Aktenzeichen: 1 Ws (L) 1/01 OLG Hamm
Leitsatz: Auch in Strafvollstreckungsverfahren ist davon auszugehen, dass das Beschwerdeverfahren und das Verfahren, in dem die angefochtenen Entscheidung ergangen ist, gebührenrechtlich eine Instanz bilden.
Senat: 1
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Strafverfahren, gesetzliche Gebühren des Pflichtverteidigers, Beschwerdeverfahren, Strafvollstreckungsverfahren
Normen: BRAGO 91
Beschluss: In der Strafsache gegen H. Sch.,
Verteidiger:
wegen Mordes, (hier: Beschwerde des Pflichtverteidigers gegen die Entscheidung für die Festsetzung der Pflichtverteidigergebühr).
Auf die Beschwerde des Pflichtverteidigers vom 7. Juli 2000 gegen den Beschluss der 15. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 16.06.2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.04.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 beschlossen:
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 98 Abs. 4 BRAGO.
Gründe:
Rechtsanwalt W. ist dem Verurteilten zunächst am 17.09.1998 zum Pflichtverteidiger im Strafvollstreckungsverfahren StVK S 1646/98 bestellt worden. Er hat ihn in diesem und in dem folgenden Strafvollstreckungsverfahren StVK S 284/2000 insgesamt dreimal vor der Strafvollstreckungskammer und zweimal im Beschwerdeverfahren vor dem Senat vertreten. Mit Schreiben vom 25.04.2000 hatte er die Festsetzung seiner Vergütung in Höhe von 1.217,65 DM beantragt. Durch Beschluss vom 03.05.2000 hat die Urkundsbeamtin die Vergütung auf lediglich 892,85 DM festgesetzt. Dabei hat sie die geltend gemachten zwei Gebühren in Höhe von je 120,00 DM sowie zwei Auslagenpauschalen von je 30,00 DM und die anteilige Mehrwertsteuer für die Vertretung in den beiden Beschwerdeverfahren abgesetzt. Hiergegen hat der Pflichtverteidiger mit Schreiben vom 09.05.2000 Erinnerung eingelegt. Diese hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Pflichtverteidiger mit seiner Beschwerde.
Die Beschwerde ist gemäß § 98 Abs. 3 BRAGO i.V.m. § 304 ff StPO zulässig.
Der Senat hatte auch in der Sache zu entscheiden. Zwar hat entgegen § 98 Abs. 2 BRAGO über die Erinnerung nicht die Vorsitz-
ende des Gerichts, sondern die gesamte Kammer entschieden.
Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Senat die angefochtene Entscheidung lediglich aufheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurück zu verweisen hatte. Vielmehr ist er zu einer Sachentscheidung verpflichtet (vgl. Kleinknecht/ Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 309 Rn. 6).
In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der Leiter des Dezernats 10 hat zu ihr folgendermaßen Stellung genommen:
"In der Rechtsprechung und Schrifttum wird einhellig die Auffassung vertreten, dass für eine Verteidigertätigkeit im Strafvollstreckungsverfahren die Gebühren aus § 91 BRAGO zu entnehmen sind (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.04.1998 - 1 Ws 45/98 -; Beschluss des hiesigen 2. Strafsenats vom 31.1.1992 - 2 Ws 466/91 - m.w.N., vom 11.03.1988 - 2 (s) Sbd. 1 - 122/87 -, vom 21.09.1990 - 2 (s) Sbd. 3 - 108/90 -, vom 12.02.1991 - 2 (s) Sbd. 3 - 218/90 -, vom 22.09.1994 - 2 (s) Sbd. 4 - 112/94 -, vom 29.02.1996 - 2 (s) Sbd. 4 - 24/96 - und vom 20.06.1996 - 2 (s) Sbd. 4 - 90/96 -, veröffentlicht in JurBüro 1996, 641; Beschluss des hiesigen 4. Strafsenats vom 05.03.1997 - 4 Ws 62/97 -; OLG Düsseldorf, JurBüro 1986, 869; Hansens, a.a.O., § 91 RdNr. 3; Gerold/Schmidt-Madert, a.a.O., § 91 RdNr. 7).
§ 91 Nr. 2 BRAGO stellt allgemein auf Beistandsleistungen für einen Beschuldigten bei einer richterlichen Vernehmung ab und ist daher auch im vorliegenden Fall anwendbar.
Der Gebührenanspruch gegen die Landeskasse beträgt gemäß §§ 97 Abs. 1 S. 1, 91 Nr. 2 BRAGO 200,00 DM.
Gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 12.11.1998 (Bd. II Bl. 304 ff.) hat der Verteidiger für seinen Mandanten am 04.12.1998 sofortige Beschwerde eingelegt (Bd. II Bl. 316), auf die der erkennende Senat am 05.01.1999 den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen hat (Bd. II Bl. 322 f.).
