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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss OWi 1234/00 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Begründung der Entscheidung, von einem Fahrverbot absehen zu wollen

Senat: 4

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Fahrverbot; Absehen vom Fahrverbot; Begründung der Entscheidung; Gründe für Absehen]

Normen: StVG 25; BKatV 2; StPO 267

Beschluss: Bußgeldsache gegen J.B.,
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb einer geschlossenen Ortschaft.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Münster gegen das Urteil des Amtsgerichts Borken vom 28. September 2000 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 23.01.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers gemäß § 79 Abs. 5, 6 OWiG beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Borken zurückverwiesen.

Gründe:
Durch Bußgeldbescheid des Landrats des Kreises Borken vom 31. Mai 2000 ist gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 39 km/h ein Bußgeld in Höhe von 250,- DM und mit der Bestimmung nach § 25 Abs. 2 a StVG ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats festgesetzt worden. Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Borken gegen ihn „wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 39 km/h innerhalb der geschlossenen Ortschaft - fahrlässige Ordnungswidrigkeit -“ auf eine Geldbuße in Höhe von 400,- DM erkannt. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat das Amtsgericht abgesehen. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der verkehrsrechtlich nicht vorbelastete Betroffene am 9. April 2000 um 12.17 Uhr mit dem Krad amtliches Kennzeichen XXXXXX in Reeken-Maria-Veen die K 12 in Fahrtrichtung Ortsmitte. Er überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 39 km/h.

Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde wendet sich die örtliche Staatsanwaltschaft gegen die Nichtverhängung eines Fahrverbots. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde beigetreten.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt sowie form- und fristgerecht mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet worden. Ihre Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam, weil die Feststellungen zur Tat eine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden.

Die Rechtsbeschwerde hat auch Erfolg. Die Begründung, mit der das Amtsgericht von der Verhängung eines Fahrverbots trotz Vorliegens eines Regelfalles für einen groben Verkehrsverstoß i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 5.3.3 der Tabelle 1 a des Anhangs zu Nr. 5 der Anlage abgesehen hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Damit unterliegt der Rechtsfolgenausspruch wegen der Wechselwirkung von Fahrverbot und Geldbuße insgesamt der Aufhebung.

Das Amtsgericht hat die Entscheidung, von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen, damit begründet, dass in Anbetracht der Umstände des Falles und der Örtlichkeit des Tatortes eine grobe oder beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers i.S.v. § 25 StVG, die eine Verhängung eines Fahrverbots rechtfertigen würde, nicht festgestellt werden könne.

Zu der Örtlichkeit im Bereich der vorgenommenen Messung hat das Amtsgericht festgestellt, dass es sich bei der K 12 um eine innerhalb der geschlossenen Ortschaft gelegene Straße handelt. Aus Fahrtrichtung des Betroffenen gesehen komme zunächst eine Rechtskurve, hinter der eine geradeaus verlaufende Baumallee folge. Wohnbebauung befinde sich in diesem Bereich nicht. Lediglich in Fahrtrichtung rechts befinde sich ein zurückgelegenes größeres Gebäude. Ausfahrten und Querstraßen gebe es in diesem Bereich nicht.

Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, dass er „insgesamt gemütlich gefahren sei. Er habe aus der Kurve beschleunigt und dann das Gas weggenommen. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er innerhalb der geschlossenen Ortschaft gewesen sei.“

Das Amtsgericht hat mit rechtsfehlerhafter Begründung das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG verneint und von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen. Soweit nach der Bußgeldkatalogverordnung in den Fällen von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG die Verhängung eines Fahrverbots „in der Regel“ in Betracht kommt, ist diese durch den Verordnungsgeber getroffene Regelung ebenso wie die durch die Rechtsprechung herausgearbeitete Handhabung grundgesetzkonform (vgl. BVerfG, DAR 1996, 196, 198 f.). Insoweit gilt, dass in diesen Fällen ein grober bzw. beharrlicher Pflichtverstoß indiziert ist, dessen Ahndung, abgesehen von besonderen Ausnahmefällen, der Verhängung eines Fahrverbots als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme.

Der von der Rechtsprechung herausgearbeitete Ausnahmefall, wonach bei einem nur auf einfacher Fahrlässigkeit beruhenden, wenn auch objektiv schwerwiegenden Verstoß gegen Verkehrsvorschriften (sogenanntes „Augenblicksversagen“ durch schlicht fahrlässiges Übersehen einer verkehrsbeschränkenden Beschilderung) ein grober Pflichtverstoß nicht angenommen werden kann (vgl. dazu BGH, NJW 1997, 3252, 3253), liegt nach den bisher getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht vor. Das Amtsgericht wird feststellen müssen, in welcher Weise das oder die Ortseingangsschild(er) aufgestellt waren und/oder ob es sich nach der konkreten Beschaffenheit der Örtlichkeit im Annäherungs- und Entfernungsbereich der Messstelle für den Betroffenen Anlass zur Annahme bestand, dass es sich hier um einen innerörtlichen Bereich handelte. Wenn der Betroffene das Ortseingangsschild nicht wahrgenommen haben sollte - was gewöhnlich nicht naheliegt -, hätte er schon deshalb die gebotene Aufmerksamkeit in grob pflichtwidriger Weise außer Acht gelassen und damit auch subjektiv grob pflichtwidrig gehandelt.

Eine verfahrensabschließende Entscheidung des Senats gemäß § 79 Abs. 6 OWiG war mangels ausreichender Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht möglich. Dieses war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den hierzu getroffenen Feststellungen aufzuhe-
ben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Amtsgericht Borken zurückzuverweisen. Das Amtsgericht wird auch eine Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu treffen haben, weil der Erfolg des Rechtsmittels i.S.d. § 473 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG noch nicht feststeht.


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