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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 123/00

Leitsatz: zum Betrug durch Unterlassen gegenüber dem Arbeitsamt, begangen durch Nichtvorlage von Nebenverdienstbescheinigungen.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Betrug, Unterlassen, Garantenstellung, Nebenverdienstbescheinigung; Strafzumessung, kurze Freiheitsstrafe; unerlässlich

Normen: StGB 263; StGB 13, StGB 47

Beschluss: Strafsache gegen U.E.,
wegen Betruges.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 24.11.1999 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.02.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Das Verfahren wird gemäß § 206 a StPO eingestellt, soweit der Angeklagte durch das angefochtene Urteil wegen Nichtanzeige während des Zeitraumes vom 01.08. bis 31.10.1996 bei der Firma G. erzielter Nebenverdienste in Höhe von 659,-- DM gegenüber dem Arbeitsamt Gelsenkirchen wegen Betruges verurteilt worden ist.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten einschließlich derjenigen Kosten und notwendigen Auslagen, die in der ersten Instanz entstanden sind, werden der Landeskasse auferlegt, soweit das Verfahren eingestellt worden ist.

Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 24.11.1999 wegen Betruges in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden.

Das Amtsgericht hat zur Sache die folgenden Feststellungen getroffen:

„Am 17.02.1994 stellte der Angeklagte beim Arbeitsamt in Gelsenkirchen einen Antrag auf Arbeitslosengeld.

In dem Antrag gab er an, dass er vom 01.07.1989 bis zum 15.02.1994 bei der Firma U. in der Münchener Straße 249 als Taxifahrer gearbeitet hatte.

Außerdem gab er mit Schreiben vom 12.04.1994 an, dass er seit dem 13.04.1994 einer Nebentätigkeit nachgehe.

Am 08.12.1994 erklärte er erneut, dass er einer Nebenbeschäftigung nachgehe, und zwar bei der Firma I.

Er arbeite dort etwa 15 Stunden und erhalte einen Nebenverdienst. Eine Nebenverdienstbescheinigung ging dem Arbeitsamt in Gelsenkirchen zu.

Am 08.04.1995 stellte der Angeklagte beim Arbeitsamt in Gelsenkirchen einen Nachfolgeantrag auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe.

Er gab als Nebenbeschäftigung Taxifahren an und erklärte, dass er seit Dezember 1994 monatlich 100 DM verdiene.

Nebenverdienstbescheinigungen reichte der Angeklagte nicht mehr ein.

Am 16.12.1995 stellte er einen weiteren Antrag auf Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe, in diesem Antrag gab er unter dem Zusatzblatt "Bedürftigkeitsprüfung" an, dass er keine gelegentlichen wiederkehrenden Einnahmen habe.

Am 08.01.1997 wurde ein weiterer Antrag auf Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe durch den Angeklagten gestellt.

Hier gab der Angeklagte ebenfalls an, dass er über keine laufenden oder gelegentlich wiederkehrenden Einkommen verfüge.

Mit Schreiben vom 16.01.1997 forderte das Arbeitsamt den Angeklagten auf, Nebenverdienstbescheinigungen für den Zeitraum von Mai 1996 bis November 1996 einzureichen. Dies geschah nicht.

Am 18.12.1997 stellte der Angeklagte erneut einen Fortzahlungsantrag auf Arbeitslosenhilfe beim Arbeitsamt in Gelsenkirchen.

Unter der Rubrik "Bedürftigkeitsprüfung" erklärte der Angeklagte, dass er keine laufenden oder gelegentlich wiederkehrenden Einnahmen habe.

Die Ermittlungen des Arbeitsamtes ergaben, dass der Angeklagte zum Teil nicht ausreichende Angaben über seine Nebenbeschäftigung gemacht hatte, zum Teil bewusst Nebentätigkeiten verschwiegen hatte.

Am 11.04.1996 informierte die geschiedene Ehefrau des Angeklagten, Frau Gertrud B. in G, das Arbeitsamt in Gelsenkirchen, dass der Angeklagte keine wahrheitsgemäßen Angaben über seine Tätigkeit bei der Firma Taxi G, Peter I., gemacht habe.

