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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 BL 7/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Konkretisierung des Haftbefehls ist eine Bezugnahme auf in den Akten befindliche Urkunden, die dem Haftbefehl aber nicht als Anlage beigefügt sind, unzulässig.

Senat: 2

Gegenstand: BL 6; Haftprüfung durch das OLG

Stichworte: Haftbefehl; Konkretisierung; Bezugnahme auf nicht als Anlage beigefügte Urkunden

Normen: StPO 114; StPO 121

Beschluss: Strafsache gegen G.B.
wegen Steuerverkürzung u.a., hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).

Auf die Vorlage der Akten (2 Bände Haftprüfungsheft) zur Entscheidung nach den §§ 121, 122 StPO hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.02.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten und seines Verteidigers beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.

Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte befindet sich nach vorläufiger Festnahme am
26. Juli 2000 seit diesem Tage aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Hagen vom 26. Juli 2000 (66 Gs 945/00) ununterbrochen in dieser Sache in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Hagen.

Mit dem Haftbefehl wird dem Angeklagten vorgeworfen, in dem Zeitraum von Januar 1995 bis November 1999 als verantwortlicher Unternehmer unter Einsatz eigener Arbeitskräfte bei verschiedenen Auftraggebern gewerbliche Tätigkeiten durchgeführt zu haben, ohne diese anzumelden und seine Pflichten im steuerlichen und sozialversicherungspflichtigen Bereich zu erfüllen. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des dem Angeschuldigten im einzelnen zur Last gelegten Tatgeschehens, wird auf den Haftbefehl vom 26. Juli 2000 Bezug genommen.

Diese Vorwürfe sind auch im Wesentlichen Gegenstand der unter dem 8. Januar 2001 erhobenen Anklage der Staatsanwaltschaft Hagen. Mit dieser wird dem Angeschuldigten zur Last gelegt, in 40 Fällen die Steuer verkürzt zu haben, in 34 Fällen einen Betrug zum Nachteil eines Sozialversicherungsträgers begangen zu haben und darüber hinaus in zwei Fällen nach einer Ausweisung unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist zu sein und sich darin aufgehalten zu haben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug genommen.

Das Amtsgericht Hagen hat am 12. Januar 2001 nach dem Eingang der Anklageschrift folgenden Beschluss gefasst:

„In der Strafsache

gegen G.B.

wegen Steuerverkürzung

wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Hagen vom 26.07.2000 (66 Gs 945/00) nach Maßgabe der Anklageschrift vom 08.01.2001 - 300 Js 917/00 - neu gefasst.
Die Anklage ist Bestandteil des Beschlusses.
Es wird Haftfortdauer angeordnet, da der Haftgrund der Fluchtgefahr weiter besteht. Der Angeklagte hat in der Bundesrepublik Deutschland keinen Wohnsitz. Er hat trotz der geständigen Einlassung wegen der Vielzahl der Taten und der Höhe des entstandenen Schadens mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen.

Hagen, 12. Januar 2001

J.,Richter am Amtsgericht“

Das Amtsgericht hat - ebenfalls unter dem 12. Januar 2001 - die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich angesehen und die Akten dem Senat zur Entscheidung über die Haftfortdauer gemäß den §§ 121, 122 StPO vorgelegt.

II.
Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus war, entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, anzuordnen.

