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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ws 35/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Voraussetzungen eines Vollstreckungsaufschubs aus gesundheitlichen Gründen

Senat: 5

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Vollstreckungsaufschub

Normen: StPO 455; StPO 458

Beschluss: Strafsache gegen K.C.,
wegen Betruges u.a., (hier: Ablehnung eines Vollstreckungsaufschubs).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 10. Januar 2001 gegen den Beschluss der XIII. Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 8. Januar 2001 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.02.2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss und die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 2. Januar 2001 werden aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer ist durch Urteil der XIII. großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Dortmund vom 12. März 1999, rechtskräftig seit demselben Tage, wegen Betruges in sieben Fällen, Untreue in zwei Fällen sowie wegen vorsätzlicher verspäteter Konkursanmeldung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.

Mit Verfügung vom 2. Dezember 1999 bewilligte die Staatsanwaltschaft Dortmund dem Verurteilten auf dessen Anfrage vom 1. Oktober 1999 gemäß § 455 Abs. 2 StPO Strafaufschub bis zum 31. Mai 2000. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 19. April 2000 beantragte der Verurteilte einen Aufschub der Strafvollstreckung über den 31. Mai 2000 hinaus mit der Begründung, er leide bereits langjährig an „schwerwiegenden klaustrophobischen Angst- und Panikstörungen“ und sei daher haftunfähig.

Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft erstattete daraufhin der Sachverständige Dr. D. unter dem 11. August 2000 ein psychiatrisches Gutachten über den Verurteilten zur Frage der Haftfähigkeit. Danach hätten sich, so der Sachverständige, in der Persönlichkeit des Verurteilten offenbar phobische und depressive Züge herausgebildet, worunter er aber unter normalen Umständen nicht besonders zu leiden habe. Der Verurteilte sperre sich innerlich massiv gegen die anstehende Strafvollstreckung. Die daraus resultierende Angstsymptomatik könne nach Auffassung des Sachverständigen im Falle der Unterbringung im offenen Vollzug jedoch mit Psychopharmaka - Antidepressiva und spezifisch angstlösenden Benzodiazepinen - erfolgversprechend behandelt werden. Vor Haftantritt könne über einen Zeitraum von 8 bis 10 Wochen die medikamentöse Einstellung durch einen Psychiater vorgenommen werden. Danach solle unmittelbar der Haftantritt im offenen Vollzug erfolgen.

Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft den Verurteilten zunächst auf den 23. Oktober 2000 und sodann auf den 6. November 2000 zum Strafantritt geladen. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 25. Oktober 2000 beantragte der Verurteilte erneut Strafaufschub gemäß § 455 Abs. 2 StPO und stellte für den Fall der Ablehnung den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 458 Abs. 2 StPO. Am 26. Oktober 2000 lehnte die Staatsanwaltschaft einen weiteren Strafaufschub ab.

Mit Beschluss vom 6. November 2000 ordnete die XIII. Strafkammer des Landgerichts Dortmund unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags Strafaufschub bis zum 15. Januar 2001 an, um dem Verurteilten, ausgehend von den gutachtlichen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. D., denen sich die Kammer uneingeschränkt anschloss, letztmalig die Gelegenheit zu der vom Sachverständigen empfohlenen Medikation zum Abbau der Angstzustände zu geben. Dieser Beschluss ist bestandskräftig.

Unter dem 27. Dezember 2000 beantragte der nicht mehr anwaltlich vertretene Verurteilte erneut Strafaufschub. Die Staatsanwaltschaft hat das Begehren durch Bescheid vom 2. Januar 2001 abgelehnt und die Akten sodann, wie vom Verurteilten beantragt, der Kammer zur Entscheidung gemäß § 458 Abs. 2 StPO vorgelegt. Diese hat mit Beschluss vom 8. Januar 2001 den Antrag des Verurteilten auf Strafaufschub zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingegangene sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 10. Januar 2001, der sich am 15. Januar 2001 zum Strafantritt im offenen Vollzug in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne gestellt hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der angefochtene Beschluss der Strafkammer sowie der diesem vorangegangene Bescheid der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 2. Januar 2001 unterliegen der Aufhebung.

Zuständig für die Entscheidung über Strafausstand gemäß § 457 StPO ist die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde, § 451 Abs. 1 StPO. Strafaufschub ist, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, teils zwingend vorgeschrieben, § 455 Abs. 1 und 2 StPO, teils in das pflichtgemäße Ermessen der Vollstreckungsbehörde gestellt, § 455 Abs. 3 StPO. Im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 458 Abs. 2 StPO kann lediglich überprüft werden, ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden ist (vgl. KG NStZ 94, 255). Die vollstreckungsbehördliche Entscheidung muss daher eine für das Gericht nachvollziehbare Abwägung aller entscheidungserheblichen Umstände beinhalten (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. Juli 1996 - 4 Ws 244/96 -). Den daraus folgenden Begründungserfordernissen wird die Verfügung der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 2. Januar 2001 nicht gerecht.

Der Verurteilte hat seinen Antrag auf Strafaufschub unter anderem ausdrücklich auf § 455 Abs. 3 StPO gestützt und mit umfänglichen Ausführungen damit begründet, neben seiner psychischen Erkrankung lägen auch physische Leiden - Beinversteifungen, Erkrankungen der Hals-, Nasen- und Ohrenbereiche, Herz- und Kreislaufbeschwerden - vor, so dass eine Strafvollstreckung „mit der Einrichtung der Strafanstalt unverträglich“ sei. Die Staatsanwaltschaft hat sich in ihrer ablehnenden Entscheidung vom 2. Januar 2001 mit diesem Vorbringen nicht befasst, sondern lediglich folgendes ausgeführt:

„Nach dem psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. med. R. D. vom 11.08.2000 ist Ihre Haftfähigkeit gegeben. Neue Tatsachen, die Ihr Krankheitsbild in einem anderen Licht erscheinen lassen, sind in Ihrem Gesuch nicht vorgebracht worden.“

Damit liegt eine gemäß § 458 Abs. 2 StPO gerichtlich überprüfbare Ermessensentscheidung der Vollstreckungsbehörde im Hinblick auf die von dem Verurteilten vorgetragenen körperlichen Gebrechen nicht vor. Wenn sich die Strafkammer im angefochtenen Beschluss gleichwohl damit befasst hat, hat sie die Grenzen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen nicht beachtet (vgl. Fischer in KK zur StPO, 4. Aufl., Rdnr. 10 u. 17 zu § 455 StPO).

Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Dortmund und der Entscheid der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 2. Januar 2001 waren daher aufzuheben.

Die Staatsanwaltschaft wird erneut über den Antrag des Verurteilten vom 27. Dezember 2000 zu befinden haben, der wegen des zwischenzeitlich erfolgten Strafantritts als Vollstreckungsunterbrechungsantrag gemäß § 455 Abs. 4 StPO auszulegen sein wird.

Der Senat hat auf der Grundlage des derzeitigen Erkenntnisstandes keine Veranlassung gesehen, eine Unterbrechung der Vollstreckung gemäß § 458 Abs. 3 S. 1 2. Halbsatz StPO anzuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 467, 473 StPO.


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