Sie gab an, dass er dort nur als Aushilfsfahrer gemeldet sei, tatsächlich aber ganztägig gearbeitet habe. Er habe ca. 4.000 DM im Monat erzielt.

Dies träfe auch auf Frau ... zu, die ebenfalls als Aushilfsfahrerin bei Taxi G. ganztägig beschäftigt sei.

Gegen Frau ... ist beim Amtsgericht in Gelsenkirchen-Buer ebenfalls eine Anklage wegen Betruges zum Nachteil des Arbeitsamtes anhängig.

Außerdem ist festzuhalten, dass ein Datenabgleich zwischen den Sozialversicherungsträgern erfolgt.

Auch auf diese Weise konnten nicht gemeldete Nebenentgelte des Angeklagten durch das Arbeitsamt ermittelt werden.

Des weiteren hat der Außendienst des Arbeitsamtes bei sämtlichen Taxiunternehmen in Gelsenkirchen eine Razzia durchgeführt. Bei dieser Razzia wurden zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt, aus diesen ergaben sich die Nebenverdienste des Angeklagten.

Es wurde folgendes festgestellt:

In der Zeit vom 22.04. bis zum 31.12.1996 bezog der Angeklagte bei den Firmen H. und G. Nebenverdienste in Höhe von 3.117,90 DM,

in der zeit vom 20.03. bis zum 10.06.1997 bei der Firma T. 810,00 DM,

in der Zeit vom 16.06. bis zum 24.08.1997 bei der Firma IW. 792,00 DM,

in der Zeit vom 23.09.1997 bis zum 31.01.1998 bei der Firma Koch 2.520,00 DM,

in der Zeit vom 01.08. bis zum 31.12.1995 bei der Firma I. 4,963,10 DM,

in der Zeit vom 01.04. bis zum 19.04.1996 bei der Firma I. 653,00 DM

und in der Zeit vom 01.08. bis zum 31.10.1996 bei der Firma G. 659,00 DM.

Der Angeklagte hatte diese Entgelte teilweise nicht und teilweise zu gering angegeben.

Es ergaben sich Überzahlungen an Arbeitslosentgelten bezüglich der Firma H. und G. in Höhe von 823,08 DM, bezüglich
der Firma T. in Höhe von 240,01 DM, bezüglich der Firma IW. in Höhe von 372,12 DM, bezüglich der Firma K. in Höhe von
1.162,00 DM, bezüglich der Firma I. für den Zeitraum vom 01.08. bis zum 31.12.1995 in Höhe von 3.297,16 DM, bezüglich der Firma I. für die Zeit vom 01.04. bis zum 19.04.1996 in Höhe von 245,92 DM und bezüglich der Firma G. in Höhe von 85,00 DM.

Im Rahmen der rechtlichen Bewertung ist u.a. Folgendes ausgeführt:

„Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes hat sich der Angeklagte eines Betruges durch Unterlassen, Vergehen gemäß SS 263, 13 StGB, schuldig gemacht. Der Angeklagte hat zwar bei einem Teil der Anträge auf Arbeitslosenhilfe angegeben, dass er einer Nebenbeschäftigung nachgehe.

Er hat jedoch insoweit trotz mehrfacher Aufforderungen Nebenverdienstbescheinigungen nicht eingereicht und dennoch die ungekürzte Arbeitslosenhilfe vereinnahmt.“

„...“
„Des weiteren ist darauf hinzuweisen, dass der Angeklagte bei mehreren Fortsetzungsanträgen angegeben hat, er beziehe keinen Nebenverdienst mehr. Insoweit hat sich der Angeklagte wegen dieser wahrheitswidrigen Angaben eines Betruges schuldig gemacht.“

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er eine Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.
Die Revision ist zulässig und hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils, einer teilweisen Einstellung des Verfahrens und im Übrigen zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges, weil er Nebenverdienste, die er in der Zeit vom 01.08. bis 31.10.1996 bei der Firma G. in Höhe von 659-- DM erzielt haben soll, gegenüber dem Arbeitsamt Gelsenkirchen nicht angegeben hat, kann keinen Bestand haben. Insoweit fehlt es nämlich an der Verfahrensvoraussetzung einer hinreichend bestimmten und damit wirksamen Anklage.

