Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 998/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Voraussetzungen für die Annahme eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (abstrakte Gefährdung ausreichend).

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: qualifizierter Rotlichtverstoß; Mitzieheffekt; Gefährdung des Querverkehrs

Normen: StVO 37; BKatV 2

Beschluss: Bußgeldsache gegen K.W.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 29. Mai 2000 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 06.03.2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin (§ 80 a Abs. 2 Nr. 2 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht Gelsenkirchen hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 750,- DM verurteilt. Nach den zugrunde liegenden Feststellungen hielt der Betroffene am 27.12.1999 gegen 23.07 Uhr in Gelsenkirchen mit dem von ihm geführten PKW VW Golf an der Kreuzung Hans-Böckler-Allee/Fürstinnenstraße an, da die dort befindliche Lichtzeichenanlage Rotlicht anzeigte. Nachdem der Betroffene mindestens fünf Sekunden vor dieser Ampel gestanden hatte, überfuhr er die Haltelinie bei Rotlicht und setzte seine Fahrt in nördlicher Fahrtrichtung fort. Beim Überqueren der Kreuzung ist es zu keiner Gefährdung gekommen, da im Querverkehr zur Zeit keine Fahrzeuge fuhren. Die Einlassung des Betroffenen, er habe seinen PKW anrollen lassen, dann aber an der Haltelinie noch einmal angehalten und die Haltelinie schließlich bei Grünlicht überquert, hat das Amtsgericht durch die glaubhaften Zeugenaussagen der Polizeibeamten S. und K. als widerlegt angesehen.

Die Amtsrichterin hat den Betroffenen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nach §§ 37 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO für schuldig befunden und gegen den Betroffenen die dafür nach der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehene Regelgeldbuße in Höhe von 250,- DM verhängt. Von der Anordnung eines Fahrverbotes hat die Amtsrichterin mit Rücksicht auf die berufliche Tätigkeit des Betroffenen - er hat im Außendienst täglich wechselnde Baustellen abzufahren - abgesehen und stattdessen gemäß § 2 Abs. 4 der Bußgeldkatalogverordnung die verhängte Geldbuße auf 750,- DM erhöht. Zur Begründung ist in dem angefochtenen Urteil dazu ausgeführt, soweit der Betroffene vortrage, er habe sich vertan und gedacht, für ihn zeige die Lichtzeichenanlage Grünlicht, könne ihn das nicht entlasten. Er müsse als Kraftfahrer im Straßenverkehr vor Überfahren einer Haltelinie an einer Ampelanlage stets sicherstellen, dass das Lichtzeichen für ihn Grünlicht anzeige. Dies gelte umso mehr, wenn er bewusst bei Rot anfahre, um die verbleibenden Meter bis zur Haltelinie zurückzulegen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er eine Herabsetzung der Geldbuße auf 100,- DM beantragt und eine Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.
Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das Amtsgericht ist vorliegend zu Recht von einem sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoß i.S.v. Nr. 34.2 BKatV, für den die Bußgeldkatalogverordnung als Regelsanktionen eine Geldbuße in Höhe von 250,- DM und die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes vorsieht, ausgegangen.

Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Ansicht ist von einem qualifizierten Rotlichtverstoß gemäß 34.2 BKatV grundsätzlich auch dann auszugehen, wenn ein Fahrzeugführer vor einer Rotlicht zeigenden Ampel zunächst anhält und trotz Fortdauer des Rotlichts in die Kreuzung einfährt (vgl. Senatsbeschluss vom 14.11.1996, veröffentlicht in NJW 1997, 2125 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 10.04.1997 - 3 Ss OWi 267/97). In der Begründung des Bundesrates zur 12. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 15.10.1991 (VkBl. 1991, 702 704) wird zur Nr. 34.2 BKatV ausgeführt:

"Das Rotlicht von Lichtzeichenanlagen wird von einer nicht unerheblichen Zahl von Fahrzeugführern - häufig im Zusammenhang mit überhöhter Geschwindigkeit - missachtet. Diese Art der Vorrangverletzung im Straßenverkehr ist u.a. deshalb besonders gefährlich, weil andere Verkehrsteilnehmer, und zwar insbesondere Kinder sowie Fußgänger und Radfahrer, in verstärktem Maße auf das Grünlicht für den Querverkehr vertrauen. Die Nichtbeachtung von Regelungen durch Lichtzeichen bildet eine bedeutende Unfallursache. Die eintretenden Folgen sind oft gravierend. Es ist deshalb geboten, besonders schwerwiegende Rotlichtverstöße schärfer zu ahnden, als beispielsweise einfache Vorfahrtsverletzungen, insbesondere ist bei grobem Fehlverhalten die Verhängung eines Fahrverbots erforderlich. ... Eine abstrakte Gefährdung ist zu unterstellen, wenn ein Wechsellichtzeichen missachtet wird, obwohl die Rotphase bereits länger als eine Sekunde andauert (Nr. 34.2). Der Querverkehr (insbesondere auch Fußgänger) kann sich nach dieser Zeit bereits im Bereich der durch Rotlicht gesperrten Fahrbahn befinden."

