Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 274/00 OLG Hamm

Leitsatz:

  1. Zur Bemessung des angemessenen Stundensatzes.
  2. Bei der Beantwortung der Frage, welcher Zeitaufwand für einen Sachverständigen erforderlich war, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend ist, wie viel Zeit ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung und durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt hätte.
  3. Beim Ersatz der Aufwendungen des Sachverständigen sind auch die Teile des Gutachtens, die sich darauf beschränken, den Akteninhalt wiederzugeben, grundsätzlich zu berücksichtigen

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ersatz von Aufwendungen des Sachverständigen, Höhe des Stundensatzes, Schreibauslagen

Normen: ZSEG 3

Beschluss: Strafsache gegenG.C.,
wegen Totschlags,(hier: Beschwerde des Sachverständigen M.B. gegen den Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 22.03.2000 betreffend die Festsetzung einer Entschädigung gemäß 16 Abs. 1 ZSEG).

Auf die Beschwerde des Sachverständigen M.B. vom 19.04.2000 gegen den Beschluss der X. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 22.03.2000 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12.10.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Auf die Beschwerde des Sachverständigen wird der angefochtene Beschluss abgeändert.

Die dem Sachverständigen für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens vom 20.02.2000 zu gewährende Entschädigung gem. 16 Abs. 1 ZSEG wird auf insgesamt 7.550,30 DM festgesetzt.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer, Facharzt für Psychiatrie und Nervenheilkunde, hat im vorliegenden Verfahren im Auftrag der Staatsanwaltschaft Bielefeld unter dem 20.02.2000 ein schriftliches neurologisch-psychiatrisches Gutachten zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt erstattet.

Mit Liquidation vom selben Tage hat er für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens insgesamt 7.550,30 DM in Rechnung gestellt.

Dieser Betrag errechnet sich im einzelnen wie folgt:

1. Aktenstudium (einschl. Gesundheitsakte
der JVA Bielefeld-Brackwede I sowie
Anfertigung eines Aktenauszuges):7 Std.

2. Untersuchung des Herrn C. in der
JVA Bielefeld-Brackwede I am 06.11.,
07.11, 12.11. und 13.11.1999 (ein-
schließlich Ein- und Ausschleusung
sowie Vor- und Nachbereitung):8 Std.

3. Fahrt von Bad Lippspringe zur JVA
Bielefeld-Brackwede I am 06.11.,
07.11., 12.11. und 13.11.1999 mit
eigenem PKW hin und zurück
8 X 1,5 Std. =12 Std.

4. Fahrtkilometer von Bad Lippspringe
zur JVA Bielefeld-Brackwede I hin
und zurück
8 X 65 km = 520 km á 0,52 DM:270,40 DM

5. Abfassung des Gutachtens
(Ausarbeitung, Diktat, Durchsicht
und Korrektur):23 Std.

  1. Std.

50 Std. á 90,00 DM: 4.500,00 DM

+ 50 % Aufschlag aufgrund
hauptberuflicher Erwerbstätigkeit 2.250,00 DM

  1. 6.750,00 DM

plus Fahrtkilometer 270,40 DM
  1. 7.020,40 DM

6. Schreibgebühren (fremde Hilfe für
das Original, zwei Durchschriften
für das Gericht sowie einen Durch-
schlag für die Handakte)
101 Seiten Original á 4,00 DM:404,00 DM
3 x 101 Seiten á 1,00 DM bzw.
0,30 DM
(50 x 1,00 DM, 253 x 0,30 DM):125,90 DM

  1. 529,90 DM
  1. 7.550,30 DM.

Zur Auszahlung angewiesen wurden dem Sachverständigen von der Anweisungsstelle der Staatsanwaltschaft Bielefeld lediglich 7.267,10 DM, nach dem der angesetzte Zeitaufwand von 50 Stunden auf 48 Stunden und die verlangten Schreibauslagen in Höhe von 529,90 DM auf 516,70 DM gekürzt worden waren. Der Kostenbeamte der Staatsanwaltschaft hatte nach Anhörung und auf Antrag des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Bielefeld den Zeitaufwand für das Aktenstudium von 7 Stunden um 2 Stunden auf 5 Stunden gekürzt. Der Bezirksrevisor hatte hierzu in seiner Stellungnahme vom 06.03.2000 ausgeführt, dass es einem Sachverständigen im Normalfall zugemutet werden könne, pro Stunde ca. 60 Seiten Akteninhalt durchzuarbeiten und die notwendigen Notizen und Exzerpten zu fertigen. Bei etwa 300 Seiten Akteninhalt ergebe sich somit eine für das Aktenstudium notwendige Zeit von nur 5 Stunden.