In Übereinstimmung mit der Urkundsbeamtin und der Strafkammer des Landgerichts bin ich der Ansicht, dass neben der o. g. Gebühr gemäß §§ 97 Abs. 1 S. 1, 91 Nr. 2 BRAGO für das Beschwerdeverfahren eine Gebühr nach §§ 97 Abs. 1 S. 1, 91 Nr. 1 BRAGO für den Verteidiger nicht mehr angefallen ist. Zwar hat der Anwalt gemäß § 92 Abs. 2 S. 1 BRAGO grundsätzlich für jede der in § 91 bezeichneten
Tätigkeit einen gesonderten Gebührenanspruch. Hierbei ist jedoch § 13 BRAGO zu beachten. Da die Gebühren des § 91 BRAGO Pauschcharakter haben, wird durch die Gebühr aus § 91 Nr. 2 BRAGO die Tätigkeit des Rechtsanwalts von der Bestellung bis zur vollständigen Erledigung der Angelegenheit vergütet (vgl. o. g. Beschluss des hiesigen 4. Strafsenats vom 05.03.1997; OLG Koblenz, JurBüro 1990, 879; Gerold/Schmidt-Madert, a.a.O., § 91 RdNr. 4; Madert in AnwBl. 1982, 176 - hier: Abschrift IV). Die Tätigkeit vor der Strafvollstreckungskammer und im Beschwerdeverfahren vor dem Senat bildet deshalb gebührenrechtlich nur eine Instanz (Beschluss des 2. Strafsenats des OLG Hamm vom 31.01.1992 - 2 Ws 466/91 -).
Da zudem die Gebühr des § 91 Nr. 1 BRAGO nur für eine nicht in den Nummern 2 und 3 der Vorschrift erwähnte Beistandsleistung entsteht, können die Gebühren nach § 91 Nr. 1 und 2 BRAGO nebeneinander im gleichen Rechtszug nur entstehen, wenn voneinander getrennte Einzelaufträge vorliegen (Gerold/Schmidt-Madert, a.a.O., § 92 RdNr. 4). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Nach Zurückverweisung hat der Pflichtverteidiger den Anhörungstermin am 04.03.1999 wahrgenommen (Bd. II Bl. 339).
Durch die Tätigkeit vor der Strafvollstreckungskammer nach Zurückverweisung hat der Pflichtverteidiger meines Erachtens eine weitere Gebühr nach §§ 97 Abs. 1 S. 1, 91 Nr. 2 BRAGO in Höhe von 200,00 DM gegenüber der Landeskasse verdient. Denn das Verfahren nach Zurückverweisung stellt gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 BRAGO gebührenrechtlich einen neuen Rechtszug dar. Eine Anrechnung der im Verfahren nach Zurückverweisung entstandenen Gebühr auf die zuvor bereits angefallene Gebühr erfolgt nicht; § 15 Abs. 1 S. 2 BRAGO findet im Strafverfahren keine Anwendung (vgl. z. B. Göttlich/Mümmler, a.a.O., Stichwort "Zurückverweisung" Nr. 1.6; Riedel/Sußbauer-Fraunholz, BRAGO, 8. Auflage, § 15 RdNr. 9).
Gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 04.03.1999 (Bd. II Bl. 341 ff.) hat der Verteidiger für seinen Mandanten am 30.03.1999 sofortige Beschwerde eingelegt (Bd. II Bl. 354), die der erkennende Senat am 04.05.1999 verworfen hat (Bd. II Bl. 362).
Unter Hinweis auf die entsprechenden obigen Ausführungen bin ich der Ansicht, dass auch für das zweite Beschwerdeverfahren eine Gebühr nach §§ 97 Abs. 1 S 1, 91 Nr. 1 BRAGO nicht angefallen ist.
Im Strafvollstreckungsverfahren StVK S 284/00 verfasste Rechtsanwalt W. ausweislich der mir vorliegenden
Akten zwei Schreiben und nahm am 30.03.2000 am Anhörungstermin teil (Bd. II Bl. 373 f., 391 ff.).
Unter Bezugnahme auf meine entsprechende obigen Ausführungen bin ich der Ansicht, dass Rechtsanwalt W. für seine Tätigkeit im zweiten Strafvollstreckungsverfahren ebenfalls eine Gebühr nach §§ 97 Abs. 1 S. 1, 91 Nr. 2 BRAGO in Höhe von 200,00 DM gegenüber der Landeskasse zusteht.
Der Ansatz von drei Auslagenpauschalen gemäß § 26 S. 2 BRAGO in Höhe von je 30,00 DM ist meines Erachtens nicht zu beanstanden. Für die beiden Beschwerdeverfahren kann der Pflichtverteidiger allerdings Auslagenpauschalen ebenso wenig wie gesonderte Gebühren geltend machen, so dass die Absetzung von zwei bis fünf angemeldeten Pauschalen durch die Urkundsbeamtin korrekt erfolgt ist.
Die Berücksichtigung der Schreibauslagen und die anteilige Kürzung der Umsatzsteuer sind ebenfalls fehlerfrei. Ich halte die Festsetzung vom 03.05.2000 (Bd. II Bl. 412 R) daher für zutreffend."
Dieser Meinung tritt der Senat auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des 2. Senats des OLG Frankfurt vom 11.01.2000, auf die sich der Verteidiger bezogen hat, bei. Zunächst geht auch das OLG Frankfurt davon aus, dass grundsätzlich im Beschwerdeverfahren eine spezielle Beschwerdegebühr in Strafsachen in der BRAGO nicht vorgesehen ist. Soweit es jedoch für die Strafvollstreckungssachen eine andere Handhabung vorsieht, kann der Senat dieser Ansicht nicht folgen. Eine solche Auslegung findet keine Stütze im Gesetz. Daher ist auch in Strafvollstreckungsverfahren davon auszugehen, dass in Strafsachen das Beschwerdeverfahren und das Verfahren, in dem die angefochtenen Entscheidung ergangen ist, gebührenrechtlich eine Instanz bilden (so auch ausdrücklich für die Strafvollstreckungsverfahren OLG Düsseldorf JurBüro 1986, 870 und OLG Koblenz JurBüro 1980, 88). Daher war die Beschwerde zu verwerfen.
Da das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden, § 98 Abs. 4 BRAGO, war eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.
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