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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 BL 191/00 OLG Hamm

Leitsatz: Zum wichtigen Grund, wenn zwischen Eröffnung des Hauptverfahrens und Beginn der Hauptverhandlung ein Zeitraum von rund 2 ½ Monaten liegt.

Senat: 5

Gegenstand: Haftprüfung

Stichworte: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht; wichtiger Grund, Zeitraum zwischen Eröffnung des Verfahrens und Beginn der Hauptverhandlung

Normen: StPO 121

Beschluss: Strafsache
gegen E.G.,
wegen Körperverletzung mit Todesfolge, (hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).

Auf die Vorlage der (Doppel-)Akten zur Entscheidung nach
§§ 121, 122 StPO hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.11.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten und seines Verteidigers beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.

Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
Dem Angeklagten, der sich nach seiner vorläufigen Festnahme vom 8. Mai 2000 seit dem 9. Mai 2000 in Untersuchungshaft befindet, wird mit dem Haftbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 9. Mai 2000 (80 Gs 602/00) zur Last gelegt, am 8. Mai 2000 seine damalige Lebensgefährtin A.A. vorsätzlich durch mehrere wuchtige Schläge gegen deren Kopf körperlich misshandelt und dadurch fahrlässig den Tod des am 9. Mai 2000 infolge einer zentralen Hirnlähmung verstorbenen Opfers verursacht zu haben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Haftbefehls Bezug genommen.

Dieser Vorwurf ist Gegenstand der Anklage der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 22. August 2000, die das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zutreffend zusammenfasst. Die Anklage ist durch Beschluss der Strafkammer vom 26. September 2000 zugelassen und das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffnet worden. Nach der Terminsverfügung des Vorsitzenden soll die Hauptverhandlung am 13. Dezember 2000 beginnen.

Das Landgericht hat in seinem Beschluss vom 6. Oktober 2000 die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus für erforderlich angesehen und die (Doppel-)Akten dem Senat zur Entscheidung über die Haftfortdauer gemäß den §§ 121, 122 StPO vorgelegt.

Die Fortdauer der Untersuchungshaft des Angeklagten über sechs Monate hinaus war, entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, anzuordnen.

Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend verdächtig. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus der Einlassung des Angeklagten, der bei seiner polizeilichen und richterlichen Vernehmung eingeräumt hat, seine damalige Lebensgefährtin "zusammengeschlagen" zu haben, und den übrigen in der Anklageschrift zutreffend zusammengestellten Beweismitteln, auf die insoweit Bezug genommen wird. Nach dem Obduktionsbericht des Instituts für Rechtsmedizin Dortmund ist der Tod der damaligen Lebensgefährtin des Angeklagten auf massive stumpfe Gewalteinwirkung gegen die vorderen bzw. seitlichen Schädelregionen zurückzuführen. Aus dem neuropathologischen Zusatzgutachten des Instituts für Neuropathologie Düsseldorf ergibt sich, dass die Schädel-Hirn-Verletzung beim Opfer am ehesten durch ein Schlaggeschehen verursacht worden ist und von einer nicht-natürlichen Todesursache ausgegangen werden muss.

Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Im Falle seiner Verurteilung muss der u.a. bereits wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen vorbelastete Angeklagte mit der Verhängung einer erheblichen Freiheitsstrafe rechnen. Es besteht die konkrete Gefahr, dass der Angeklagte dem hierdurch begründeten Fluchtanreiz im Falle seiner Freilassung nachgeben und sich dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen wird. Über tragfähige familiäre oder berufliche Bindungen, die einer Fluchtgefahr entgegen stehen könnten, verfügt der Angeklagte nicht. Der seit Ende 1994 in der Bundesrepublik Deutschland lebende Angeklagte, der die deutsche Sprache nur unzureichend beherrscht, ist seit Jahren arbeitslos. Seine Ehe wurde vor etwa zwei Jahren geschieden. Zu seiner volljährigen Tochter unterhält der Angeklagte keinen nennenswerten Kontakt.

Der bestehenden Fluchtgefahr kann auch nicht mit weniger einschneidenden Maßnahmen nach § 116 StPO wirksam begegnet werden.

Die bisher gegen den Angeklagten vollzogene Untersuchungshaft und deren Fortdauer stehen nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Verurteilungsfall zu erwartenden Freiheitsstrafe.

Auch die besonderen Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO sind erfüllt. Wichtige Gründe im Sinne dieser Vorschrift haben ein Urteil bislang nicht zugelassen; sie rechtfertigen aber, die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus aufrechtzuerhalten. Das Strafverfahren ist bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung betrieben worden. Im Stadium des Vorverfahrens wurden die erforderlichen Ermittlungen ohne vermeidbare Verzögerungen durchgeführt. Die Vernehmungen der Zeugen, die das Tatopfer zuletzt lebend in der Wohnung des Angeklagten gesehen hatten, waren bis zum 30. Mai 2000 abgeschlossen. Die eingeholten toxikologischen Gutachten lagen bis Ende Juni 2000 vor. Bereits am 15. Juni 2000 hatte die Staatsanwaltschaft Dortmund ein psychiatrisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, welches von dem Sachverständigen Dr. R. unter dem 19. Juli 2000 schriftlich erstattet und dem zwischenzeitlich bestellten Pflichtverteidiger des Angeklagten unmittelbar nach seinem Eingang zur Stellungnahme binnen zwei Wochen zugesandt wurde. Wenige Tage nach Ablauf dieser Stellungnahmefrist hat die Staatsanwaltschaft Dortmund dann unter dem 22. August 2000 Anklage erhoben. Nach zeitnaher Zustellung der Anklage an den Angeklagten und seinen Verteidiger und nach Eingang des neuropathologischen Zusatzgutachtens vom 6. September 2000 hat die Strafkammer dann mit Beschluss vom 26. September 2000 das Hauptverfahren eröffnet und Hauptverhandlungstermin anberaumt auf den 13., 15., 18. und 20. Dezember 2000. Der Zeitraum zwischen Eröffnungsbeschluss und Beginn der Hauptverhandlung von ca. zweieinhalb Monaten ist im konkreten Fall auch unter Beachtung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen nicht zu beanstanden. Da für die Durchführung der Hauptverhandlung vier Verhandlungstage angesetzt worden sind, zu denen insgesamt 13 Zeugen und drei Sachverständige geladen wurden, war für die sachgerechte Vorbereitung der Hauptverhandlung und die Ausführung sowie Überwachung einer ordnungsgemäßen Ladung der geladenen Zeugen und Sachverständigen ein gewisser zeitlicher Vorlauf einzuplanen, der einen Beginn der Hauptverhandlung vor dem 16. Oktober 2000 - sofern der Strafkammer in dieser Zeit überhaupt freie Verhandlungstage zur Verfügung standen - als nicht praktikabel erscheinen lässt. In der Zeit vom 16. Oktober bis zum 11. Dezember 2000, dies ergibt sich aus dem Vermerk des Strafkammervorsitzenden vom 26. September 2000, standen der Kammer keine freien Verhandlungstage zur Verfügung, da in dieser Zeit vier weitere Haftsachen, davon zwei Haftsachen parallel, zur Verhandlung anstanden bzw. noch anstehen. Bei dieser, auf einen kurzfristigen Anstieg der Haftsachen zurückzuführenden Terminslage der Schwurgerichtskammer kam die Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins in der Zeit vom 16. Oktober bis zum 11. Dezember 2000 ersichtlich nicht in Betracht. Die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft war daher gemäß §§ 121, 122 StPO anzuordnen.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 2 StPO.


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