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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 65/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Die Erfolglosigkeit von in der Vergangenheit durchgeführten stationären Therapien gebietet es, einen strengen Maßstab bei der Entscheidung über eine neue Rückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG anzulegen.

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Zurückstellung der Strafvollstreckung; Therapie; Therapieabbruch, Maßstab der Entscheidung; Überprüfbarkeit der Entscheidung

Normen: BtMG 35

Beschluss: Justizverwaltungssache betreffend R.W.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, hier: Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 27. November 2000 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Bochum vom 5. September 2000 in der Form des Beschwerdebescheides des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 8. November 2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.02.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Der Geschäftswert wird auf 1.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:
Das Landgericht Bochum hat den Betroffenen am 10. Juli 1997 wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit erpresserischen Menschenraub zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass der Betroffene bereits in seiner Jugendzeit in erheblichem Umfange dem Alkohol zugesprochen hat. Etwas später begann er auch, dämpfende Medikamente im Übermaß zu sich zu nehmen. Nach einer gescheiterten Alkoholtherapie unterzog er sich im Jahre 1992 einer erneuten Therapie. Es folgten weitere Therapieversuche bezüglich seines Alkoholmissbrauchs, die jedoch sämtlich scheiterten. Im Jahre 1995 ging der Betroffene dann dazu über, Heroin zu konsumieren. Während er das Heroin zunächst rauchte, stieg er dann dazu um, das Heroin zu spritzen. Darüber hinaus nahm er täglich dämpfende Medikamente und konsumierte auch in großem Umfang Alkohol. Nach den Urteilsfeststellungen sind die dem Urteil zugrunde liegenden Taten auf diese Sucht zurückzuführen. Er stellte sich der Polizei wegen dieser Taten aus der Therapieeinrichtung in Warstein.

Zur Vollziehung der Maßregel der Unterbringung nach § 64 StGB wurde er am 9. Oktober 1997 von der Justizvollzugsanstalt
Bochum zum Landeskrankenhaus Lippstadt-Eickelborn und von dort am 10. Dezember 1997 in die Westfälische Klinik für Psychiatrie in Warstein verlegt. Während der Therapie ging er eine Partnerschaft mit einer Freundin ein, die er bereits seit längerer Zeit kannte. Als er Ende September Kenntnis davon bekam, dass sein Urlaubsstatus erheblich eingeschränkt sein würde, wurde er zunächst mit Heroin, dann auch zusätzlich mit Medikamenten und Alkohol rückfällig. Vor diesem Hintergrund entwich er am 29. September 1998 aus der Westfälischen Klinik für Psychiatrie in Warstein. Am 5. Oktober 1998 stellte er sich freiwillig. Zur Finanzierung des Drogenkonsums hatte er alle Güter verkauft. Weitere Entweichungen erfolgten am 4. Dezember 1998 und am 17. Januar 1999. Nach der letzten Entweichung stellte er sich am 12. Oktober 1999 freiwillig. In einer mündlichen Anhörung am 15. November 1999 räumte er ein, während der letzten Entweichung erneut rückfällig geworden zu sein. Am 17. November 1999 ist der Betroffene in die Westfälische Klinik Schloß Haldem verlegt worden. Unter dem 29. Mai 2000 beantragte die Westfälische Klinik Schloß Haldem die Aufhebung der Unterbringung, da der Zweck der Unterbringung aus Gründen, die in der Person des Betroffenen lägen, nicht mehr erreicht werden könne. Der Betroffene verweigere das Therapieangebot der Klinik. Er sei lediglich an einer Paartherapie mit seiner Partnerin interessiert. Mit Beschluss vom 3. August 2000 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld angeordnet, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen sei. Eine Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe wurde abgelehnt.

