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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 354/00 OLG Hamm

Leitsatz: Bei einer Strafsache, die vom Amtsgericht an das Landgericht verwiesen wird, sind gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BRAGO die Gebühren des Verteidigers für das gesamte Verfahren aus einem einheitlichen Gebührenrahmen, und zwar aus dem höchsten Rahmen, der für eines der Gerichte zutrifft, zu entnehmen. Die Wirkung einer Übernahme bzw. Verweisung im gerichtlichen Verfahren erstreckt sich aber nicht auf die Vorverfahrensgebühr, weil die Tätigkeit im Verfahrensabschnitt „Vorverfahren“ bereits vor der Übernahme abgeschlossen war, so dass sich auf diesen Gebührentatbestand die spätere Höherbewertung gemäß § 14 BRAGO nicht mehr erstrecken konnte.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Gebührenrahmen; Verweisung; Übernahme; Vorverfahrensgebühr

Normen: BRAGO 14; BRAGO 97 Abs. 1; BRAGO 84 Abs. 1; BRAGO 83 Abs. 1 Nr. 1

Beschluss: Strafsache gegen H.W.,
wegen Körperverletzung,


Auf die Beschwerde des Rechtsanwaltes A. T. aus I. gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 1. Strafkammer des Landgerichts Siegen vom 15. August 2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.01.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm beschlossen:

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
Rechtsanwalt T. ist auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 3. Juli 1997 zum Pflichtverteidiger des Beschuldigten bestellt worden. Unter dem 31. Oktober 1997 hat die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Schöffengericht wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben, weil nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft kein hinreichender Tatverdacht eines versuchten Tötungsdeliktes bestand. Auf Anregung des Amtsgerichts vom 12. November 1997 hat die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 4. Dezember 1997 gemäß § 29 Abs. 2 GVG die Hinzuziehung eines zweiten Richters beantragt. Auf Vorlage des Amtsgerichts hat dann die zuständige Schwurgerichtskammer des Landgerichts Siegen am 31. März 1998 beschlossen, das Verfahren gemäß § 209 Abs. 2 StPO zu übernehmen.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Siegen hat mit Beschluss vom 24. Februar 1999 die Rechtsanwalt T. als Verteidiger des Angeklagten aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 5.412,40 DM festgesetzt. Unter anderem wurde Rechtsanwalt T. eine Gebühr für das vorbereitende Verfahren in Höhe von 425,00 DM zugebilligt, wobei Berechnungsgrundlage die §§ 97 Abs. 1, 84 Abs. 1, 83 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO waren.

Der Bezirksrevisor hat gegen diesen Beschluss insoweit Erinnerung eingelegt, als eine Vorverfahrensgebühr in Höhe von 425,00 DM festgesetzt worden ist. Zur Begründung hat er ausgeführt, es bestehe nur ein Anspruch in Höhe von 250,00 DM, da das vorbereitende Verfahren bereits bei der Verweisung der Sache vom Schöffengericht an die Schwurgerichtskammer abgeschlossen gewesen und die Vorverfahrensgebühr daher nach den §§ 97, 84 Abs. 1, 83 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO zu berechnen sei.

Rechtsanwalt T. ist der Erinnerung entgegengetreten und hat ausgeführt, die Gebühr für das vorbereitende Verfahren sei zu Recht mit 425,00 DM angesetzt worden, da von Beginn der Ermittlungen bis zur Abfassung der Anklageschrift der Vorwurf eines versuchten Tötungsdeliktes gegen seinen Mandanten erhoben worden sei. Er sei als Verteidiger während des gesamten vorbereitenden Verfahrens vor dem Hintergrund eines Kapitaldeliktes tätig geworden, in welchem man mit einer Anklage zur Schwurgerichtskammer habe rechnen müssen.

Das Landgericht Siegen hat mit der angefochtenen Entscheidung in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Siegen vom 24. Februar 2000 die Rechtsanwalt T. aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen festgesetzt auf 5.209,40 DM. Das Landgericht ist der Auffassung, dem Verteidiger stehe nur eine Gebühr für das vorbereitende Verfahren in Höhe von 250,00 DM zu. Die Auswahl des im Rahmen des § 83 Abs. 1 BRAGO zu treffenden Gebührenrahmens richte sich allein danach, bei welchem Gericht die Sache anhängig werde. Dies sei hier das Schöffengericht gewesen.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde ist gemäß § 98 Abs. 3 BRAGO zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil dem Verteidiger des Angeklagten lediglich eine Vorverfahrensgebühr nach §§ 97 Abs. 1 Satz 3, 84 Abs. 1 Variante 1, 83 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO in Höhe von 250,00 DM zusteht.

Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm hat wie folgt Stellung genommen:

„Das Verfahren vor dem übernehmenden Gericht bildet mit dem Verfahren vor dem verweisenden Gericht einen Rechtszug, § 14 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. Dies hat gebührenrechtlich grundsätzlich zur Folge, dass die Gebühren des Verteidigers für das gesamte Verfahren aus einem einheitlichen Gebührenrahmen, und zwar aus dem höchsten Rahmen, der für eines der Gerichte zutrifft, zu entnehmen ist. Die Gebühren für das Hauptverfahren berechnen sich daher nach der vorgenannten Übernahme des Verfahrens durch das Schwurgericht unstreitig aus den §§ 97 Abs. 1, 83 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BRAGO.

Die Wirkung einer Übernahme bzw. Verweisung in gerichtlichen Verfahren erstreckt sich nach der herrschenden Meinung aber nicht auf die Vorverfahrensgebühr, weil die Tätigkeit im Verfahrensabschnitt „Vorverfahren“ bereits vor der Übernahme abgeschlossen war und eine Wiederholung vor dem Schöffengericht nicht stattfinden konnte (vgl. Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 14 Rdnr. 8; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 19. Aufl., „Strafsachen“ 4.3 m.w.N.; Gerold/Schmidt-Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 14 Rdnr. 6 b m.w.N.; Hans OLG JurBüro 1990, 478 mit Anmerkungen von Mümmler = MDR 1990, 361).

Zwar wird in der Kommentierung zu § 84 Abs. 1 1. Variante BRAGO die Auffassung vertreten, dass sich die Höhe der Vorverfahrensgebühr nach der Gattung des Gerichts richtet, vor dem die Hauptverhandlung stattgefunden hat (vgl.
Hansens, a.a.O., § 84 Rdnr. 5). Die Verweisung des Verfahrens im gerichtlichen Verfahren stellt aber meines Erachtens einen gebührenrechtlichen Sonderfall dar, der in der vorgenannten Literatur nicht ausreichend berücksichtigt wird.

Denn der Gebührentatstand der Vorverfahrensgebühr war mit Eingang der Anklage beim Gericht bereits abgeschlossen. Wäre ein Pflichtverteidiger, der nur im Vorverfahren tätig gewesen ist, unmittelbar nach Eingang der Anklage beim Amtsgericht, aber noch Verweisung an das Schwurgericht entpflichtet worden, wäre für ihn lediglich eine Gebühr nach §§ 97 Abs. 1, 84 Abs. 1 Alternative 1, 83 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO aus der Landeskasse erstattet worden - ungeachtet der späteren Verweisung, weil auf den Verfahrensstand abzustellen ist, der sich bei Abschluss des Gebührentatbestandes ergibt.

Aufschlussreich ist meines Erachtens auch die Kommentierung zu § 84 Abs. 3 BRAGO. Denn ist ein Verfahren gar nicht anhängig geworden, bestimmt sich der Gebührenrahmen/die Gebührenhöhe nach dem Gericht, dass voraussichtlich für die Hauptverhandlung zuständig gewesen wäre. Die hypothetische Betrachtung bereitet dann Schwierigkeiten, wenn der Staatsanwaltschaft ein Ermessen zusteht, vor Gerichten verschiedener Ordnung Ordnungen anzuklagen (vgl. Hansens, a.a.O., § 84 Rdnr. 6). Es wird also für den Gebührenrahmen/die Gebührenhöhe darauf abgestellt, vor welchem Gericht die Staatsanwaltschaft anklagt.

Ich will nicht verkennen, dass sich das Vorverfahren in einer Strafsache, die später vom Amtsgericht an das Landgericht verwiesen wird, in der Regel umfangreicher und schwieriger gestaltet als in anderen amtsgerichtlichen Strafsachen. Diesem Umstand kann der Wahlverteidiger jedoch lediglich bei der Überlegung berücksichtigen, in welchem Maße er den Gebührenrahmen der §§ 84 Abs. 1 Alternative 1, 83 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO ausschöpft. Ist die aus der Landeskasse gewährte Vergütung des Pflichtverteidigers insgesamt betrachtet unzumutbar niedrig, hat dieser die Möglichkeit, einen Pauschvergütungsantrag zu stellen.“

Diese Ausführungen des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm macht der Senat sich zu Eigen und legt sie seiner Entscheidung zugrunde. Auch der Senat ist der Auffassung, dass der Gebührentatbestand der Vorverfahrensgebühr hier bereits vor der Verweisung abgeschlossen war, so dass sich auf ihn die spätere Höherbewertung gemäß § 14 BRAGO nicht mehr erstrecken konnte. Angesichts dessen war die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Gemäß § 98 Abs. 4 BRAGO ergeht die vorliegende Entscheidung gebührenfrei, Kosten sind nicht zu erstatten.


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