Darüber hinaus sind die von dem Sachverständigen verlangten Schreibauslagen von 529,90 DM auf 516,70 DM gekürzt worden. Hierzu hatte der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Bielefeld ausgeführt, dass eine Wiedergabe des Akteninhalts in dem schriftlichen Gutachten nicht erforderlich sei und deshalb eine Kürzung des notwendigen Umfangs des Gutachtens um 17 Seiten Aktenabschrift und 1 Seite des Inhaltsverzeichnisses geboten sei. Deshalb könnten nur insgesamt 83 Seiten á 4,00 DM gem. § 8 Abs. 1 Nr. 3 ZSEG erstattet werden. Eine entsprechende Kürzung ergebe sich bei den gem. § 11 Abs. 2 ZSEG zu erstattenden Kosten für Fotokopien.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafkammer die dem Sachverständigen für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens vom 20.02.2000 zu gewährende Entschädigung gem. § 16 Abs. 1 ZSEG auf den bereits angewiesenen Betrag von 7.267,10 DM festgesetzt.

Zur Begründung hat die Strafkammer ausgeführt, dass sie in Übereinstimmung mit dem Bezirksrevisor ebenfalls einen Zeitaufwand von 5 Stunden für das Aktenstudium für ausreichend und angemessen erachte. Besonderheiten, die einen höheren Zeitaufwand erfordern könnten, seien nicht ersichtlich.

Bei den Schreibgebühren und Gutachtenkopien seien als erforderlicher Gutachtenaufwand lediglich 83 Seiten des Gutachtens berücksichtigungsfähig gewesen. Für die Erfüllung des Gutachtenauftrags zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschuldigten sei die auf Bl. 82 des Gutachtens erfolgte Zusammenfassung des Strafvorwurfs und der Verfahrensdaten völlig ausreichend gewesen. Dagegen sei der auf Seiten 2, 6 - 22 des Gutachtens enthaltene Aktenauszug, der sich auf die grammatikalische Umformung des Akteninhalts beschränke, weder erforderlich noch vom Gutachtenauftrag gedeckt gewesen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Sachverständige mit seiner Beschwerde vom 19.04.2000, der die Strafkammer mit Beschluss vom 11.05.2000 nicht abgeholfen hat.

II.
Die gem. § 16 Abs. 2 ZSEG zulässige Beschwerde des Sachverständigen ist auch in der Sache begründet.

Zur Höhe des Stundensatzes sowie zu dem berücksichtigungsfähigen Zeitaufwand des Sachverständigen für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens hat der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts wie folgt Stellung genommen:

"Vorab ist zunächst festzustellen, dass die übrigen Ansätze des Sachverständigen (Stundensatz, Berufsgutachterzuschlag und Fahrtkosten) m.E. zu Recht unbeanstandet geblieben sind.

Der Stundensatz ist, für den Einzelfall gesondert, ausschließlich nach den in § 3 Abs. 2 Satz 2 ZSEG aufgeführten Kriterien zu bemessen (vgl. Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 20. Aufl., § 3 RdNr. 32).

Besondere Umstände, unter denen das Gutachten zu erarbeiten war, sind zwar weder ersichtlich noch vorgetragen. Ebenso liegt auch kein nicht anders abzugeltender Aufwand für die notwendige Benutzung technischer Vorrichtungen vor. Im vorliegenden Fall richtet sich der Stundensatz demnach ausschließlich nach der Schwierigkeit der Leistung und dem Grad der erforderlichen Fachkenntnis.

