wenn und soweit das Urteil auf dem Fehler beruht (BGHSt 21, 288, 290 m.w.N.). Zwar genügt insoweit die bloße Möglichkeit des Beruhens, die sich an sich nur selten wird ausschließen lassen können (BGH, a.a.O., 290). Ein Beruhen des Schuldspruchs des angefochtenen Urteils auf der Nichtgewährung des letzten Wortes kann aber anerkannterweise dann verneint werden, wenn der Betroffene geständig war und er selbst oder sein Verteidiger sich in ihren Schlussvorträgen allein um eine milde Ahndung der im Übrigen eingeräumten Tat bzw. Ordnungswidrigkeit bemüht hatten (vgl. BGH bei Kusch, NStZ 1993, 29 Nr. 15).
So verhält es sich aber auch im vorliegenden Fall. Der Betroffene hatte die Ordnungswidrigkeit eingeräumt, der Verteidiger hatte in seinem Schlussvortrag allein ein Absehen vom Fahrverbot beantragt.
Dagegen kann hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass das Amtsgericht aufgrund des letzten Wortes des Betroffenen noch zu einer für ihn günstigeren Beurteilung gekommen wäre.
Die weitergehende Revision war aus den oben dargelegten Gründen sowie auch deshalb als unbegründet zu verwerfen, weil die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hin keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat. Insbesondere sind die Ausführungen des Amtsgerichts zur Rechtsfolgenbemessung entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht war angesichts der Vielzahl der einschlägigen Vorbelastungen des Betroffenen, der sich, wie das Amtsgericht zutreffend herausgearbeitet hat, in der Vergangenheit durch die Verhängung - einmonatiger - Fahrverbote nicht hat beeindrucken lassen, auch nicht gehindert, ein Fahrverbot von nunmehr zwei Monaten Dauer gegen den Betroffenen zu verhängen. Insbesondere gibt es keinen Grundsatz, wonach zunächst über eine Erhöhung der Regelgeldbuße versucht werden müsste, den Betroffenen nachhaltiger als bisher zu beeindrucken, bevor an eine Verlängerung des Fahrverbotes gedacht werden könnte. Die Bestimmung der angemessenen Rechtsfolge ist vielmehr zunächst Sache des Tatrichters, der gegenüber dem Rechtsbeschwerdegericht über weitergehende Erkenntnismöglichkeiten verfügt, da er den Betroffenen persönlich angehört hat und sich von daher ein umfassenderes Bild von ihm machen konnte. Die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht auf dieser Grundlage die Verhängung des zweimonatigen Fahrverbotes gegen den Betroffenen begründet hat, lassen aber Rechtsfehler - die allein die Rechtsbeschwerde begründen könnten - nicht erkennen.
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