Aktenzeichen: 3 Ws 469/2000 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Berufungsverfahren
Senat: 3
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Pflichtverteidigerbestellung, Beiordnung eines Pflichtverteidigers, Berufungsverfahren, Schwere der Tat
Normen: StPO 140
Beschluss: Strafsache gegen V.P.,
wegen Untreue (hier: Beschwerde der Angeklagten gegen die Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers für das Berufungsverfahren).
Auf die Beschwerde der Angeklagten vom 10.11.2000 gegen den Beschluss der IX. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 30.10.2000 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.12.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Angeklagten als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Essen-Borbeck hat die Angeklagte am 10.07.2000 unter Freisprechung im Übrigen wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft Essen zu Ungunsten der Angeklagten als auch die Angeklagte selbst rechtzeitig Berufung eingelegt.
Mit Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Essen vom 07.12.1998 - 35 Ds 23 Js 431/96 (524/97 Bew.) - rechtskräftig seit dem 25.03.1999 - war gegen die Angeklagte zuvor nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen unter Strafaussetzung zur Bewährung festgesetzt worden. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgelegt.
Mit Schreiben ihrer Verteidiger vom 07.08.2000 hat die Angeklagte beantragt, ihr Rechtsanwalt E. aus E. als Pflichtverteidiger beizuordnen.
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers hat der Vorsitzende der Strafkammer des Landgerichts Essen mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Angeklagten, die aufgrund des drohenden Widerrufs der nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen aus dem Gesamtstrafenbeschluss vom 07.12.1998 die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers als gegeben ansieht.
II.
Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses des Vorsitzenden der Strafkammer vom 30.10.2000 Bezug genommen werden.
Der Angeklagten ist insbesondere auch nicht wegen der Schwere der Tat gemäß § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen.
Die Angeklagte ist in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers käme hier deshalb nur dann in Betracht, wenn sie - wie die Beschwerde ausführt - mit dem Widerruf der Aussetzung der nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen hätte. Dies ist indes entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht der Fall. Der Gesamtstrafenbeschluss datiert nämlich vom 07.12.1998 und war erst am 25.03.1999 rechtskräftig. Ein Widerruf der mit dem Gesamtstrafenbeschluss erneut gebilligten Strafaussetzung käme daher nur aufgrund solcher Straftaten in Betracht, die nach der Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses bzw. gemäß § 56 f Abs. 1 S. 2 StGB in der Zeit zwischen dem Erlass und der Rechtskraft jenes Beschlusses begangen worden waren (vgl. OLG Hamm, NStZ 1987,382; LK-Gribbohm, § 56 f Randnummern 4, 5; Tröndle, StGB, 48. Aufl.,
§ 56 f Rdnr. 3 a; je m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier indes nicht erfüllt. Die Taten, wegen derer die Angeklagte durch das Amtsgericht Essen-Borbeck verurteilt worden ist, datieren vom 31.10.1998 und vom 01.11.1998. Die Tat, wegen derer Freispruch erfolgte, soll laut Anklage am 07.05.1998 begangen worden sein.
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist hier auch nicht aufgrund des Umstandes geboten, dass auch die Staatsanwaltschaft zum Nachteil der Angeklagten Berufung eingelegt hat. Es erscheint nämlich ausgeschlossen, dass die Angeklagte selbst im Falle der Verurteilung wegen jener Tat mit einer Gesamtfreiheitsstrafe im Bereich von etwa einem Jahr zu rechnen hätte, ab der die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen der Schwere der Tat geboten wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
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