Gleichwohl halte ich den vom Sachverständigen hier verlangten Stundensatz von 90,00 DM zwar für reichlich bemessen, aber noch nicht für überhöht. M.E. handelt es sich vorliegend um eine gutachterliche Leistung, die im Rahmen der weiten Skala möglicher Sachverständigentätigkeiten deutlich überdurchschnittliche Fachkenntnisse erfordert und eben solche Schwierigkeiten bereitet hat und damit eine im oberen Bereich des Entschädigungsrahmens bemessene Entschädigung rechtfertigt (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., § 3 RdNr. 34). Im Übrigen lässt sich die Bestimmung des Stundensatzes eines Sachverständigen angesichts der zahlreichen "preisbildenden" Faktoren nicht verlässlich auf 5,00 DM genau treffen (vgl. Beschluss des hiesigen 23. Zivilsenats vom 18.05.1998 - 23 W 474/97).

Der Berufungsgutachterzuschlag gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 b) zweite Alternative ZSEG steht solchen Sachverständigen zu, die ihre Berufseinkünfte zu mindestens 70 % als gerichtliche oder außergerichtliche Sachverständige erzielen, also Berufssachverständige sind (vgl. dazu auch Meyer/ Höver/Bach, a.a.O., § 3 RdNr. 49).

Es gibt im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte, an der Berufsgutachtereigenschaft des Sachverständigen Becker zu zweifeln.

Hinsichtlich des im angefochtenen Beschluss gekürzten Zeitaufwandes und der teilweise abgesetzten Schreibauslagen des Sachverständigen ist Folgendes zu bemerken:

Zeitaufwand des Sachverständigen:

Nach § 3 Abs. 2 S. 1 ZSEG wird der Sachverständige für jede Stunde der erforderlichen Zeit entschädigt. Dabei ist bei der Beantwortung der Frage, welcher Zeitaufwand erforderlich ist, ein objektiver Maßstab anzulegen. Es kommt nicht darauf an, welche Zeit der Sachverständige tatsächlich auf die konkrete Sache verwandt hat. Entscheidend ist vielmehr, wie viel Zeit ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung und durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt hätte. Wenn diese Zeit auch nicht auf die Stunde genau bestimmt werden kann, sondern die "erforderliche Zeit" im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG ein Toleranzwert ist, so ist die von dem Sachverständigen berechnete Zeit jedenfalls dann zu kürzen, wenn sie ersichtlich nicht mehr innerhalb der Toleranz liegt (vgl. Beschluss des hiesigen 6. Familiensenats vom 07.06.1985 - 6 WF 132/85 - sowie Beschluss des 23. Zivilsenats des hiesigen Oberlandesgerichts vom 26.05.1982 - 23 W 653/81 -).

Hinsichtlich des abgerechneten Zeitaufwandes von insgesamt 50 Stunden ist grundsätzlich zunächst von der Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen über die von ihm aufgewandte Zeit auszugehen (vgl. Bleutge, ZSEG, 3. Aufl., § 3 RdNr. 4 m.w.N.).

Denn im Allgemeinen fehlt dem Gericht insoweit die Möglichkeit einer Überprüfung, jedenfalls, soweit es ausschließlich um die eigentliche Gutachtertätigkeit geht. Allerdings hat das Gericht den Angaben des Sachverständigen nicht schlechthin zu folgen. Es bedarf aber sorgfältiger Erwägung, ob, inwieweit und aus welchem Grund dem nicht gefolgt werden kann oder in welchem Umfang die tatsächlich verbrauchte zeit das Maß des unter Berücksichtigung der Umstände objektiv erforderlichen Zeitaufwandes übersteigt (vgl. die Beschlüsse des hiesigen 23. Zivilsenats vom 04.08.1994 und 25.07.1996 - 23 W 420/93 und 23 W 189/96 - jeweils m.w.N.).

Ich bin der Auffassung, dass in der o.g. Kostenberechnung angesetzte Zeitaufwand insgesamt im Toleranzbereich liegt, so dass eine Kürzung - auch bezüglich der streitigen Position des Aktenstudiums (vgl. unten) - insoweit nicht angezeigt erscheint. Die aufgewendete Zeit bewegt sich nach meiner Kenntnis durchaus im Rahmen vergleichbarer Begutachtungen. Der Sachverständige hat auch die im konkreten Einzelfall erforderlichen Untersuchungsschritte und Maßnahmen in seinem schriftlichen Gutachten m.E. überzeugend dargestellt.

