Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Ss OWi 1239/00 OLG Hamm

Senat: 1

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Verstoß gegen das Schulpflichtgesetz, Befreiung von der Klassenfahrt, Genehmigung

Normen: GG Art 4, GG Art. 6, GG Art 7


Beschluss: Bußgeldsache gegen 1. H.D. und 2. P.D.,
wegen Zuwiderhandlung gegen das Schulpflichtgesetz.

Auf den Antrag der Betroffenen vom 25. August 2000 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 18. August 2000 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 04.04.2001 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird verworfen, da es nicht geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 2, Abs. 4 Satz 3 OWiG).

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Betroffenen (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46
Abs. 1 OWiG).

Zusatz:
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde konnte keinen Erfolg haben, weil die Frage, ob und in welchem Umfang die Erteilung oder Nichterteilung einer ordnungsbehördlichen Erlaubnis oder Genehmigung eine tatbestandsausschließende oder rechtfertigende Wirkung entfaltet, obergerichtlich geklärt und damit ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist. Unabhängig davon, ob die beantragte Befreiung von der Teilnahme an der Klassenfahrt hätte erteilt werden können oder müssen, hatten die Betroffenen nach dem Sinn des vorgeschalteten behördlichen Verfahrens jedenfalls keine Befugnis, die fragliche Handlung eigenmächtig zu verweigern ("Verwaltungsakzessorität"). Daraus folgt, dass die bloße Genehmigungsfähigkeit nicht rechtfertigend wirkt, sondern dafür vielmehr ein behördlicher Gestaltungsakt erforderlich ist. Ahndet deshalb ein Gesetz ein Handeln ohne Genehmigung, so ist allein auf die tatsächliche öffentlich-rechtliche Rechtslage zum Zeitpunkt der Tat abzustellen (vgl. BGHSt 37, 21, 29; Schönke-Schröder-Lenckner, StGB, § 32 Rdnr. 62; KK-OWiG vor §§ 15 und 16 Rdnr. 24 ff. m.w.N.).

Weder der Senat noch das Amtsgericht hatten deshalb darüber zu befinden, ob die Verwaltungsbehörde (hier der Richter) das Spannungsverhältnis der hier betroffenen grundrechtlich geschützten Rechtsgüter aus Art. 4, 6 und 7 GG zutreffend abgewogen hat.

Im Übrigen bemerkt der Senat:

Die Ablehnung des Antrags der Betroffenen, den gemeinsamen Sohn von der Teilnahme an der Klassenfahrt zu befreien, stellt einen Verwaltungsakt dar. Dazu bedarf es keiner näheren Ausführungen. In diesem Fall hätte der Schulleiter der Theodor-Heuss-Schule seine ablehnende Entscheidung den Betroffenen jedoch mit einer Rechtsmittelbelehrung (Wider-
spruch) zustellen müssen. Dies wurde unterlassen, so dass zum Zeitpunkt der Klassenfahrt die ablehnende Entscheidung jedenfalls durchaus noch verwaltungsrechtlich anfechtbar war. Die am 29. September 1999 von den Betroffenen im Bußgeldverfahren vor dem Schulleiter abgegebenen Erklärungen hätten im übrigen durchaus Anlass geboten, diese auch als - mangels Rechtsmittelbelehrung nicht verspäteten - Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung des Schulleiters anzusehen. Auch das ist unterblieben.

Die Betroffenen haben ihren Antrag auf Befreiung ihres Sohnes von der Pflicht zur Teilnahme an der Klassenfahrt offensichtlich auch aufgrund ihrer Unerfahrenheit in schriftlichen Angelegenheiten nur sehr unbeholfen begründet. Das ist auch vor dem Hintergrund verständlich, dass ältere Kinder der Betroffenen in den Jahren zuvor offensichtlich wiederholt problemlos von der Schulleitung der Theodor-Heuss-Schule von der Teilnahme an Klassenfahrten befreit wurden. Jedenfalls hat die Verwaltungsbehörde dieser Behauptung der Betroffenen nicht widersprochen. Erfährt diese bisherige Praxis jedoch eine Änderung, so erscheint es als ein Gebot fairen Verwaltungshandelns, den betroffenen Bürger über die dafür bestehenden Gründe aufzuklären und ihn nicht darauf zu verweisen, dass seine - bislang akzeptierte - Begründung nicht ausreiche.

Natürlich unterliegt die Ausübung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, 6 und 2 GG Beschränkungen. Die dadurch hervorgerufenen Spannungen sind deshalb stets unter Berücksichtigung des grundgesetzlichen Gebots der Toleranz nach dem Prinzip der Konkordanz zu einem möglichst schonenden Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1975 - 1 BvR 63/68 -).

Die hier aufgezeigten besonderen Umstände des Einzelfalles wie auch die durchaus offene Frage der Gewichtung der hier zu berücksichtigenden Rechtsgüter haben den Senat zu der Erwägung veranlasst, das Verfahren gegebenenfalls mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft nach § 47 Abs. 1 OWiG ohne Auslagenerstattung einzustellen. Diese Verfahrensweise kam jedoch nicht mehr in Betracht, nachdem die Bezirksregierung in Detmold die Generalstaatsanwaltschaft ausdrücklich ersucht hatte, die dafür erforderliche Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens "aus generalpräventiven Gründen" nicht zu erteilen.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".