Es besteht gegen den Angeklagten dringender Tatverdacht hinsichtlich der ihm im Haftbefehl vom 26. Juli 2000 zur Last gelegten Taten, der nach wie vor allein die Grundlage der zu treffenden Haftentscheidung sein kann. Zwar hat das Amtsgericht Hagen mit Beschluss vom 12. Januar 2001 beabsichtigt, den Haftbefehl dem gegenwärtigen Verfahrensstand anzupassen und dazu den „Haftbefehl“ neu gefasst und dem Angeklagten am 23. Januar 2001 verkündet. Dieser Beschluss ist aber kein wirksamer Haftbefehl i.S.d. § 114 Abs. 1 und 2 StPO. Nach § 114 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 StPO müssen nämlich im Haftbefehl die Tat, deren der Verfolgte dringend verdächtig ist, mit Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat, der Haftgrund und die konkreten Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht und der Haftgrund ergeben, im einzelnen angegeben werden. Dabei muss insbesondere die Tat aus sich heraus verständlich beschrieben werden, wobei das Tatgeschehen nach Ort und Zeit, Art der Durchführung, Person des Verletzten und den sonstigen Umständen so genau zu bezeichnen ist, dass ein bestimmter Lebensvorgang erkennbar wird, dem der Beschuldigte den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf entnehmen kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 114 Randnummern 4, 7 m.w.N.; OLG Hamm, StV 2000, 153, 154; OLG Stuttgart NJW 1982, 1296, 1297; OLG Düsseldorf StV 1996, 440). Daraus ergibt sich, dass Bezugnahmen auf in den Akten befindliche Urkunden, die dem Haftbefehl aber nicht als Anlage beigefügt sind, unzulässig sind (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.), da ein Haftbefehl in dieser Form seine ihm zukommende Informationsfunktion nicht erfüllen kann.

Diesen zwingenden Anforderungen wird der Haftbefehl vom 12. Januar 2001 aber nicht gerecht. Er enthält weder Angaben zur Tatzeit und Tatort noch zum Tatvorwurf. Die Bezugnahme auf die nicht beigefügte Anklageschrift kann diese Angaben nicht ersetzen. Da das Amtsgericht mit dem Beschluss vom 12. Januar 2001 den Haftbefehl vom 26. Juli 2000 nur neu gefasst, nicht aber aufgehoben hat, besteht dieser in seiner ursprünglichen Form weiter und bildet deshalb allein die Grundlage der zu treffenden Haftentscheidung.

Gegen den Angeklagten ist auch dringender Tatverdacht hinsichtlich der ihm im Haftbefehl zur Last gelegten Taten, die auch im Wesentlichen Gegenstand der Anklage vom 8. Januar 2001 sind, gegeben. Der Tatverdacht gegen ihn ergibt sich aus seiner geständigen Einlassung und den von den Verfolgungsbehörden durchgeführten Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in der Anklage zutreffend gewürdigt hat. Dieser Würdigung tritt der Senat bei und nimmt auf sie, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, Bezug.

Gegen den Angeklagten besteht der Haftgrund des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Er hat wegen der ihm zur Last gelegten Taten mit der Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen, woraus sich bereits ein erheblicher Fluchtanreiz ergibt, der vorliegend durch andere Umstände nicht gemildert wird. Der Angeklagte hat gemeinsam mit seiner Ehefrau seinen Wohnsitz in Belgien und unterhält darüber hinaus weiterhin gute Kontakte in sein Heimatland. Feste soziale Bindungen hat er demgegenüber in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass sich der Angeklagte dem Verfahren durch Flucht entziehen wird, wenn er auf freien Fuß käme.

Der Zweck der Untersuchungshaft lässt sich deshalb auch nicht mit weniger einschneidenden Maßnahmen nach § 116 StPO erreichen.

Die bisher gegen den Angeklagten vollzogene sowie die weitere Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tatvorwürfe und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Freiheitsstrafe.

Die besonderen Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO, unter denen die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus fortdauern darf, sind ebenfalls gegeben, da wichtige Gründe ein Urteil bislang noch nicht zugelassen haben und die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Nach der vorläufigen Festnahme des Angeklagten sind die aufgrund des Umfangs und der Natur der Vorwürfe schwierigen Ermittlungen zügig weitergeführt worden. Nach der Anklageerhebung am 8. Januar 2001 ist die Anklage dem Angeklagten unverzüglich zugestellt worden. Das Hauptverfahren ist am 2. Februar 2001 eröffnet und die Hauptverhandlung auf den 7. März 2001 terminiert worden.

Bei dieser Sachlage und dem nunmehr unmittelbar bevorstehenden Hauptverhandlungstermin ist damit zu rechnen, dass das Verfahren in erster Instanz zeitnah abgeschlossen wird, so dass dem in Haftsachen in besonderem Maße zu beachtenden Beschleunigungsgebot in ausreichender Weise Rechnung getragen worden ist.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 S. 2 StPO.


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