Aktenzeichen: 5 Ss OWi 1342/99 OLG Hamm
Leitsatz:
Senat: 5
Gegenstand: Rechtsbeschwerde
Stichworte: Qualifizierter Rotlichtverstoß, Feststellung der Rotlichtzeit durch Sekundenzählen, Zählen 21 - 22, Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse, geringfügige Ordnungswidrigkeit, Bemessung der Geldbuße, Möglichkeit bewusst sein, von einem Fahrverbot absehen zu können
Normen: StPO 267, OWiG17
Beschluss: Bußgeldsache gegen B.B. wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 4. August 1999 hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 10.02.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach §§ 37 Abs. 2, 49 StVO i.V.m. § 24 StVO zu einer Geldbuße in Höhe von 250,00 DM verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt.
Nach den getroffenen Feststellungen passierte der Betroffene am 9. März 1999 um 8.24 Uhr in Dortmund ,,die Haltelinie und die etwa 3 m entfernte Lichtzeichenanlage", als diese bereits
,,deutlich mehr als 1 Sekunde" Rotlicht zeigte. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge - zumindest vorläufig - Erfolg.
Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 4. Februar 2000 folgendes ausgeführt:
,,Die Feststellungen und die Beweiswürdigung des Tatrichters tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nach §§ 37 Abs. 2, 49
StVO i.V.m. Nr. 34.2 BKat nicht.
Das angefochtene Urteil ist, wie die Überprüfung auf Grund der erhobenen Sachrüge ergibt, mit mehreren Rechtsfehlern behaftet.
Ein rechtlicher Mangel liegt bereits darin, dass das Amtsgericht seine Feststellung, die Rotphase habe bereits deutlich länger als eine Sekunde gedauert, als der Betroffene die Haltelinie passiert habe, auf die Aussagen der Polizeibeamten B. und H. gestützt hat. Zwar haben diese Beamten zur Vorfallszeit eine gezielte Rotlichtüberwachung durchgeführt, gleichwohl reichten ihre Aussagen für die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes im Sinne der Nr. 34.2 BKat durch den Tatrichter nicht aus. Die vorbenannten Zeugen haben angegeben, sie hätten die Dauer vom Phasenwechsel der Lichtzeichenanlage auf Rot bis zum Passieren der Haltelinie durch den Betroffenen durch das Zählen der Zahlen 21, 22 ermittelt. Bei qualifizierten Rotlichtverstößen bis zu zwei Sekunden genügt das bloße Zählen (21, 22) jedoch nicht, da diese Messmethode wesentlich zu ungenau ist (vgl. Jagusch/Hentschel 35. Auflage, Straßenverkehrsrecht, § 37 StVO, Rdnr. 61 m.w.N.) . Selbst gegen die - wesentlich genauere - Messmethode des Ablesens der Zeit von einer Armbanduhr bestehen im Messbereich bis zu zwei Sekunden in der Rechtsprechung Bedenken (vgl. Jagusch/Hentschel a.a.O.).
Auch die - äußerst knappen - Erwägungen des Amtsgerichts zum Rechtsfolgenausspruch sind nicht frei von Mängeln. In den Urteilsgründen heißt es hierzu lediglich: ,,Bei der Bemessung des Bußgeldes sah das Gericht keinerlei Veranlassung, von dem Regelbußgeld von 250,00 DM abzuweichen.
Das Gericht sah auch keinerlei Veranlassung, von dem regelmäßig festzusetzenden Fahrverbot von einem Monat abzuweichen. Gründe für eine Abweichung sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden."
Bei diesen pauschalen Angaben ist der Senat mangels weiterer Feststellungen hierzu nicht in der Lage zu überprüfen, ob die Bemessung des Bußgeldes den Anforderungen des § 17 Abs. 3 OWiG entspricht.
Das angefochtene Urteil äußert sich nicht zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen. Weder seine berufliche Tätigkeit noch sein monatliches Einkommen werden mitgeteilt. Wenn auch die Anforderungen an die Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht überspannt werden dürfen, so müssen doch zumindest derart hinreichende Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht werden, dass dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung möglich ist, ob die Vorschrift des § 17 Abs. 3 OWiG beachtet worden ist. Das ist hier nicht der Fall. Angesichts der vom Tatrichter verhängten Geldbuße von 250,00 DM unter gleichzeitiger Festsetzung eines Fahrverbots von einem Monat kann die zu Grunde liegende Verkehrsordnungswidrigkeit nicht mehr als geringfügig im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 OWiG, bei der die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Regel unberücksichtigt bleiben, eingestuft werden.
Da das Amtsgericht keinerlei Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit des Betroffenen getroffen hat, kann der Senat darüber hinaus nicht überprüfen, ob die Verhängung des Fahrverbots für den Betroffenen eine unzumutbare Härte darstellen könnte.
Darüber hinaus lassen die Urteilsgründe auch nicht erkennen, dass sich das Amtsgericht der Möglichkeit bewusst war, bei Vorliegen von Ausnahmegesichtspunkten gegebenenfalls gegen Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbots absehen zu können.
Aus diesen Gründen kann das Urteil keinen Bestand haben. In der erneuten Verhandlung wird darüber hinaus die Anwendung des § 25 Abs. 2 a StVG zu prüfen sein."
Dem tritt der Senat bei. Das angefochtene Urteil war daher mit den Feststellungen aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
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