Die Anklageschrift hat die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Fehlt es hieran, ist die Anklage unwirksam (vgl. BGH NJW 1994, 2556).

Im vorliegenden Verfahren wird dem Angeklagten mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Essen vom 18.08.1999 vorgeworfen, sich in der Zeit vom 01.08.1995 bis zum 31.01.1998 durch acht selbständige Handlungen des Betruges schuldig gemacht zu haben. Ihm wird zur Last gelegt, im Tatzeitraum dem Arbeitsamt Gelsenkirchen nicht mitgeteilt zu haben, dass er bei verschiedenen Taxi-Unternehmen beschäftigt war, obwohl er bei Stellung seines Antrags auf Bewilligung von Arbeitslosengeld am 17.02.1994 darüber belehrt worden sei, jede Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Arbeitsamt unverzüglich anzuzeigen. Die Anklageschrift enthält sodann eine Aufstellung der von dem Angeklagten im einzelnen erzielten Nebenverdienste. Diese Aufstellung ist inhaltlich identisch mit der oben unter I. wiedergegebenen Aufstellung des Amtsgerichtes über erzielte Nebenverdienste des Angeklagten in dem angefochtenen Urteil. Die sieben Einzelangaben in dieser Nebenverdienstaufstellung sind allerdings in der Anklageschrift mit den Ziffern 1 bis 8 durchnummeriert worden. Darauf beruht ersichtlich auch die Anklage acht selbständiger Betrugsstraftaten. Insoweit handelt es sich allerdings um ein offensichtliches Versehen, da die Durchnummerierung der einzelnen Nebenverdienstangaben unter Auslassung der Ziffer 5 erfolgt ist. Tatsächlich angeklagt sind daher sieben selbständige Taten gemäß § 263 StGB. Hinsichtlich der zur Anklage gebrachten Tat Nr. 7 (als Tat Nr. 8 in der Anklage bezeichnet) fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklage, weil sich diese Tat sowie die Tat Nr. 1 der Anklage nicht gegeneinander abgrenzen lassen. Mit der Tat Nr. 1 wird dem Angeklagten nämlich vorgeworfen, Nebenverdienste, die er in der Zeit vom 22.04. bis zum 31.12.1996 bei den Firmen H. und G. in Höhe von 3.117,90 DM erzielt hat, gegenüber dem Arbeitsamt nicht angezeigt zu haben. Die unter der Nr. 8 (richtig Tat Nr. 7) zur Anklage gebrachte Tat betrifft ebenfalls nicht angezeigte Nebenverdienste des Angeklagten bei der Firma G. und zwar während der Zeit vom 01.08. bis 31.10.1996 und damit während eines Zeitraumes, der von dem o.g. Zeitraum vom 22.04. bis 31.12.1996 bereits mitumfasst wird. Da die Anklageschrift eine weitere Konkretisierung der dem Angeklagten vorgeworfenen Taten nicht vornimmt und auch keine Zusammenfassung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen enthält, sind auch keine sonstigen Gesichtspunkte vorhanden, die die erforderliche Abgrenzung zwischen beiden Taten ermöglichen könnten. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass mit der Tat Ziffer 8 der Anklage (richtig: Ziffer 7) ein Geschehen zur Anklage gebracht worden ist, das bereits Gegenstand der Tat ist, die dem Angeklagten unter Ziffer 1 der Anklage vorgeworfen wird, insoweit also möglicherweise eine doppelte Anklage vorliegt. Dieser die Umgrenzungsfunktion der Anklage betreffende Mangel hat zur Folge, dass das Verfahren in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang wegen des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses gemäß § 206 a StPO einzustellen war.

