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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 332/00 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn der Verurteilte ein neues Sachverständigengutachten vorlegt.]

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Wiederaufnahme des Verfahrens, neues Sachverständigengutachten, neuer Sachverständiger, überragende Forschungsmittel. neues Beweismittel

Normen: StPO 359, StPO 244

Beschluss: Strafsache gegen H.P.
wegen Computerbetruges
hier: Ablehnung der Wiederaufnahme des Verfahrens

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 11. Oktober 2000 gegen den Beschluss der Strafkammer II des Landgerichts Detmold vom 21. September 2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.11.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:
Das Schöffengericht Warburg hat den Verurteilten mit Urteil vom 07.10.1994 vom Vorwurf des Computerbetruges freigesprochen.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Paderborn das Urteil aufgehoben und den Verurteilten wegen Computerbetruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Landgericht hat den früheren Angeklagten aufgrund der Gutachten des Sachverständigen für anthropologische Vergleichsgutachten Dr. S. und des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn für überführt angesehen, am 11.06.1993 mit einer fremden Euroscheck-Karte unberechtigt Beträge an einem Bankautomaten abgehoben zu haben, wobei von dem Täter Videoaufnahmen gefertigt worden waren. Wegen der weiteren getroffenen Feststellungen und der Beweiswürdigung wird auf Seite 3 bis 11 der Gründe dieses Urteils (Bl. 248 bis 256 d.A.) Bezug genommen. Auf die Revision des damaligen Angeklagten ist dieses Urteil mit Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 12.12.1997 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben worden. Am 24.02.1997 hat eine andere Kammer des Landgerichts Paderborn gegen den Verurteilten eine Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 40,- DM verhängt. Dieses Urteil ist seit dem 04.03.1997 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14.06.2000 hat der Beschwerdeführer - gestützt auf § 359 Nr. 5 StPO - die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Das Wiederaufnahmebegehren stützt sich dabei insbesondere auf ein von dem Sachverständigen Prof. Dr. W. - Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes - gefertigtes morphologisches Gutachten zur Identitätsbestimmung vom 17.12.1999, in dem der Sachverständige zu dem Ergebnis kommt, dass der frühere Angeklagte mit der bei der Geldabhebung fotografierten Person nicht identisch ist. Wegen der Einzelheiten wird auf den genannten Schriftsatz nebst Anlagen (Bl. 386 bis 444) sowie auf den Schriftsatz des Verteidigers vom 06.09.2000 (Bl. 450 ff. d.A.) Bezug genommen.

Durch Beschluss der Strafkammer II des Landgerichts Detmold vom 21.09.2000, auf dessen Begründung gleichfalls Bezug genommen wird, ist der Wiederaufnahmeantrag des Verurteilten als unzulässig verworfen worden.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 11.10.2000, auf deren Inhalt Bezug genommen wird
(Bl. 474 ff. d.A.). Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Die gemäß § 372 StPO statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Landgericht Detmold hat den Wiederaufnahmeantrag des Verurteilten mit zutreffender Begründung gemäß § 368 StPO verworfen, weil der Verurteilte kein neues Beweismittel angeführt hat, das gemäß § 359 Nr. 5 StPO geeignet ist, allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten zu begründen; neue Tatsachen werden von dem Verurteilten nicht vorgetragen. Der nunmehr von dem Verurteilten benannte weitere Sachverständige Prof. Dr. W. ist nicht allein schon deshalb als neues Beweismittel anzusehen, weil der Verurteilte behauptet, der neu benannte Sachverständige werde zu anderen Schlussfolgerungen gelangen als der früher angehörte oder weil er möglicherweise über eine größere Sachkunde verfügt (vgl. BGH NJW 93, 1481; BGHSt 31, 365, 370; OLG Düsseldorf, NStZ 1987, 245; Löwe-Rosenberg, 24. Aufl., RNR 172 zu § 359 m.w.N.).

Auch fehlen Anhaltspunkte dafür, dass sich die einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zwischenzeitlich erweitert oder geändert haben könnten.

