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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 43/01 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, dass eine im Urteil verwertete Urkunde nicht in der Hauptverhandlung worden ist, gehört der Vortrag, dass der Inhalt der Urkunde auch nicht anderweitig, insbesondere durch Vorhalt, in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist.

2. Ist dem Betroffenen die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h "bewusst", berechtigt ihn allein eine Verbreiterung der Straße nicht zu der Annahme, dass nun die Geschwindigkeitsbeschränkung aufgehoben ist. Das gilt auch, wenn der Betroffene aufgrund eines Streites seiner Kinder, die sich im Pkw befinden, abgelenkt war.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Augenblicksversagen, Abgelenkt, grobe Pflichtwidrigkeit; Verfahrensrüge, ausreichende Begründung, Urkundsbeweis

Normen: StVO 3, StVG 25, BKatV 2, StPO 344, StPO 249

Beschluss: Bußgeldsache

gegen D.H.,
wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 17. Oktober 2000 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 19.02.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2, 4 StPO einstimmig beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den §§ 41 Abs. 2, 49 StVO in Verbindung mit § 24 StVG zu einer Geldbuße von 200 DM verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene am 9. Juli 2000 mit seinem Pkw in Witten den Schneer Weg in Fahrtrichtung Brunebecker Straße mit einer gemessenen Geschwindigkeit von 65 km/h befahren, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit dort durch Zeichen 274 auf 30 km/h beschränkt war. Die Messung erfolgte mit dem Lasermessgerät Riegel LR 90-235/P, das Amtsgericht ist von einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 62 km/h ausgegangen.

Mit seiner Rechtsbeschwerde erhebt der Betroffene die formelle und materielle Rüge. Zur Begründung der formellen Rüge macht er einen Verstoß gegen §§ 261, 249 StPO geltend, den er damit begründet, dass ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls die Messunterlagen nicht im Wege des Urkundsbeweises in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien. Zur Begründung der materiellen Rüge führt er aus, dass es zu der Geschwindigkeitsüberschreitung aufgrund eines sog. Augenblicksversagens gekommen sei. Davon habe auch das Amtsgericht ausgehen müssen. Denn er habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit zunächst eingehalten und mit dieser ein äußerst langsam fahrendes Fahrzeug unmittelbar vor einer Verbreiterung des Schneer Weges überholt. Infolge eines Streites zwischen seinen sich in seinem Pkw befindenden Kindern sei er abgelenkt gewesen und habe allein deshalb nicht auf die Beschilderung geachtet. Er sei deshalb aufgrund der Verbreiterung von der Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung ausgegangen und wieder schneller gefahren.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde nach §§ 79 Abs. 3, 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat keinen Erfolg. Die nur knappe Begründung des Verwerfungsantrags gibt dem Senat Anlass zu folgenden Ausführungen:

1.
Die formelle Rüge ist unzulässig, da sie nicht in der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen Form begründet worden ist.

Der Betroffene macht einen Verstoß gegen die §§ 261, 249 StPO geltend, wenn er rügt, das Amtsgericht habe die Messunterlagen verwertet, ohne diese in die Hauptverhandlung eingeführt zu haben. Zutreffend ist zwar der Hinweis der Verteidigung darauf, dass sich aus dem Protokoll der Hauptverhandlung nicht ergibt, dass diese Unterlagen gemäß § 249 StPO verlesen worden sind. Zur ordnungsgemäßen Begründung dieser Verfahrensrüge gehört aber auch die Behauptung nebst Nachweis aus dem Protokoll der Hauptverhandlung, dass der Inhalt der Urkunden auch nicht anderweitig, insbesondere durch Vorhalt, in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 249 StPO Rn. 33 mit weiteren Nachweisen; ständige Rechtsprechung alles Straf- und Bußgeldsenate des OLG Hamm, siehe zuletzt Beschluss des 3. Senats für Bußgeldsachen vom 9. Januar 2001 in 3 Ss OWi 899/00 = http://www.burhoff.de). Diesen Vortrag enthält die Rechtsbeschwerdebegründung nicht.

2.
Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß den §§ 41 (Zeichen 274) 49 StVO, 24 StVG. Die Geschwindigkeitsermittlung auf der Grundlage des vorliegend verwendeten Lasermessgeräts Riegel LR 90-235/P" ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung als sog. standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 39, 291 = DAR 1993, 474; NJW 1998, 321 = DAR 1998, 110) anerkannt (vgl. dazu nur Senat in ZAP EN-Nr. 241/98 = DAR 1998, 244 = MDR 1998, 836 = StraFo 1998, 273 = VRS 95, 141 mit weiteren Nachweisen). Demgemäss sind die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ausreichend.

3.
Auch die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt Rechtsfehler, die zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit führen würden, nicht erkennen.

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Verhängung des nach der lfd. Nr. 5.3.3 der Tabelle 1 a "Geschwindigkeitsüberschreitungen" der BußgeldkatalogVO vorgesehenen Regelfahrverbots rechtfertigen würde (vgl. dazu Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 25 StVG Rn. 15 ff. m.w.N.; sowie insbesondere BGHSt 38, 231 = NZV 1992, 286), nicht vorliegt. Dazu reichen die Tatumstände und die sich aus der Person des Betroffenen ergebenden Umstände weder allein noch gemeinsam aus. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Umstände, die die Tat aus der Mehrzahl der sonstigen Fälle, die dem Regelfall unterliegen, mildernd herausheben könnten, nicht erkennbar sind.