2.
Das angefochtene Urteil kann auch keinen Bestand haben, soweit der Angeklagte wegen Betruges in sechs weiteren Fällen verurteilt worden ist.

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte sich des Betruges durch Unterlassen schuldig gemacht hat. Es hat aber gleichzeitig die Ansicht vertreten, der Angeklagte habe, soweit er in mehreren Fortsetzungsanträgen angegeben habe, dass er keinen Nebenverdienst mehr beziehe, sich wegen dieser wahrheitswidrigen Angaben des Betruges durch positives Tun schuldig gemacht. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte in seinen Anträgen vom 16.12.1995, 08.01.1997 und 18.12.1997 jeweils unter der Rubrik "Bedürftigkeitsprüfung" angegeben, dass er keine laufenden oder gelegentlichen Einnahmen habe. Ob das Amtsgericht deshalb von drei Betrugsstraftaten des Angeklagten durch positives Tun ausgegangen ist, bleibt unklar. Anzumerken ist jedenfalls, dass die Feststellungen die Annahme des Amtsgerichts, der Angeklagte habe in den o. g. Anträgen wahrheitswidrig angegeben, keine Nebenverdienste zu erzielen, nicht tragen. Zweifelhaft ist nämlich, ob der Angeklagte durch seine Angaben in der Rubrik "Bedürftigkeitsprüfung" in den von ihm ausgefüllten Antragsformularen tatsächlich Nebenverdienste im Sinne des damals geltenden § 115 AFG verneint hat. Die Bedürftigkeitsprüfung gemäß § 137 AFG betrifft die Frage, ob der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und ob das Einkommen, das nach 138 AFG zu berücksichtigen ist, die Arbeitslosenhilfe nach 136 AFG nicht erreicht. Während nach § 138 AFG für die Bedürftigkeitsprüfung Einkünfte des Leistungsempfängers grundsätzlich anzurechnen sind, bestimmt § 115 AFG für kurzzeitige Beschäftigungen, d.h. für Beschäftigungen, die auf weniger als 18 Stunden pro Woche beschränkt sind (vgl. Radüge in Gagel, AFG, § 115 Randziffer 38) als Ausnahme von der Bedürftigkeitsabhängigkeit die Nichtanrechnung eines Teiles des Erwerbseinkommens des Leistungsempfängers (vgl. Ebsen in Gagel, AFG, § 134 Randziffer 202). Auch die Funktion der in § 115 AFG bestimmten hälftigen Anrechnung von Nebeneinkommen aus kurzzeitiger Beschäftigung dient nicht der Durchsetzung des Bedürftigkeitsprinzips. Vielmehr hat der Gesetzgeber deshalb nicht vollständig auf die Anrechnung von Einkünften aus einer Nebentätigkeit, die grundsätzlich arbeitsmarktpolitisch erwünscht ist, verzichtet, da sonst unter Umständen die Aufnahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung wirtschaftlich nicht mehr interessant wäre (vgl. Radüge in Gagel, AFG, § 115 Randziffer 3 und 4). Angesichts dessen ist es nicht selbstverständlich, dass unter die Rubrik "Bedürftigkeitsprüfung" auch Nebentätigkeiten i.S.d. § 115 AFG fielen. Es hätte daher vielmehr dazu weiterer Ausführungen bedurft.

Darüber hinaus hat der Strafrichter auch nicht in nachprüfbarer Weise festgestellt, durch welche konkreten Tatsachen die weiteren Tatbestandsmerkmale des Betruges verwirklicht worden sind.

Dies gilt insbesondere auch, soweit das Amtsgericht von Betrugsstraftaten des Angeklagten durch Unterlassen ausgegangen ist.

Eine betrugsrelvante Täuschung durch Unterlassen setzt voraus, dass die Entstehung oder Verfestigung eines Irrtums trotz bestehender Garantenpflicht zur Aufklärung nicht verhindert wird (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl. § 263 Rdz. 18, 19).