Ebenso wenig ist ersichtlich, dass dem nunmehr benannten Sachverständigen andere Anknüpfungstatsachen zur Verfügung stehen. Soweit der Verurteilte auch in diesem Zusammenhang mit näheren Ausführungen bemängelt, der Sachverständige Dr. S. habe bei seinem Gutachten die Grundsätze der sogenannten "Vorauswahl" nicht berücksichtigt, kann dem aus den in der angefochtenen Entscheidung genannten Gründen nicht gefolgt werden.

Schließlich kann dahinstehen, ob ein neuer Sachverständiger dann ein geeignetes Wiederaufnahme-Beweismittel ist, wenn er einem anderem Fachgebiet angehört als der frühere Sachverständige (vgl. zum Meinungsstand Löwe-Rosenberg, a.a.O.). Diese Voraussetzung liegt im Ergebnis nicht vor und kann insbesondere nicht daraus hergeleitet werden, dass der neue Sachverständige Prof. Dr. W. Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes ist, wogegen Dr. S. Sachverständiger für anthropologische Vergleichsaufnahmen war. Denn beide Sachverständige haben ihre Gutachten auf anthropologische bzw. morphologische Vergleiche gestützt.

Erörterungsbedürftig, aber nach dem Wiederaufnahmevorbringen im Ergebnis zu verneinen ist allenfalls, ob der Sachverständige Prof. Dr. W. deshalb als ein neues und geeignetes Beweismittel anzusehen ist, weil ihm im Vergleich zu Dr. S. überlegene Forschungsmittel zur Verfügung stehen. Hierzu hat der Verurteilte zwar in seinem Wiederaufnahmeantrag vorgetragen und in der Beschwerdebegründung näher dargetan, dass Dr. S. die erforderlichen Vergleichsaufnahmen von dem Verurteilten lediglich "kurzerhand" in einer Polizeistation mit einer handelsüblichen Kleinbildkamera gefertigt habe, wogegen Prof. Dr. W. aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Institutsausstattung mit einer auf neuestem Stand befindlichen morphologischen Aufnahmetechnik qualitativ besser zu Vergleichszwecken geeignete Bilder von dem Verurteilten habe fertigen können.

Es kann dahinstehen, ob es sich insoweit um überlegene Forschungsmittel im Sinne des entsprechend heranzuziehenden § 244 Abs. 4 S. 2 StPO handelt. Die bloße Anwendung überlegener Forschungsmittel durch den neuen Sachverständigen reicht jedenfalls nicht aus. Vielmehr ist sowohl für die vorgenannte Bestimmung wie damit auch als Voraussetzung für eine Eignung i.S.v. § 359 Nr. 5 StPO erforderlich, dass der neue Sachverständige über überlegenere Forschungsmittel verfügt als der frühere. Hiervon kann vorliegend nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Allein aus dem Umstand, dass ein Sachverständiger - hier Dr. S. - ein bestimmtes Untersuchungsverfahren oder eine entsprechende Technik nicht angewendet hat, kann nicht geschlossen werden, dass er über solche nicht verfügt hat (vgl. BGH StV 85, 489; BGHR Nr. 5 zu § 244 Abs. 4 S. 2 StPO; Löwe-Rosenberg, a.a.O., Rdnr. 319 zu § 244 m.w.N.).

Hierzu fehlt es an der erforderlichen Darlegung im Rahmen des Wiederaufnahmevorbringens. Ebenso wenig ist im Einzelnen dargetan, dass das abweichende Gutachtensergebnis auf der unterschiedlichen Aufnahmetechnik der Vergleichsfotos beruht. Dies soll im Ergebnis zwar behauptet werden, wird aber nicht im Einzelnen dargelegt.

Solcher Darlegungen hätte es aber nach dem im Wiederaufnahmerecht herrschenden Beibringungsgrundsatz (vgl. Löwe-Rosenberg, a.a.O., Rdnr. 177 ff. zu § 360 StPO) bedurft.

Das Landgericht Detmold hat den Wiederaufnahmeantrag des Verurteilten somit zu Recht als unzulässig verworfen, so dass die dagegen gerichtete Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen war.


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