Unter dem 4. Juli 2000 hat der Betroffene beantragt, die Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Bochum gemäß § 35 BtMG zurückzustellen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Beendigung der Vollstreckung der Maßregel gemäß § 64 StGB stehe nicht entgegen, da auch die Westfälische Klinik Schloß Haldem dem Betroffenen nicht grundsätzlich seine Therapiefähigkeit und -bereitschaft abspreche. Aus fachlichen Gründen sei es auch wünschenswert, die Partnerin des Betroffenen in die Behandlung im Sinne einer sogenannten Paartherapie einzubeziehen. Mit dem Therapiezentrum „Vorhalle“ in Hagen habe er auch während seiner Entweichung in der Zeit vom 17. Januar 1999 bis zum 12. Oktober 1999 Kontakt gehabt.

Mit Beschluss vom 24. August 2000 hat das Landgericht Bochum die Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG nicht erteilt. Zur Begründung ist ausgeführt, der Verurteilte sei zunächst aus der Therapieeinrichtung in Warstein entwichen, die weitere Behandlung in der Westfälischen Klinik Schloß Haldem habe mangels Therapiebereitschaft beendet werden müssen. Vor diesem Hintergrund könne die Kammer einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nicht zustimmen, und zwar auch unter Berücksichtigung des nachvollziehbaren Interesses des Verurteilten, mit seiner Ehefrau zusammen eine Therapie absolvieren zu wollen. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat daraufhin am 5. September 2000 den Antrag auf Zurückstellung abgelehnt. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat der Generalstaatsanwalt in Hamm am 8. November 2000 zurückgewiesen. In diesem Bescheid heißt es:

„Der Verweigerung der Zustimmung durch das Landgericht Bochum liegt die - zumindest vertretbare - Einschätzung zugrunde, im Hinblick auf den bisher gezeigten Behandlungsverlauf im Maßregelvollzug sei eine erneute stationäre Therapie in einer freien Einrichtung aufgrund der Persönlichkeit Ihres Mandanten entweder von vornherein aussichtslos oder aber es seien begründete Zweifel an seiner Therapiewilligkeit zu erheben.

Zwar wird nicht verkannt, dass § 35 BtMG an die für eine Zurückstellung erforderliche Therapiewilligkeit und Therapiefähigkeit keine übermäßigen Anforderungen stellt.
Grundsätzlich wird lediglich die Bereitschaft zum Antritt und Durchstehen einer Therapie zu verlangen sein; es muss kein besonderes Durchhaltevermögen unter Beweis gestellt und keine Erfolgsprognose gerechtfertigt sein. Die Zurückstellungslösung soll nämlich nicht nur Musterpatienten, sondern auch Risikopatienten in die Therapie führen und - im Gegensatz zur Strafaussetzung zur Bewährung - gerade bei schlechter Prognose Therapiemöglichkeiten eröffnen. Hierbei ist anerkanntermaßen ein gewisses Maß an Risiko in Kauf zu nehmen.

Andererseits darf aber nicht verkannt werden, dass Ihr Mandant wiederholt aus dem Behandlungsvollzug entwichen und im Hinblick auf seinen Abusus rückfällig geworden ist. Sein bisheriges Verhalten und seine Stellungnahmen gegenüber den Strafvollstreckungskammern bei den Landgerichten Arnsberg und Bielefeld rechtfertigen auch nach meiner Auffassung durchaus die Einschätzung, die nunmehr von ihm angestrebte Behandlung sei ebenfalls aussichtslos und diene nicht der Rehabilitation bzw. die Therapie werde möglicherweise lediglich als angenehme Alternative zum Strafvollzug erstrebt.

Wenn die Staatsanwaltschaft Bochum sich vorliegend der Auffassung des Landgerichts Bochum angeschlossen hat, halte ich eine solche Entscheidung für vertretbar; sie hält die Grenzen des der Staatsanwaltschaft zustehenden Beurteilungsspielraums ein.

Nach alledem vermag ich Ihren Einwendungen nicht zu entsprechen und weise sie als unbegründet zurück.“

Gegen diesen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft richtet sich der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG.

Dieser Antrag ist nicht begründet. Die Verweigerung der Zustimmung durch das Landgericht und die Ablehnung der Zurückstellung der weiteren Strafvollstreckung durch die Staatsanwaltschaft sind nicht zu beanstanden.