Das Amtsgericht hat Täuschungshandlungen des Angeklagten in der Nichtvorlage von Nebenverdienstbescheinigungen gesehen. Zu einer Garantenstellung des Angeklagten enthält das angefochtene Urteil keinerlei Ausführungen. Nach der wohl herrschenden Meinung ergibt sich eine eine Garantenstellung begründende Aufklärungspflicht eines Empfängers von Sozialleistungen aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I (vgl. Tiedemann in L-K, StGB, 11. Aufl. § 263 Rdz. 57) . Nach dieser Vorschrift hat der Leistungsempfänger Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, dem Leistungsträger unverzüglich unaufgefordert mitzuteilen. Der Arbeitslose hat daher nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I die Aufnahme einer Nebenbeschäftigung und die Höhe des Nebeneinkommens unverzüglich anzuzeigen (vgl. Radüge in Gagel, AFG, § 115 Rdz. 125). Unterlässt der Leistungsempfänger trotz erzielter Nebeneinkünfte deren Anzeige, so kann dies bei dem zuständigen Leistungsträger zu der Fehlvorstellung führen, die für die Leistung bzw. deren Höhe maßgeblichen Tatsachen oder Verhältnisse hätten sich seit der letzten Antragstellung nicht geändert. Beweisurkunden, die sich auf leistungserhebliche Tatsachen im oben genannten Sinn beziehen - dazu zählen Nebenverdienstbescheinigungen - muss der Leistungsempfänger gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I erst auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers vorlegen. Darüber hinaus wird die Anforderung von Beweisurkunden durch die Behörde bei einer Änderung leistungserheblicher Tatsachen in der Regel erst dann erfolgen, wenn sie Kenntnis von den Änderungen erlangt hat. Als Täuschungshandlung durch Unterlassen kommt daher ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I in Betracht und nicht erst die Nichtvorlage angeforderter Nebenverdienstbescheinigungen.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte in seinem Nachfolgeantrag auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe am 08.04.1995 eine Nebenbeschäftigung als Taxifahrer seit Dezember 1994 angegeben sowie mitgeteilt, wie viel er in etwa dadurch verdient. Dem Arbeitsamt Gelsenkirchen war somit bekannt, dass der Angeklagte eine Nebenbeschäftigung ausübte. Das Arbeitsamt Gelsenkirchen hat außerdem nach den Urteilsfeststellungen den Angeklagten mehrfach und mit Schreiben vom 16.01.1997 für einen ganz bestimmten Zeitraum, nämlich für die Zeit von Mai 1996 bis November 1996 aufgefordert, Nebenverdienstbescheinigungen einzureichen, und zwar obwohl der Angeklagte erst kurze Zeit zuvor, nämlich in seinem Fortsetzungsantrag am 08.01.1997 angegeben hatte, dass er über keine laufenden oder gelegentlich wiederkehrenden Einkommen verfüge. Dieses Verhalten des Arbeitsamtes Gelsenkirchen spricht dafür, dass es von einer fortdauernden Nebenbeschäftigung des Angeklagten ausgegangen ist, so dass nur eine Täuschung des Angeklagten über die Höhe seiner Nebenverdienste durch Unterlassen entsprechender Anzeigen gegenüber dem Arbeitsamt in Betracht kommt.

Davon geht offensichtlich auch der Strafrichter aus. Denn in dem angefochtenen Urteil wird festgestellt, der Angeklagte habe die erzielten Entgelte teilweise nicht und teilweise zu gering angegeben. Anzumerken ist allerdings, dass diese Feststellung sich mit der weiteren festgestellten Tatsache, der Angeklagte habe im Tatzeitraum überhaupt keine Nebenverdienstbescheinigungen mehr eingereicht, und den Ausführungen, auch wer unvollständige Angaben über seine erzielten Nebeneinnahmen tätige, mache sich des Betruges schuldig, nicht in Einklang bringen lässt, so dass nach den Urteilsausführungen letztlich unklar bleibt, in welchem konkreten Umfang der Anklagte Angaben über seine Nebenverdienste getätigt hat.

