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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws (L) 2/2001 OLG Hamm

Leitsatz: Zur nachträglichen Festsetzung der besonderen Schwere der Schuld

Senat: 1

Gegenstand: Strafvollstreckungssache

Stichworte: besondere Schwere der Schuld, Vollstreckungsdauer, Reststrafe, Anforderungen an Begründung der Entscheidung; Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer

Normen: StGB 57 a, StGB 57 b, StPO 462

Beschluss: Strafvollstreckungssache

gegen U.B.,
wegen Mordes u.a., hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten wegen die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 29.12.2000 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal vom 19.12.2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.03.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht beschlossen:

Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert.

Die aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld gebotene Vollstreckungsdauer wird auf 22 Jahre festgesetzt.

Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahren. Die Gebühr wird um 1/3 ermäßigt. 1/3 der notwendigen Auslagen des Verurteilten im Beschwerdeverfahren trägt die Landeskasse.

Gründe:
Der Verurteilte verbüßt derzeit eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes, versuchten Mordes und versuchter schwerer räuberischer Erpressung. Das Urteil ist seit dem 14.09.1988 rechtskräftig. Seit seiner Festnahme am 23.06.1986 befindet sich der Verurteilte ununterbrochen in Haft. Die Untersuchungshaft in dieser Sache wurde zur Verbüßung einer anderen Freiheitsstrafe vom 23.12.1986 bis 22.12.1987 unterbrochen. Fünfzehn Jahre der lebenslänglichen Freiheitsstrafe wird der Verurteilte deshalb am 21.06.02 verbüßt haben.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld hat mit der angefochtenen Entscheidung die aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld gebotene Vollstreckungsdauer auf 26 Jahre festgesetzt. Hierbei hat sie das vom Schwurgericht festgestellte Tatgeschehen zugrunde gelegt. Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die Wiedergabe des Geschehens im angefochtenen Beschluss (Seite 3 letzter Absatz unten bis Seite 8 zweiter Absatz oben) verwiesen. Bei der Bemessung der Schwere der Schuld und der noch gebotenen Vollstreckungsdauer hat die Kammer berücksichtigt, dass der Verurteilte sowohl einen vollendeten als auch einen versuchten Mord begangen habe, der Mordversuch unter großer Hartnäckigkeit mit einem Wechsel des Tatwerkzeuges geschehen sei, dass überlebende Opfer schwer verletzt worden sei und ein Auge verloren habe. Ferner habe der Verurteilte tateinheitlich zu diesen Taten den Versuch einer schweren räuberischen Erpressung begangen. Schulderschwerend wurden ferner die erheblichen Vorstrafen des Verurteilten sowie die Tatsache berücksichtigt, dass er zur Tatzeit wegen einer weiteren Verurteilung unter Bewährung gestanden habe. Diese Umständen ließen nach Ansicht der Kammer eine Mindestverbüßungsdauer im Bereich von 30 Jahren als erforderlich erscheinen. Unter der Berücksichtigung des vollstreckungsrechtlichen Werdeganges hat die Kammer sodann eine Mindestverbüßungsdauer von 26 Jahren festgesetzt.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde. Er macht geltend, die Strafvollstreckungskammer Wuppertal sei für die Entscheidung nicht zuständig gewesen, da er zum Zeitpunkt, als die Staatsanwaltschaft Bielefeld die Entscheidung über die weitere Vollstreckungsdauer beantragte, sich in der JVA Bochum befunden habe. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Bielefeld sei daher auch - zurecht - an die Strafvollstreckungskammer des Landgericht Bochum gerichtet gewesen. Zwischen dieser und der Staatsanwaltschaft sei zudem abgesprochen gewesen, dass auf seinen Antrag hin die Entscheidung um ein Jahr zurückgestellt werden sollte. Ferner wendet er sich in der Sache gegen die Festsetzung der weiteren Vollstreckungsdauer. Er ist der Ansicht, die Strafvollstreckungskammer habe die Feststellungen des Schwurgerichts nur einseitig zu seinem Nachteil gewürdigt. Auch sei sein Werdegang im Vollzug nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Die sofortige Beschwerde hatte teilweise Erfolg. Sie führt zu der Festsetzung der durch die Schwere der Schuld gebotenen Vollstreckungsdauer auf 22 Jahre.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal war für die Entscheidung örtlich zuständig. Ihr wurde am 11.07.2000 die von der Staatsanwaltschaft Bielefeld angeforderte Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt Geldern für die Entscheidung gemäß § 57 a StGB zugeleitet. Sie wurde damit gemäß § 462 StPO mit dieser Sache befasst. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Verurteilte in der im Landgerichtsbezirk des Landgerichts Wuppertal belegenden JVA Remscheid. Nach Eingang der Stellungnahme leitete die Strafvollstreckungskammer von Amts wegen ein entsprechendes Verfahren ein. Der Berichterstatter forderte mit Verfügung vom 12.07.2000 von der JVA Remscheid die Übersendung eine Haftübersicht. Eines Antrages der Staatsanwaltschaft Bielefeld bedurfte es zur Einleitung des Verfahrens nicht. Vielmehr ist über die Frage der Schuldschwere und der Mindestverbüßungsdauer in angemessener Zeit vor Ablauf der 15 Jahresfrist des § 57 a StGB von Amts wegen zu entscheiden, falls die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben sind, was die Strafvollstreckungskammer zu prüfen hat.

