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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 42/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Absehen von Vollstreckung bei Ausweisung nach Verbüßung der Hälfte der Strafe

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Absehen von Vollstreckung bei Ausweisung, Schwere der Tat, Ermessensentscheidung

Normen: StPO 456 a

Beschluss: Justizverwaltungssache betreffend N.S.,
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Entscheidung nach § 456 a StPO).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 27. Juli 2000 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Duisburg vom 28. Februar 2000 in der Form des Beschwerdebescheides des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 27. Juni 2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26.09.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Antrag wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:
Der Betroffene ist im Gebiet der ehemaligen Republik Jugoslawien geboren und in der Provinz Kosovo aufgewachsen. 1994 kam er nach Deutschland. Am 17. November 1998 wurde er von der 53. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das Strafende ist auf den 18. Dezember 2002 notiert, 2/3 der Strafe werden am 18. April 2001 verbüßt sein. Des weiteren steht noch die Vollstreckung einer Restjugendstrafe von 303 Tagen aus dem Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 15. Mai 1996 an. Einen Teil dieser Strafe hatte der Betroffene bis zum 11. August 1997 verbüßt. Ein Strafrest von acht Monaten wurde bis zum 10. August 2000 zur Bewährung ausgesetzt. Nach Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ist die Vollstreckung dieser Strafe notiert ab dem 19. Dezember 2002 bis zum 17. Oktober 2003.

Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 23. Februar 2000 hat der Betroffene beantragt, von der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Duisburg zum Halbstrafenzeitpunkt am 18. Juni 2000 abzusehen. Der Betroffene ist durch Ordnungsverfügung vom 25. März 1997 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden. Die sofortige Vollziehung ist angeordnet worden. Mit Entschließung vom 28. Februar 2000 hat die Staatsanwaltschaft Duisburg den Antrag abgelehnt und mitgeteilt, es sei beabsichtigt, von der weiteren Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe erst etwa einen Monat vor Erreichen des 2/3-Zeitpunktes abzusehen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass bei der zu treffenden Ermessensentscheidung das allgemeine und damit auch das internationale Interesse an einer wirksamen Verbrechensbekämpfung nicht unberücksichtigt bleiben könne. Dieser Strafzweck wäre aber gefährdet, wenn allzu großzügig von der Vollstreckung einer in der Bundesrepublik Deutschland erkannten Strafe abgesehen würde. Auch der Grundsatz der Gleichbehandlung könne einem zu weit gehenden Verzicht auf die Strafvollstreckung entgegen stehen, da dies zu einer unzulässigen Bevorzugung des ausländischen Strafgefangenen führen würde. Des weiteren hat die Staatsanwaltschaft dargelegt, dass wegen der erheblichen Schuld, die der Betroffene durch die Taten auf sich geladen habe, ein Absehen von der weiteren Vollstreckung bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe nicht in Betracht zu ziehen sei. Hinzu komme, dass der Betroffene seit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1994 wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und darüber hinaus während des Laufs einer einschlägigen Bewährungszeit hinsichtlich eines Strafrestes gehandelt habe. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der Betroffene selbst keinerlei Betäubungsmittel konsumiert habe, sondern seine Taten allein der Erzielung von Profit auf Kosten und unter Ausnutzung der Abhängigen dienten. Zu beachten sei gleichwohl die persönliche und familiäre Situation des ausländischen Straftäters. Letztlich von nicht entscheidender Bedeutung sei jedoch der Umstand, dass der Betroffene aus seiner Heimat geflohen sei, weil die Einziehung in die serbische Armee drohte und er es für den Konfliktfall vermeiden wollte, gegen albanische Landsleute kämpfen zu müssen.

Der Betroffene hat die Entschließung der Staatsanwaltschaft Duisburg in zulässiger Weise mit der Beschwerde angefochten. Der Verfahrensbevollmächtigte hat dazu u.a. ausgeführt, die Staatsanwaltschaft habe die Umstände, die das Landgericht Duisburg zur Bejahung eines minder schweren Falles herangezogen hätte, nicht hinreichend berücksichtigt. Hinsichtlich der persönlichen und familiären Situation des Betroffenen sei zu beachten, dass er jugoslawischer Staatsangehöriger und als Ausländer besonders haftempfindlich sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf hat die Beschwerde des Betroffenen mit Entschließung vom 27. Juni 2000 als unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung werden die bereits von der Staatsanwaltschaft Duisburg dargelegten Entscheidungskriterien erneut aufgegriffen. Ergänzend wird bemerkt, dass auch unter Berücksichtigung der Rundverfügung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. August 1985 sich keine andere Beurteilung ergebe. Nach dieser Rundverfügung komme eine über den Halbstrafenzeitpunkt hinausgehende Vollstreckung dann in Betracht, wenn dieses aus besonderen, in der Tat oder in der Person des Verurteilten liegenden Gründen oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unabweisbar geboten sei. Angesichts der Schwere der Schuld des Betroffene läge diese Voraussetzung vorliegend vor.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG. Er ist auch weiterhin der Auffassung, sowohl die Staatsanwaltschaft Duisburg als auch die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hätten in ihren Bescheiden im Wesentlichen auf die Umstände der Tat und die Schwere der Schuld abgestellt. Unberücksichtigt geblieben seien die Umstände, die zur Bejahung eines minder schweren Falles geführt hätten. Der Betroffene sei in der Organisationsstruktur der Bande nicht als führendes Mitglied tätig gewesen. Seine Funktion sei untergeordnet und auf den Verkauf beschränkt gewesen. Darüber hinaus habe er sich in knappen Lebensverhältnissen befunden. Auch sei er in vollem Umfang geständig gewesen und habe dazu beigetragen, dass weitere Tatbeteiligte und deren Taten identifiziert werden konnten.