Der Sachverständige hatte in Erledigung des Auftrages die damals 275 Seiten umfassenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten sowie die Gesundheitsakten der JVA Bielefeld-Brackwede I mit einem Umfang von 25 Seiten durchzuarbeiten. Die dafür angesetzten 7 Stunden sind zwar reichlich bemessen, aber m.E. noch zu akzeptieren. Mit dem Beschwerdeführer ist insoweit zu berücksichtigen, dass es mit dem einfachen Durchlesen der Unterlagen für den Sachverständigen keineswegs getan war, er musste vielmehr die für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens relevanten Aktenbestandteile herausfiltern und sich entsprechende Notizen machen bzw. per Diktat niederlegen. Auf die Anfertigung von Kopien kann der Sachverständige nicht verwiesen werden. Standardisierte Berechnungsmethoden (vgl. Meyer/ Höver/Bach, a.a.O., § 3 RdNr. 43.3), etwa dahin, dass dem Sachverständigen die Durcharbeitung von 60 Aktenseiten pro Stunde vorgegeben werden könnte, entbehren angesichts der unterschiedlichen und vielschichtigen Aufgabenstellungen und der einem Sachverständigen zuzugestehenden individuellen Arbeitsweise einer tragfähigen Grundlage. Auch die Tatsache, dass der Umfang des Gutachtens - bezogen auf die notwendigen Schreibauslagen - der Kürzung bedarf (vgl. unten), führt nicht zwingend zu einer Reduzierung des angesetzten Zeitaufwandes von 23 Stunden (vgl. Bd. II Bl. 382 DA) für die eigentliche Gutachtenerstellung, da die - hier vom Gericht nicht vorgegebenen und daher vom Sachverständigen selbständig zu ermittelnden - Anknüpfungstatsachen, d. h. die den Sachverhalt bildenden, dem Gutachten als feststehend zugrunde zu legenden Tatsachen im Gutachten niederzulegen sind (vgl. Jessitzer/ Frieling, Der gerichtliche Sachverständige, 10. Aufl., Rdnrn. 316 - 443; Müller, Der Sachverständige im gerichtlichem Verfahren, 3. Aufl., Rdnrn. 549 ff.) und der Zeitaufwand für deren Ermittlung jedenfalls als solcher für notwendige Vorbereitungsarbeiten zu berücksichtigen ist."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.

Die eigenen Nachforschungen des Senats bei der JVA Bielefeld-Brackwede I haben darüber hinaus ergeben, dass auch die Angaben des Sachverständigen zu den Besuchszeiten bei dem Beschuldigten bzw. zu den entsprechenden Fahrten den Tatsachen entsprechen.

Die Beschwerde des Sachverständigen erweist sich darüber hinaus auch insoweit als begründet, als er sich gegen die Kürzung der von ihm berechneten Schreibauslagen in Höhe von 529,90 DM wendet.

Die berechneten Schreibauslagen waren nämlich nach Ansicht des Senats notwendig im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 3; § 11 Abs. 2 ZSEG.

Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts hat hierzu ausgeführt, dass die Einbringung einer seitenlangen Wiedergabe des Akteninhaltes mit anderer Formulierung in das Gutachten nicht sachgerecht erscheine, jedenfalls aber schreibauslagenmäßig nicht in vollem Umfang hingenommen werden könne. Vielmehr hätte die auf den Seiten 1 bis einschließlich 22 enthaltenen Gutachtentext ohne weiteres auf 10 Seiten zusammengefasst werden können, so dass insgesamt 89 Seiten berücksichtigungsfähig sein. Der Leiter des Dezernats 10 hat deshalb vorgeschlagen, die Schreibauslagen auf insgesamt 471,10 DM festzusetzen.

Der Senat vermag dem ebenso wenig zu folgen, wie der noch weitergehenden Ansicht des Bezirksrevisors bei dem Landgericht in Bielefeld und der Strafkammer in dem angefochtenen Beschluss, wonach lediglich 83 Seiten des Gutachtens im Rahmen der Schreibauslagen berücksichtigungsfähig seien.

Der Senat hält vielmehr die Zusammenfassung des Akteninhalts auf Seite 6 bis 20 des Gutachtens sowie des Inhalts der Gesundheitsakte der JVA Bielefeld-Brackwede I auf den Seiten 21 und 22 des Gutachtens für erforderlich. Dasselbe gilt für die entsprechenden Seiten 3 und 4 des Gutachtens, die das Inhaltsverzeichnis zu den vorgenannten Aktenauszügen enthalten.