Darüber hinaus wäre die Entscheidung selbst dann nicht aufzuheben gewesen, wenn das Landgericht Wuppertal unzuständig gewesen wäre. Da der Senat für die Entscheidung in dem Verfahren nach § 57 a StGB für ganz Nordrhein-Westfalen zuständig ist, liegen somit sowohl das Landgericht Wuppertal als das Landgericht Duisburg im Bezirk des Beschwerdegerichts. In einem solchen Fall kann das Beschwerdegericht in der Sache entscheiden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 309 Rn. 6 m.w.N.).

Fraglich allerdings ist, ob das Landgericht Wuppertal in der Sache hätte entscheiden dürfen. Denn es hat die gemäß § 57 a Abs. 1 Ziffer 3, § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderliche Einwilligung des Verurteilten nicht eingeholt. Ob in einem solchen Fall überhaupt eine isolierte Entscheidung über die Schwere der Schuld und die Festsetzung der notwendigen Vollstreckungsdauer ergehen kann, ist zweifelhaft (für die Unzulässigkeit einer solchen Entscheidung OLG Celle NStZ 98, 248; Tröndle-Fischer, StGB, 50. Aufl., § 57 a Rn. 16). Der Senat braucht anlässlich dieses Falles diese Frage jedoch nicht zu entscheiden. Denn der Verurteilte hat auf Anfrage des Senats durch seine Verteidigerin zwischenzeitlich die Einwilligung erteilt. Dies ist auch noch im Beschwerdeverfahren zulässig (vgl. Tröndle-Fischer, § 57 Rn. 19 m.w.N.).

Die von der Strafvollstreckungskammer herangezogenen Kriterien zur Feststellung der besonderen Schwere der Schuld sind nicht zu beanstanden. Zurecht wurde berücksichtigt, dass der Verurteilte auch bei der als Mordversuch gewürdigten Tat mit erheblicher Intensität vorgegangen ist. Er hat insgesamt dreimal den Revolver neu gespannt, nachdem sich ein Schuss nicht gelöst hatte. Als er sich hiervon keinen weiteren Erfolg versprach, hat er sodann mit dem Griff des Revolvers auf den Kopf des Opfer eingeschlagen. Insoweit liegt zwar kein Wechsel des Tatmittels vor, jedoch setzte er das gleiche Tatmittel in anderer Art und Weise ein. Die Schläge führte er mit so erheblicher Energie, dass die Griffschalen des Revolver absprangen und es zu erheblichen Schädelverletzungen beim Opfer kam. Dieses verlor zudem ein Auge und wurde so für sein weiteres Leben erheblich beeinträchtigt. Ferner musste berücksichtigt werden, dass neben den verwirklichten Kapitaldelikten der Verurteilte tatmehrheitlich (nicht wie die Vollstreckungskammer angenommen hat tateinheitlich) eine versuchte schwere räuberische Erpressung begangen hat.

Auch konnten im konkreten Fall die Vorstrafen des Verurteilten Berücksichtigung finden. Insoweit folgt der Senat zwar nicht den rechtlichen Ausführungen der Strafvollstreckungskammer zu der Frage, wann und in welchem Umfange im Rahmen des § 57 a StGB auch Vorstrafen berücksichtigt werden können. Auf diese Frage kam es für die vorliegende Entscheidung nicht an. Denn vorliegend handelt es sich um eine Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld im Rahmen der §§ 57 a, 57 b StGB. Denn es ist auf eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt worden. Ausweislich des Urteils wurden gegen den Angeklagten neben der lebenslangen Freiheitsstrafe für den vollendeten Mord eine solche von 12 Jahren für den versuchten Mord und von 6 Jahren für die versuchte schwere räuberische Erpressung verhängt. Aus diesen Strafen wurde sodann eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Da das Schwurgericht im Rahmen der Festsetzung der Einzelstrafen für die versuchten Delikte - notwendige - Erwägungen zum Schuldumfang angestellt und dabei auch die Vorstrafen mit einbezogen hat, kann nunmehr der Senat auch auf diese Erwägungen zurückgreifen. Dabei musste besonders schulderhöhend die Feststellung des Schwurgerichts berücksichtigt werden, dass der Angeklagte damals endgültig die "Laufbahn eines Verbrechers" einschlagen wollte und beabsichtigt habe, dass "große Ding" zu drehen. Die Taten waren somit Ausdruck einer rechtsfeindlichen Gesinnung. Die dissoziale Persönlichkeit des Angeklagten trat in ihnen deutlich zu Tage.

Bei der vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung konnte jedoch zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass er sich im Vollzugsverlauf nach anfänglichen Schwierigkeiten gefangen hat. Er hat an sich gearbeitet und sich beruflich weitergebildet. So hat er am 26.05.2000 seine Facharbeiterprüfung zum Holzmechaniker bestanden. Dies zeigt, dass er nunmehr von dem zum Zeitpunkt der Tat bestehenden Vorstellung, ein Leben als Verbrecher führen zu wollen, abgewandt hat.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die von der Strafvollstreckungskammer festgesetzte Vollstreckungsdauer - auch im Vergleich zu anderen ähnlich gelagerten Fällen - zu hoch bemessen. Der Senat hält vielmehr eine solche von 22 Jahren für Schuld angemessen. Hierauf hat er erkannt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1, Abs. 4 StPO.


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