Der Antrag ist gemäß §§ 23 ff. EGGVG zulässig, aber nicht begründet.

Die angefochtene Entscheidung unterliegt nicht unbeschränkt der gerichtlichen Nachprüfung. Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, bei einem aus dem Inland ausgewiesenen Verurteilten von der weiteren Vollstreckung abzusehen, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Der Senat hat deshalb gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG nur zu prüfen, ob bei der Ermessensentscheidung rechtsfehlerfrei verfahren wurde, ob also die Vollstreckungsbehörde von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die Grenzen des Ermessens eingehalten und von ihm in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Um die gerichtliche Nachprüfung der Ermessensausübung zu ermöglichen, müssen die Gründe einer ablehnenden Entscheidung der Vollstreckungsbehörde die dafür wesentlichen Gesichtspunkte mitteilen und eine Abwägung der für und gegen ein Absehen von der weiteren Vollstreckung sprechenden Umstände erkennen lassen (OLG Hamm, NStZ 1983, 524; KG, StV 1989, 27; OLG Hamburg, StV 1996, 328; OLG Karlsruhe, ZfStrVo 2000, 251). Diese eingeschränkte Überprüfung ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Antragstellers.

Zutreffend hat die Strafvollstreckungsbehörde auf den hohen Unrechtsgehalt der abgeurteilten Straftaten abgestellt, der auch in der Höhe der trotz Vorliegens einiger zugunsten des Antragstellers berücksichtigten Strafzumessungsgesichtspunkte verhängten Freiheitsstrafe zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus ergibt sich die Schwere der Schuld auch aus dem Umstand, dass erst kurze Zeit zuvor eine Restjugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden war, der Betroffene also die ihm gewährte Strafaussetzung zur Bewährung gröblich missbraucht hat. Beanstandungsfrei hat die Staatsanwaltschaft in ihren Erwägungen auch den Umstand einbezogen, dass die Öffentlichkeit, die zunehmend über den Anstieg der Kriminalität beunruhigt ist, kein Verständnis für eine Maßnahme nach § 456 a StPO bereits zu diesem Zeitpunkt aufbringen würde. Auch darin, dass die Staatsanwaltschaft Duisburg und die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf bei Vornahme einer Abwägung das mit den Umständen der Taten und der Schwere der Schuld begründete öffentliche Interesse an einer weiteren Strafverbüßung über das des Antragstellers an einem Leben außerhalb Deutschlands unter Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Situation gestellt hat, ist ein fehlerhafte Ermessensgebrauch nicht zu erkennen. Ebenfalls ist nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaften die persönlichen Umstände, die sie in die vorzunehmende Abwägung eingestellt haben, nicht näher konkretisiert haben. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene Umstände, die gegenüber dem vorrangigen öffentlichen Interesse nach nachdrücklicher Vollstreckung hätten stärkere Berücksichtigung finden müssen, nicht dargelegt hat. Diesbezüglich ist lediglich Bezug genommen worden auf die zur Bejahung eines minder schweren Falles führenden Strafzumessungsgesichtspunkte. Dass die Staatsanwaltschaft diese Gesichtspunkte nicht berücksichtigt haben könnte, liegt fern. Weitere persönliche Umstände sind nicht vorgetragen worden.

Die Staatsanwaltschaften haben auch nicht gegen sie bindende Verwaltungsvorschriften verstoßen. Nach Ziffer 1 der Rundverfügung des Justizministers NRW vom 20. August 1985 ist zwar in der Regel von der Vollstreckung nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Strafe bei der Anwendung des § 456 a StPO abzusehen. Nach Ziffer 3 dieser Rundverfügung kommt aber eine über den Halbstrafenzeitpunkt hinausgehende Vollstreckung jedenfalls dann in Betracht, wenn dies aus besonderen in der Tat oder in der Person des Verurteilten liegenden Gründen oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unabweisbar gewesen ist. Die Voraussetzungen, an welche diese Verwaltungsvorschriften die Strafvollstreckung knüpfen, sind hier unzweifelhaft gegeben.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 EGGVG, 130, 30 KostO.


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