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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 425/00 OLG Hamm

Leitsatz: Ordnungsmittel im Sinne des § 178 GVG können nach Gewährung rechtlichen Gehörs nur in der Sitzung festgesetzt werden, in der die Ungebühr begangen wurde.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ungebühr, sitzungspolizeiliche Maßnahme, Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme

Normen: GVG 178, GVG 176

Beschluss: Strafsache gegen J.G.,
wegen Ordnungswidrigkeit (hier: Beschwerde des Betroffenen gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Amtsgerichts Minden vom 18.09.2000).

Auf die Beschwerde des Betroffenen gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Amtsgerichts Minden vom 18.09.2000 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19.12.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Betroffenen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

G r ü n d e :

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme zu der Beschwerde folgendes ausgeführt:

"I.

In vorliegender Bußgeldsache fand am 15.05.2000 ein Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Minden statt. Die Hauptverhandlung wurde vertagt. Neuer Termin sollte von Amts wegen bestimmt werden. Beim Verlassen des Sitzungssaales fielen seitens eines der Anwesenden die Worte: "Das ist ein Hammer hier!". Diese Worte ordnete das Amtsgericht Minden dem Zeugen D.D. in Hille - dem Bruder des Betroffenen - zu und verhängte gegen ihn ein Ordnungsgeld von 50,00 DM. Gegen diesen dem Zeugen D.D. am 13.06.2000 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Minden vom 15.05.2000 legte der Zeuge D.D. mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 06.07.2000, eingegangen bei dem Amtsgericht Minden am 06.07.2000 "sofortige Beschwerde" ein.

Am 18.09.2000 fand in vorliegender Bußgeldsache ein weiterer Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Minden statt. Mit dem Zeugen D.D. wurde die Frage des Ordnungsgeldbeschlusses erörtert. Der Zeuge D.D. erklärte, dass der Satz "Das ist ein Hammer hier!" nicht von ihm gekommen sei, sondern von seinem Bruder, dem Betroffenen. Daraufhin wurde der Ordnungsgeldbeschluss des Amtsgerichts Minden vom 15.05.2000 gegen den Zeugen D.D. aufgehoben. Der Betroffene wurde zu dem Vorfall angehört und erklärte, dass der Satz "Das ist ein Hammer hier!" von ihm stamme. Nunmehr verhängte das Amtsgericht Minden gegen den Betroffenen durch Beschluss vom 18.09.2000 ein Ordnungsgeld in Höhe von 50,00 DM. Nach entsprechender Rechtsmittelbelehrung legte der Verteidiger des Betroffenen gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts Minden vom 18.09.2000 Beschwerde ein.

II.

Die gem. §§ 178, 181 GVG statthafte und fristgerechte (§ 181 Abs. 1 GVG) eingelegte Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Amtsgerichts Minden vom 18.09.2000 hat in der Sache Erfolg.

Gem. § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG kann gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständigen oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu 2.000,00 DM oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden.

Ungebühr im Sinne von § 178 Abs. 1 GVG ist ein erheblicher Angriff auf die Ordnung in der Sitzung, auf deren justizgemäßen Ablauf, auf den "Gerichtsfrieden" und damit auf die Würde des Gerichts (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. 1999, Rdnr. 1 ff. zu § 178 GVG, Löwe/Rosenberg-Schäfer/Wickern, StPO, 24. Aufl. 1996, Rdnr. 1 ff. zu § 178 GVG). Die Äußerung "Das ist ein Hammer hier!" ist als Missfallensäußerung gegenüber dem Gericht aufzufassen. Kundgebungen des Missfallens sind jedenfalls dann Ungebühr, wenn sie - wie hier - eine Missachtung des Gerichts - etwa eine Missbilligung seines Verhaltens - zum Ausdruck bringen (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. 1999, Rdnr. 3 zu § 178 GVG, Löwe-Rosenberg-Schäfer/Wickern, StPO, 24. Aufl. 1996, Rdnr. 17 zu § 178 GVG).

Es handelte sich dabei auch um Ungebühr in der Sitzung. In zeitlicher Hinsicht erfasst der Begriff der Sitzung auch die Zeit für Verrichtungen nach der Sitzung, die mit der verhandelten Sache zusammenhängen, schließlich auch die Zeitspanne nach der Sitzung, in der sich die Beteiligten entfernen, insbesondere die Zeit, die das Gericht benötigt, um ohne Hast die mit der endgültigen Abwicklung der verhandelten Sache zusammenhängenden Verrichtungen vorzunehmen und in Ruhe den Sitzungssaal zu verlassen (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. 1999, Rdnr. 2
zu § 178 GVG, Rdnr. 6 zu § 178 GVG; Löwe-Rosenberg-Schäfer/Wickern, StPO, 24. Aufl. 1996, Rdnr. 6 ff. zu
§ 176 GVG, Rdnr. 6 zu § 178 GVG).

Ordnungsmittel im Sinne des § 178 GVG können jedoch nach Gewährung rechtlichen Gehörs nur in der Sitzung festgesetzt werden, in der die Ungebühr begangen wurde, wobei bei einer Hauptverhandlung von mehrtägiger Dauer eine Ungebühr unter Umständen erst am folgenden Verhandlungstag geahndet werden kann (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. 1999, Rdnr. 16 zu § 178 GVG; Löwe-Rosenberg-Schäfer/Wickern, StPO, 24. Aufl., 1996, Rdnr. 31 zu § 178 GVG).

Vorliegend hat das Amtsgericht Minden die im Hauptverhandlungstermin vom 15.05.2000 durch den Betroffenen begangene Ungebühr - nach Vertagung und Anberaumung eines neuen Termins von Amts wegen - erst im Hauptverhandlungstermin vom 18.09.20000 mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 50,00 DM geahndet.

Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Minden vom 18.09.2000 ist somit aufzuheben; mit der Vertagung der Hauptverhandlung vom 15.05.2000 endete nämlich die sitzungspolizeiliche Gewalt des Amtsgerichts Minden zur Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. 1999, Rdnr. 6 zu § 181 GVG; Löwe-Rosenberg-Schäfer/Wickern, StPO, 24. Aufl. 1996, Rdnr. 10 zu § 181 GVG)."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung von § 473 Abs. 3, 4 StPO.


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