Ein Betrug gemäß § 263 StGB setzt weiterhin einen Irrtum des Getäuschten voraus, der zu einer vermögenschädigenden Verfügung geführt hat. Zu dem Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale des Betruges enthält das angefochtene Urteil keine Ausführungen, obwohl dies erforderlich gewesen wäre. Das Vorliegen eines Irrtums ist Tatfrage. Dementsprechend muss sich der Tatrichter unter Ausschöpfung aller Beweismittel die Überzeugung davon verschaffen, dass bei dem Verfügenden ein Irrtum erregt oder unterhalten worden ist. Dabei kann zwar auf den Irrtum auch aus Indizien geschlossen werden. Auf keinen Fall kann sich der Tatrichter aber damit begnügen, den Irrtum des Verfügenden ungeprüft zu unterstellen (vgl. BGHR § 263 Abs. 1 StGB Irrtum 9 „Kassenbeamter“), wie es hier durch den Amtsrichter geschehen ist. Vielmehr hätte der Strafrichter überprüfen müssen, ob überhaupt und gegebenenfalls welche konkrete Vorstellung der zuständige Sachbearbeiter hinsichtlich der Höhe der Nebenverdienste des Angeklagten gehabt hatte. Eine bloße Unkenntnis von Tatsachen genügt für einen Irrtum i. S. d. § 263 StGB nicht. Dies gilt auch bei einer Täuschung durch Unterlassen. Es muss eine positive Fehlvorstellung des Verfügenden aufrechterhalten (vgl. Tiedemann, L-K, a.a.O., § 263 Rdz. 78) oder - was gleichzusetzen wäre - nicht verhindert werden.

Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales der Vermögensverfügung genügt nicht die Feststellung, der Angeklagte habe „ die ungekürzte Arbeitslosenhilfe vereinnahmt“. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass Nebenverdienste bis zum 31.12.1997 gemäß § 115 AFG auf den Arbeitslosenhilfeanspruch derjenigen Woche anzurechnen waren, in der die Nebenverdienste jeweils erarbeitet worden waren. Weiterhin war die Anrechnung erst zulässig, nachdem der Nebenverdienst dem Leistungsempfänger zugeflossen war und damit feststand, dass ihm dieser Betrag tatsächlich zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung gestanden hatte (vgl. Radüge in Gagel, AFG, § 115 Rdz. 84). Ab 01.01.1998 und damit nur für den Tatzeitraum Januar 1998 galt gemäß § 141 SGB III ein monatlicher Abrechnungsmodus. Eine laufende Anrechnung mit laufender Kürzung der Sozialleistungen ist auch mit Zustimmung des Arbeitslosen nicht zulässig (Radüge in Gagel, SGB III, § 141 Rdz. 70 m.w.N.). Der Leistungsempfänger wird in der Regel die Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum, in dem er Nebenverdienste erarbeitet hat, bereits ungekürzt erhalten haben. Zuviel gezahlte Beträge werden dann durch Geltendmachung eines Erstattungsanspruches nach vorheriger teilweiser Aufhebung des Bewilligungsbescheides (§§ 48 Abs. 1 S. 2 SGB X ) zurückverlangt.

Das Amtsgericht hätte daher darlegen müssen, in welchem Handeln oder Unterlassen es vermögensschädigende Verfügungen des Arbeitsamtes gesehen hat. Darüber hinaus hätte es Ausführungen dazu bedurft, dass die angenommenen Vermögensverfügungen irrtumsbedingt erfolgten, insoweit also ein Kausalzusammenhang besteht.

Weiterer Ausführungen hätte es auch zur Schadenshöhe bedurft, da gemäß § 115 Abs. 1 AFG (für den Zeitraum bis zum 31.12.1997) und gemäß § 141 Abs. 1 SGB III (für den Zeitraum ab 01.01.1998) Nebenverdienste nur teilweise und unter vorherigem Abzug von Steuern, Sozialabgaben und Werbungskosten auf die Arbeitslosenhilfe anzurechnen sind und ein Erstattungsanspruch des Leistungsträgers nur im Umfang der zulässigen Anrechnung besteht. Ob es sich bei den angegebenen Nebenverdiensten um Nettobeträge handelt, lässt das angefochtene Urteil nicht erkennen.