Die Ansicht des OLG Koblenz (NStZ 1996, 501), wonach Teile des Gutachtens, die sich darauf beschränken, den Akteninhalt wiederzugeben, beim Ersatz der Aufwendungen des Sachverständigen grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben haben, vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Das OLG Koblenz hat hierzu ausgeführt, dass der Sachverständige sich mit den Aktenmaterial auseinander zusetzen habe, das ihm vorgelegt werde. Er brauche nicht noch gesondert mitzuteilen, was bereits Gegenstand der Akten sei.

Diese Bewertung wird nach Ansicht des Senates den an ein fungiertes Sachverständigengutachten zu stellende Anforderungen nicht gerecht. Ein psychiatrisches Gutachten muss auch in seiner vorläufigen schriftlichen Fassung ein aus sich selbst heraus verständlicher, stimmiger Text sein, der insbesondere auch die Anknüpfungstatsachen mitzuteilen hat, aus denen sich dann im Rahmen einer wissenschaftlich fungierten psychiatrischen Bewertung die Beurteilung ergibt (in Kröber, NStZ 1999, 170). Zu diesen Anknüpfungstatsachen zählen aber auch die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gewonnenen Erkenntnisse über das Tatgeschehen, die Vorgeschichte der Tat, das Verhalten des Täters nach der Tat und gegebenenfalls seine Entwicklung im Vollzug der Untersuchungshaft. Wird das schriftliche Gutachten - wie allgemein üblich - vor der Hauptverhandlung vorgelegt, ergeben sich die entsprechenden Informationen zum Stand der Ermittlungen aus dem Inhalt der Verfahrensakte. Deren Inhalt ist daher soweit darzulegen, wie er für die Erfüllung des Gutachtenauftrages - hier für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt - erforderlich ist (vgl. auch Kröber, a.a.O., 171).

Insoweit ist auch wenig hilfreich, darauf zu verweisen, dass der Akteninhalt den Verfahrensbeteiligten ja ohnehin bekannt sei. Zur Beurteilung der Schlüssigkeit des Gutachtens, insbesondere aber zur Bewertung der vollständigen Erfassung sämtlicher beurteilungsrelevanter Fakten durch den Sachverständigen kommt es nämlich allein darauf an, welche sich aus der Akte ergebenden Gesichtspunkte der Sachverständige zum Gegenstand seiner sachverständigen Beurteilung gemacht hat. Erfahrungsgemäß werden Anträge auf Ablehnung von Sachverständigen aus Gründen der Befangenheit (§ 74 StPO) oder Anträge auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen (§ 244 Abs. 4 Satz 2 StPO) häufig darauf gestützt, dass ein Sachverständiger bestimmte aus der Sicht eines anderen Verfahrensbeteiligten erhebliche Gesichtspunkte bei der Erstattung seines Gutachtens nicht oder nur unzureichend gewürdigt habe. Die Zusammenfassung der beurteilungsrelevanten Aktenbestandteile im Rahmen des Sachverständigengutachtens ist dann in besonderem Maße geeignet, den Angriffen gegen die Lauterkeit oder Kompetenz des Sachverständigen wirksam zu entgegnen oder aber sie zu begründen. Im Zweifel muss nämlich davon ausgegangen werden, dass solche Umstände, die der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausdrücklich angesprochen hatte, auch im Rahmen seiner Begutachtung Berücksichtigung gefunden haben, während andererseits dann, wenn sie dort keine Erwähnung finden, zumindest nahe liegt, dass sie der Sachverständige im Rahmen seiner Beurteilung der Gutachtenfrage auch nicht verwertet hatte. Aus diesem Grund erscheint es dem Senat durchaus geboten, dass der Sachverständige die aus seiner Sicht relevanten Auszüge aus den Verfahrensakten eingangs seines Gutachtens mitteilt. Dass dies hier in noch stärker komprimierter Form hätte geschehen müssen, kann der Senat nicht feststellen und ist auch weder vom Bezirksrevisor noch von dem Leiter des Dezernats 10 nachvollziehbar dargelegt worden.

Die dem Sachverständigen Becker zu gewährende Entschädigung war daher unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses antragsgemäß festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 16 Abs. 4 ZSEG.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".