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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 979/00 OLG Hamm

Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der Feststellungen bei Verurteilung wegen Vollrausches

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: fahrlässiger oder vorsätzlicher Vollrausch, Umfang der erforderlichen Feststellungen, BAK

Normen: StGB 323 a, StGB 20, StGB 21

Beschluss: Strafsache gegen S.B.,
wegen fahrlässigen Vollrausches.

Auf die (Sprung-)Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 6. Juli 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26.09.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Recklinghausen zurückverwiesen.

Gründe:
Die Angeklagte ist durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. Ferner wurde ihr die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von 18 Monaten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet.

Das Amtsgericht hat dazu folgende Feststellungen getroffen:

"Am 07.02.2000 hatte die Angeklagte erhebliche Mengen alkoholischer Getränke zu sich genommen, im wesentlichen bedingt durch große eheliche Probleme und Streitigkeiten, die letztlich heute zur Trennung und zur Einleitung eines Scheidungsverfahrens geführt haben.

Im Zustand der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit und ohne Erinnerungsvermögen aufgrund der hochgradigen Alkoholisierung befuhr die Angeklagte dann mit ihrem Pkw RE - YM 365 in Recklinghausen u.a. den Parkplatz am Kreishaus. Infolge ihrer Alkoholisierung verursachte sie bei langsamer Fahrt einen Verkehrsunfall mit einem Fremdschaden von ca. 1.000,-- DM. Obwohl sie den Unfall mitbekommen hatte, fuhr sie mit dem Fahrzeug weg. Die der Angeklagten kurz darauf um 15.52 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,23 o/oo."

Dieses Verhalten hat das Amtsgericht rechtlich als fahrlässigen Vollrausch nach § 323 a StGB gewürdigt, da die Angeklagte im Zustand der alkoholischen Beeinflussung und der dadurch verursachten Schuldunfähigkeit die Tatbestände der Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit am Steuer (§ 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB) und der Unfallflucht und der erneuten Trunkenheit am Steuer nach den §§ 142, 316 StGB verwirklicht habe.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Angeklagten hat jedenfalls vorläufig Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme, in der sie im Ergebnis die Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt, folgendes ausgeführt:

"Die Angeklagte hat zunächst rechtzeitig Berufung eingelegt, ist aber durch die gegenüber dem Amtsgericht Recklinghausen am 18.08.2000 innerhalb der Revisionsbegründungsfrist abgegebene Erklärung zulässig auf das Rechtsmittel der Sprungrevision übergegangen (zu vgl. BGHSt 5, 338), die form- und fristgerecht begründet worden ist. Die Revision hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg.

Der aufgrund der Rüge der Verletzung materiellen Rechts gebotenen sachlich-rechtlichen Überprüfung hält das Urteil nicht Stand. Die Feststellungen tragen nicht die Begehung der im Rausch begangenen vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB. Insbesondere fehlen Feststellungen dazu, dass die Angeklagte im Rausch Sachen von bedeutendem Wert gefährdet hat. Der durch den Verkehrsunfall bei langsamer Fahrt verursachte Fremdschaden beträgt ca. 1.000,00 DM. Eine darüber hinausgehende konkrete Gefährdung ist nicht ersichtlich. Die Mindestgrenze für einen bedeutenden Sachwert kann jedoch nicht mehr unter 1.500,00 DM angesetzt werden (zu vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 315 Rdnr. 16 m.w.N.).

Für eine eigene Sachentscheidung des Senats ist nach hiesiger Auffassung kein Raum. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils erweisen sich schon hinsichtlich der vorsätzlichen Begehungsweise als nicht vollständig und tragfähig. Der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat ändert sich auch dadurch, dass die im Rausch begangene vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs wegfällt und nach den Feststellungen des Amtsgerichts Recklinghausen insoweit nur eine Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB in Betracht kommt. Der gem. § 323 a Abs. 2 StGB anzuwendende Strafrahmen verringert sich danach von höchstens fünf Jahren auf höchstens drei Jahre Freiheitsstrafe (§§ 315 c Abs. 1, 142 Abs. 2 StGB). Wenn das Revisionsgericht die rechtliche Beurteilung der Rauschtat durch den Tatrichter nicht billigt, ist in aller Regel das angefochtene Urteil auch im Schuldspruch aufzuheben (zu vgl. BGHSt 14, 114; LK-Spendel, StGB, 11. Aufl., § 323 a Rdnr. 373)."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigenständiger Prüfung im Wesentlichen an - lediglich die evtl. Strafrahmenverschiebung nach § 323 a Abs. 2 StGB würde sich aus §§ 315 c Abs. 3, 316 und 142 Abs. 1 StGB ergeben - und bemerkt ergänzend:

Den Feststellungen des angefochtenen Urteils lässt sich bereits eine konkrete Tatzeit nicht entnehmen, so dass offen bleiben muss, ob es sich bei dem festgestellten Blutalkoholwert von 2,23 o/oo um denjenigen zur - bislang nicht bekannten - Tatzeit oder zum Entnahmezeitpunkt handelt. Schon deshalb und mangels weiterer Feststellungen zum sonstigen Verhalten der Angeklagten während der Weiterfahrt und nach dem offensichtlich erfolgten Anhalten durch die Polizei nach der Tat vermag das Revisionsgericht nicht zu überprüfen, ob überhaupt Schuldunfähigkeit und damit ein fahrlässiger oder möglicherweise auch vorsätzlicher Vollrausch vorgelegen hat, oder ob bei der Angeklagten - wenn überhaupt - die Einsichtsfähigkeit und/oder die Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit lediglich erheblich vermindert war.

Danach war das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen
(§ 354 Abs. 2 StPO).

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass der Tatrichter im Hinblick auf die rechtliche Einordnung des Verhaltens der Angeklagten auch Feststellungen zur Fahrweise der Angeklagten und dem Grad der Gefährdung fremder Sachen zu treffen haben wird (vgl. auch Senatsbeschluss vom 5. Januar 1998 in NZV 1998, 212; OLG Koblenz, DAR 1973, 48; BayObLG NZV 1998, 164). Diese Feststellungen dürften jedoch kaum lediglich auf der Basis der bisherigen Angaben der Angeklagten festgestellt werden können, die nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil den Sachverhalt lediglich als möglich eingeräumt hat, sich aufgrund ihrer starken seelischen Erregung verbunden mit der erheblichen Alkoholisierung an die Vorfälle aber im Einzelnen nicht hat erinnern können.


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