Darüber hinaus ist auch zu beanstanden, dass das amtsgerichtliche Urteil jegliche Angaben dazu vermissen lässt, ob und gegebenenfalls wie sich der Angeklagte zur Sache eingelassen hat.

Schließlich hätte die Bewertung des Amtsgerichts, der Angeklagte habe sich in sieben Fällen des Betruges schuldig gemacht, einer näheren Begründung bedurft.

3.
Auch der Strafausspruch hält einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand.

Der Amtsrichter hat Einzelfreiheitsstrafen von einem Monat, zwei Monaten, drei Monaten und fünf Monaten verhängt. Gemäß § 47 Abs. 1 verhängt das Gericht eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat und in der Persönlichkeit des Täters liegen, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Nach dieser Vorschrift ist eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten als Ausnahme anzusehen, die nur dann verhängt werden darf, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung auf sie nicht verzichtet werden kann (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 47 Randziffer 7). Das angefochtene Urteil enthält jedoch keinerlei Ausführungen dazu, aufgrund welcher Umstände bei dem bisher nicht vorbestraften Angeklagten die Verurteilung zu einer Geldstrafe als wirkungslos anzusehen war und deshalb auf die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe nicht verzichtet werden konnte.

Auch die Ausführungen des Amtsrichters, das Gericht setze an sich eine Freiheitsstrafe nur dann zur Bewährung aus, wenn der Angeklagte geständig sei, da das Gericht der Auffassung ist, dass nur derjenige, der das Unrecht seiner Tat einsehe, bereit sei, sich zu ändern und deshalb auch nur demjenigen eine günstige Sozialprognose gestellt werden könne, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Diese Ausführungen berücksichtigen nämlich nicht, dass ein leugnender oder ein sich im Verbotsirrtum befindlicher Angeklagter weder Reue noch Schuldeinsicht zeigen kann, noch sich um Schadensersatz oder um eine Schadenswiedergutmachung bemühen kann, ohne seine Verteidigungsposition aufzugeben. Das Fehlen von Reue oder Schuldeinsicht kann daher bei einem leugnenden oder auch schweigenden Täter nicht strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 46 Randziffer 50).

Auf die erhobene Sachrüge war daher das angefochtene Urteil, soweit das Verfahren nicht teilweise eingestellt worden ist, aufzuheben. Da es nicht ausgeschlossen erscheint, dass noch weitere Feststellungen getroffen werden können, die zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges hinsichtlich der noch verbliebenen sechs angeklagten Fälle führen können, kam ein Freispruch des Angeklagten nicht in Betracht. Vielmehr war das angefochtene Urteil, soweit das Verfahren nicht eingestellt worden ist, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer zurückzuverweisen.

Eines Eingehens auf die außerdem erhobenen Verfahrensrügen
bedurfte es nicht, da auch diese der Revision nicht zu einem weitergehenden Erfolg hätten verhelfen können.

In der erneuten Hauptverhandlung wird der Amtsrichter Gelegenheit haben, sich mit der Frage zu befassen, ob der Angeklagte Nebenverdienste von 100,- DM pro Woche und nicht pro Monat sowie in den Folgeanträgen jeweils einen fortdauernden Nebenverdienst angegeben hat. Falls dies zutrifft, wovon bei einer vorläufigen Bewertung aufgrund der in den Akten befindlichen Fotokopien eines Bewilligungsantrages vom 27.03.1995 und der Fortsetzungsanträge auszugehen ist, bedarf die Prüfung der Frage, ob und in welchem Umfang der Angeklagte über die Höhe seiner Nebenverdienste getäuscht hat, insofern einer besonders sorgfältigen Prüfung, als sich nicht für alle Nebenverdienstzeiträume, die auf Seite 5 des angefochtenen Urteils mitgeteilt werden, ein durchschnittlicher Wochennebenverdienst von mehr als 100,- DM ergibt.


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