Die angefochtenen staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen sind für den Senat nur eingeschränkt nachprüfbar. Denn bei der Frage, ob einem Verurteilten Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zum Zwecke einer stationären Entzugstherapie zu bewilligen ist, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Eine solche Ermessensentscheidung ist gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG rechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die Staatsanwaltschaft die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder ob von dem Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist und ob die Vollstreckungsbehörde den Sachverhalt in dem gebotenen Umfang unter Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat (OLG Hamm NStZ 1982, 483, 484; NStZ 1983, 287; OLG Hamm, Beschluss vom 1. Dezember 1998 - 1 VAs 75/98 -).

Derartige Rechtsfehler liegen hier nicht vor.

Zwar darf nicht übersehen werden, dass ein Therapieabbruch nicht immer Ausdruck von Therapieresistenz, sondern häufig nur Symptom der Sucht ist. Eine Zurückstellung der Strafvollstreckung darf nicht an Verhaltensweisen scheitern, die als Krankheitssymptome der Sucht anzusehen sind und durch die Therapie erst behoben werden sollen. Der Weg aus der Sucht verläuft niemals geradlinig nach einem festen Therapieplan, sondern ist ein langes prozesshaftes Geschehen, in dem es darum geht, Rückfälle therapeutisch zu verarbeiten, drogenfreie Intervalle zu vergrößern und Erfolge in kleinen Schritten anzustreben (vgl. Körner, NStZ 1998, 227, 232). Dies hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Entscheidung indes berücksichtigt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat aber in dem Verhalten des Verurteilten während des Maßregelvollzuges eine beträchtliche Labilität gesehen. Sie hat daraus den Schluss gezogen, die vom Betroffenen geäußerte neuerliche Therapiebereitschaft reiche nicht aus, einem erneuten Therapieversuch Erfolgsaussicht beizumessen.

Diesen Erwägungen tritt der Senat uneingeschränkt bei. Die Erfolglosigkeit von in der Vergangenheit durchgeführten stationären Therapien gebietet es, einen strengen Maßstab bei der Entscheidung über eine neue Rückstellung der Strafvollstreckung anzulegen (OLG Hamm, Beschluss vom 8. August 1996 - 1 VAs
41/96 -). Die Entweichungen während des Maßregelvollzuges, die zum Teil begleitet waren von Rückfällen, haben gezeigt, dass der Betroffene nicht über das genügende Durchhaltevermögen verfügt, ein Leben ohne Drogen zu führen. Die Tatsache, dass er nach der letzten Entweichung am Therapieangebot der Klinik nicht mehr teilgenommen hat, deutet auf mangelndes Interesse an einer Therapie hin, das einer erneuten Zurückstellung entgegen steht. Auch wenn der Betroffene beteuert, er sei nur an der Therapie in der Klinik Schloß Haldem nicht interessiert gewesen, sondern strebe eine Partnerschaftstherapie in der Therapieeinrichtung in Hagen an, so vermag dies die Zweifel an einer ernsthaften Therapiebereitschaft des Betroffenen nicht auszuräumen. Hätte der Betroffene ein ernsthaftes Interesse, von seiner Drogensucht loszukommen, so hätte er zunächst einmal das Therapieangebot in der Klinik Schloß Haldem akzeptiert. Bei der gezeigten Anspruchshaltung des Betroffenen besteht die Gefahr, dass es auch in der Partnerschaftstherapie zum Abbruch der Therapie kommt, sobald diese den Vorstellungen des Betroffenen zuwider läuft. Nach alledem ist es nicht zu beanstanden, dass die Generalstaatsanwaltschaft aus der Tatsache, dass der Betroffene mehrfach die Behandlung abgebrochen und aus dem Maßregelvollzug entwichen ist, auf einen mangelnden Therapiewillen geschlossen hat.

Demnach war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu verwerfen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 30 Abs. 2 EGGVG, 30, 130 KostO.


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