Aus dieser Begründung lässt sich entnehmen, dass der Grund für die in Nr. 34.2 BKatV vorgesehene erhöhte Ahndung des Rotlichtverstoßes bei einer länger als eine Sekunde dauernden Rotphase des Wechsellichtzeichens in der ab diesem Zeitpunkt eintretenden abstrakten Gefährdung des Querverkehrs liegt. Eine abstrakte Gefährdung des Querverkehrs ist aber nicht nur bei Rotlichtverstößen eine Sekunde nach Beginn der Rotlichtphase gegeben, sondern sie besteht gleichermaßen, wenn ein Kraftfahrer in einem späteren Stadium der Rotlichtphase in den Kreuzungsbereich einfährt, nachdem er zuvor vor der Lichtzeichenanlage angehalten hatte (vgl. Senat, NJW 1997, 2125; ebenso OLG Düsseldorf, NZV 1996, 117). Auch der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 24.06.1999 (NJW 1999, 2978), bei dem die Fallgestaltung gegeben war, dass ein Kraftfahrer, der zunächst bei Grünlicht der für ihn maßgeblichen Lichtzeichenanlage die Haltelinie überfahren hatte, aber aufgrund hohen Verkehrsaufkommens in Höhe der Lichtzeichenanlage zum Stehen gekommen war, 58 Sekunden nach Umschalten der Lichtzeichenanlage auf Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren war, ohne das Rotlicht wahrgenommen zu haben, bei der Prüfung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes gemäß der Nr. 34.2 BKatV maßgebend auf deren Schutzzweck abgestellt. Unter Bezugnahme auf die bereits oben zitierte Begründung des Bundesrates hat der Bundesgerichtshof - in Übereinstimmung mit der Auffassung des Senates - ausgeführt, dass Nr. 34.2 BKatV der bei einer Rotlichtdauer von mehr als einer Sekunde erhöhten abstrakten Gefährdung der auf das Grünlicht in den Querverkehr vertrauenden Verkehrsteilnehmer Rechnung tragen wolle, und hat eine solche erhöhte abstrakte Gefährdung auch dann als gegeben angesehen, wenn ein Verkehrsteilnehmer in einen Kreuzungsbereich einfährt, obwohl die für seine Fahrtrichtung maßgebliche Lichtzeichenanlage für ihn bereits erkennbar 58 Sekunden Rot zeigt.

Der Betroffene kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ihm sei jedenfalls kein grober oder beharrlicher Pflichtenverstoß i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG zur Last zu legen, so dass für die Verhängung eines Fahrverbotes kein Raum gewesen sei und infolgedessen die anstelle der Anordnung des Fahrverbotes vorgenommene Erhöhung der Geldbuße rechtsfehlerhaft gewesen sei. Entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers ergibt sich nämlich aus den amtsgerichtlichen Feststellungen nicht, dass der Betroffene unter dem sogenannten "Mitzieheffekt" vergleichbaren Umständen in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, nachdem er zunächst vor der Rotlicht anzeigenden Lichtzeichenanlage angehalten hatte. Denn aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich kein Wahrnehmungsfehler des Betroffenen. Vielmehr ist dieser bewusst bei Rotlicht mit seinem Fahrzeug bis zur Haltelinie vorgefahren und anschließend in den Kreuzungsbereich eingefahren, ohne sich zu vergewissern, ob die Lichtzeichenanlage tatsächlich inzwischen Grünlicht anzeigte, wovon der Betroffene offensichtlich ausgegangen ist. Ein Wahrnehmungsfehler, nämlich dass der Betroffene sich an einer anderen, für ihn nicht geltenden Lichtzeichenanlage orientiert hat oder aber sich von einem anderen Kraftfahrer, der ebenfalls in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, hat "mitziehen lassen", ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen dagegen nicht. Abgesehen davon hat der Senat bereits wiederholt entschieden, dass ein grober Pflichtenverstoß i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG in den Fällen, in denen der Betroffene aufgrund eines Wahrnehmungsfehlers die für ihn geltende Lichtzeichenanlage gänzlich unbeachtet lässt und sich an einer anderen, für ihn nicht geltenden Lichtzeichenanlage orientiert, dann nicht vorliegt, wenn eine Gefährdung des Querverkehrs ausgeschlossen werden kann, etwa, weil dieser bereits durch Rotlicht gesperrt war und auch nicht mit Nachzüglern zu rechnen war (vgl. Senatsbeschluss vom 10.04.1997 - 3 Ss OWi 267/97 - m.w.N.). Diese Voraussetzungen waren hier aber nach den Urteilsfeststellungen nicht gegeben. Vielmehr war es im vorliegenden Fall nur deshalb nicht zu einer Gefährdung des Querverkehrs gekommen, weil zufällig zu diesem Zeitpunkt, als der Betroffene die Kreuzung überquerte, kein weiterer Verkehr in diesem Bereich herrschte.

Da der Angeklagte beim Einfahren in den Kreuzungsbereich die für ihn maßgebliche Lichtzeichenanlage nicht mehr beachtet hat, sondern sich auf seine persönliche Einschätzung verlassen hat, ist das ihm vorzuwerfende Verhalten auch nicht vergleichbar mit dem Verhalten derjenigen Kraftfahrer, bei denen es infolge eines Wahrnehmungsfehlers zu einem Rotlichtverstoß kommt.

Im Ergebnis ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht gegen den Betroffenen die für einen qualifizierten Rotlichtverstoß nach Nr. 34.2 BKatV vorgesehene Regelgeldbuße von 250,- DM verhängt hat. Auch die weitere Entscheidung des Amtsgerichts, gemäß § 2 Abs. 4 BKatV ausnahmsweise von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen und stattdessen die Regelgeldbuße angemessen zu erhöhen, lässt Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen nicht erkennen. Dies gilt angesichts der nicht unerheblichen wirtschaftlichen und beruflichen Nachteile, die der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen im Falle der Verhängung eines Fahrverbotes hätte hinnehmen müssen, auch hinsichtlich der vorgenommenen Erhöhung der Geldbuße auf 750,- DM.

Die Rechtsbeschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen.

Die Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".