Das Amtsgericht hat auch nicht die neuere Rechtsprechung des BGH (vgl. u.a. BGHSt 43, 214) übersehen, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. zuletzt u.a. Senat in NZV 2001, 90 = DAR 2001, 85; siehe auch NZV 1999, 215 = VRS 96, 382 = zfs 1999, 311 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Senats). Die insoweit erforderlichen näheren tatrichterlichen Feststellungen zu den äußeren Umständen der Geschwindigkeitsbeschränkung hat das Amtsgericht vorliegend getroffen. Soweit der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde - wie auch schon beim Amtsgericht - geltend macht, zu der Geschwindigkeitsüberschreitung sei es aufgrund eines sog. Augenblicksversagens im Sinne der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) gekommen, kann er damit nicht gehört werden. Der Betroffene übersieht nämlich, dass ihm - so die Feststellungen des Amtsgerichts - die Geschwindigkeitsbeschränkung "bewusst" war. Allein die Verbreiterung der Straße berechtigte ihn dann aber nicht, davon auszugehen, dass nun die Geschwindigkeitsbeschränkung aufgehoben war. Er befand sich immer noch auf dem Schneer Weg, auf dem unmittelbarer zuvor die Geschwindigkeit auf 30 km/h beschränkt war. Wenn der Betroffene dann trotz des Umstandes, dass er aufgrund des Streites seiner Kinder abgelenkt worden war, davon ausging, die Geschwindigkeitsbeschränkung sei jetzt aufgehoben, handelte er grob pflichtwidrig im Sinn der erwähnten Rechtsprechung des BGH (vgl. zu einem vergleichbaren, allerdings vor der neuen Rechtsprechung des BGH liegenden Fall des Rotlichtverstoßes Senat in ZAP EN-Nr. 288/97 = VM 1997, Nr. 99 = NZV 1997, 446 = VRS 93, 377). Dabei kommt dem Umstand, dass der Betroffene zudem auch die ohne die Geschwindigkeitsbeschränkung innerorts maßgebliche Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten hat, zusätzlich besondere Bedeutung zu (vgl. dazu BGH, aaO; KG, Beschluss vom 6. Oktober 2000, 3 Ws (B) 437/00 = http://www.strafverteidiger-berlin.de).

Auch die Ausführungen und die Feststellungen des Amtsgerichts zu der Frage, ob nicht in der Persönlichkeit des Betroffenen Umstände gegeben sind, die ausnahmsweise das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots rechtfertigen würden, halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Der Betroffene kann sich nicht darauf berufen, dass er bislang straßenverkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Die Regelahndung nach der BußgeldkatalogVO geht nämlich in § 1 Abs. 2 gerade davon aus, dass Voreintragungen nicht vorliegen. Das Amtsgericht hat zudem mit zutreffenden Erwägungen verneint, dass für den Betroffenen durch die Verhängung des Fahrverbots eine besondere Härte eintritt. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass ein Fahrverbot bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen als Rechtsanwalt und Notar vorübergehend zu Schwierigkeiten führen wird. Diese hat der Betroffene aber als die mit einem Fahrverbot üblicherweise verbundenen Schwierigkeiten als selbstverschuldet hinzunehmen. Das hat der Senat in der Vergangenheit schon wiederholt für Berufskraftfahrer entschieden und die seiner Rechtsprechung zugrunde liegenden Überlegungen auch für selbständig Tätige angewendet, und zwar insbesondere nach Einführung des § 25 Abs. 2 a StVG (vgl. dazu zuletzt Senat in NZV 2001, 90 = DAR 2001, 85 mit weiteren Nachweisen). Dies gilt auch für einen als Rechtsanwalt tätigen Betroffenen. Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht vorliegend, insbesondere unter Berücksichtigung des Maßes der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung, kein Anlass. Dass der Betroffene durch das vorübergehende Fahrverbot seine Existenz verlieren oder diese gefährdet würde, was ggf. zu einer anderen Beurteilung führen würde, hat er noch nicht einmal mit der Rechtsbeschwerde behauptet; dafür bieten die für den Senat maßgeblichen tatsächlichen tatrichterlichen Feststellungen zudem auch keine Anhaltspunkte.

Da das Amtsgericht sich bei der Begründung der Verhängung des Fahrverbots schließlich auch noch ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob nicht allein deshalb von der Verhängung des Fahrverbots - bei gleichzeitiger Erhöhung der festgesetzten Geldbuße - abgesehen werden konnte, weil bei diesem Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf diese Weise erreicht werden kann (vgl. dazu u.a. Senat in ZAP EN-Nr. 12/2000 = DAR 2000, 129 = MDR 2000, 269 = VRS 98, 305 = NZV 2000, 264 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Senats), war nach allem die getroffene Rechtsfolgenentscheidung nicht zu beanstanden und die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 OWiG.


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