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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 299/00 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Gewährung einer Entschädigung wegen erlittener Untersuchungshaft nach Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Entschädigung, erlittene Untersuchungshaft, Einstellung des Verfahrens, Billigkeitserwägungen

Normen: StrEG 3, StPO 154

Beschluss: Strafsache gegen W.O.,
wegen Vergewaltigung u.a. (hier: Ablehnung einer Entschädigung für erlittene Untersuchungshaft gemäß § 3 StrEG).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 5. Mai 2000 gegen den Beschluss der Strafkammer I des Landgerichts Münster vom 13. April 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. August 2000 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte befand sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Münster vom 1. Februar 1999 - Az 23 Gs 319/99 - u.a. wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Freiheitsberaubung, des Versuchs der Förderung der Prostitution Minderjähriger sowie wegen versuchten Menschenhandels zum Nachteil der K.G. in der Zeit vom 9. März 1999 bis zum 16. Oktober 1999 in Untersuchungshaft. Nach Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Münster - im wesentlichen wegen des vorgenannten Tatvorwurfs - und Durchführung des gerichtlichen Zwischenverfahrens fand in der Zeit vom 19. Oktober bis zum 26. Oktober 1999 eine mehrtägige Hauptverhandlung vor dem Landgericht Münster statt.

Nachdem die für den Hauptverhandlungstermin vom 26. Oktober 1999 in Litauen geladene Zeugin und Nebenklägerin G. nicht erschienen war, setzte die Strafkammer die Hauptverhandlung aus und hob den Haftbefehl mangels dringenden Tatverdachts auf. Sie regte in einer Zuschrift an die Staatsanwaltschaft Münster am 31. Januar 2000 an, das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO wegen einer Verurteilung durch das Landgericht Osnabrück vom 23. Februar 1996, einzustellen, "da zureichende Aussichten, dass das Verfahren in einem im angemessenen Verhältnis zum Aufwand stehenden Ablauf beendet werden kann, nicht ersichtlich sind." (Bl. 558 Bd. III d.A.).

Am 18. Februar 2000 stellte die Strafkammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht Osnabrück vom 23. Februar 1996 (Az.: 20 Ks VI 24/95) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten ein.

Mit Beschluss vom 13. April 2000 hat das Landgericht Münster eine Entschädigung des Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft abgelehnt.

II.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 5. Mai 2000 hat keinen Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 11. Juli 2000 u.a. ausgeführt:

"Die statthafte (gem. § 8 Abs. 3 StrEG) und fristgerecht eingelegte (§ 311 StPO) sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Zwar ist ein Verfahren einer Entschädigungsentscheidung nach § 3 StrEG auch dann zugänglich, wenn dieses nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist und das andere Verfahren, worauf sich die Ermessensentscheidung bezieht, rechtskräftig abgeschlossen ist (Meyer, Strafrechtsentschädigung und Auslagenerstattung, 4. Aufl., § 115 Rdnr. 16 c). Jedoch ist eine solche Entschädigung nach Billigkeitsgesichtspunkten bei Ermessensentscheidungen nicht die Regel, sondern die Ausnahme (Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. Aufl., StrEG, § 3 Rdnr. 2). Es müssen besondere Umstände vorliegen, die den konkreten Fall von der Masse ähnlicher Sachverhalte auffallend abhebt (Meyer a.a.O. S. 124 Rdnr. 39). Danach ist im Rahmen des § 3 StrEG eine Einstellung in der Regel nur dann billig, wenn bei dem Sachverhalt wie er sich zur Zeit der Ermessensentscheidung darstellt, eine Rechtsfolge zu erwarten gewesen wäre, die deutlich geringer ist als die, welche bereits durch den Vollzug der vorläufigen Maßnahme "vorweggenommen" worden ist (Meyer a.a.O. S. 126 Rdnr. 29).
Mit Anklageerhebung und Beginn der Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer hat die Strafkammer - in Übereinstimmung mit dem hiesigen Strafsenat - den Tatverdacht, der sich entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht allein in der belastenden Aussage der Zeugin G. erschöpfte, zutreffend als dringend eingeschätzt. Von dieser Einschätzung rückte die Strafkammer offensichtlich erst dann ab, als sich ihre Befürchtung, die Zeugin G. werde zum Hauptverhandlungstermin aus Litauen nicht erscheinen, Gewissheit wurde. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Zeugen, die den Tatverdacht gegen den Angeklagten in ihrer polizeilichen Vernehmung erhärtet hatten, in ihrer Vernehmung vor dem Landgericht von ihrem ursprünglichen Aussageverhalten abgerückt seien. Mit dem Nichterscheinen der Zeugin G. war auch die Beweiserhebungsmöglichkeit der Strafkammer noch nicht erschöpft. So stand der Strafkammer die - allerdings sehr zeitraubende - Möglichkeit zur Verfügung, diese Zeugin im Rechtshilfeverkehr mit der Republik Litauen durch deutsche Konsularbeamte als Zeugin vernehmen zu lassen (vgl. Europäisches Übereinkommen vom 20.04.1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen - Bundesgesetzblatt 1964 II S. 1369, 1386; 1976 II S. 1799; 1997 II S. 1818 i.V.m. dem Zusatzprotokoll vom 17.03.1978 zu dem vorbezeichneten Übereinkommen - Bundesgesetzblatt 1970 II S. 124, 125; 1991 II S. 909; 1997 II S. 1525 i.V.m. den abgegebenen Vorbehalten und Erklärungen - Bundesgesetzblatt 1976 II S. 1799; 1991 II S. 909; Bundesgesetzblatt 1997 II S. 1818 -). Die Auffassung des Beschwerdeführers, er hätte zum Zeitpunkt der Einstellungsentscheidung einen "Anspruch auf Freispruch" gehabt, trifft demnach nicht zu. Allein mit dem Umstand, dass die Zeugin G. zum Hauptverhandlungstermin nicht erschienen ist, obgleich sie für die Strafkammer prozessual immer noch erreichbar war, lässt sich die Feststellung nicht begründen, der ursprüngliche, hauptsächlich auf der Aussage dieser Zeugin begründete Tatverdacht sei erheblich hinter dem zurückgeblieben, der zu der Verfolgungsmaßnahme geführt habe.

Die Billigkeitsentscheidung nach § 3 StrEG setzt schließlich eine Ermessensausübung des erkennenden Spruchkörpers voraus. Selbst wenn in der angefochtenen Entscheidung eine solche vom Ermessen getragenen Erwägungen möglicherweise nicht deutlich genug zu erkennen sein sollte, dürfte aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsfindung zu schließen sein, dass die Strafkammer die Erfolgsmöglichkeit einer Vernehmung der Zeugin G. in Litauen abgeschätzt und eine damit verbundene nicht unerhebliche Verfahrensverzögerung und die verbüßte Untersuchungshaft des Angeklagten von über sieben Monaten im Hinblick auf eine noch sehr wahrscheinlich erscheinende Rechtsfolge in diesem Verfahrensstadium als nicht grob unbillig im Sinne des § 3 StrEG eingeschätzt hat. Gegen eine solche Ermessenserwägung dürfte nichts zu erinnern sein."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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