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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 72/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Beiordnung eines Dolmetschers für einen eingebürgerten Deutschen

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Beiordnung eines Dolmetschers; eingebürgerter Deutscher; der deutschen Sprache nicht mächtig

Normen: MRK Art. 6 Abs. 3 e

Beschluss: Strafsache gegen S.K.,
wegen versuchten Totschlags u.a.,
(hier: Beschwerde des Angeschuldigten gegen die Versagung der Beiordnung eines Dolmetschers).

Auf die Beschwerde des Angeschuldigten vom 1. März 2001 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 1. Strafkammer des Landgerichts Siegen vom 22. Februar 2001 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03.04.2001 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeschuldigten als unbegründet verworfen (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:
Gegen den Angeschuldigten hat die Staatsanwaltschaft Siegen am 29. Januar 2001 Anklage wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen, gefährlicher und schwerer Körperverletzung sowie wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz erhoben. Die Verteidigerin des Angeschuldigten hat am 19. Februar 2001 die Übersetzung der Anklageschrift in die russische Sprache beantragt und zugleich darum gebeten, dass eine Besprechung mit dem Angeschuldigten in Begleitung der Dolmetscherin stattfinden könne.

Der Vorsitzende der Strafkammer hat den Antrag zurückgewiesen, weil die Beiordnung eines Dolmetschers nur für ausländische Angeklagte in Betracht kommen könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise erhobene Beschwerde des Angeschuldigten.

Das Rechtsmittel bleibt erfolglos. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu u.a. wie folgt Stellung genommen:

"Es ist zweifelhaft, ob - wie die Strafkammer meint -
Art. 6 Abs. 3 e MRK nur bei ausländischen Angeklagten zur Anwendung kommt. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, warum ein (eingebürgerter) Deutscher, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, im Strafprozess schlechter gestellt werden sollte als ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Ausländer. Letztendlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben.

Art. 6 Abs. 3 e MRK bezweckt, dass nach den Maßstäben der Europäischen Menschenrechtskonvention der Anspruch des der Gerichtssprache nicht kundigen Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren es gebietet, ihm nicht nur alle ihm gegenüber maßgeblichen schriftlichen und mündlichen Verfahrensakte in einer ihm verständlichen Sprache bekannt zu geben, sondern es ihm auch zu ermöglichen, alle von ihm in Ausübung seiner strafprozessualen Rechte abgegebenen mündlichen und schriftlichen Erklärungen unentgeltlich in die Gerichtssprache übertragen zu lassen, soweit dies zur Wahrnehmung dieser Rechte erforderlich ist. Dies bedeutet, dass dem der Gerichtssprache nicht mächtigen Angeklagten unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger ein Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers zusteht (BGH, Entscheidung vom 26.10.2000 - 3 StR 6/00 -, abgedruckt in NJW 2001, 309 ff und NStZ 2001, 107 ff).

Dem Angeschuldigten könnte hier somit ein Anspruch auf Beiordnung eines Dolmetschers auch für die vorbereitenden Gespräche mit seiner (Pflicht-)Verteidigerin zustehen. Dies setzt allerdings voraus, dass er der deutschen Sprache nicht bzw. nicht hinreichend mächtig ist. Dies ist hier allerdings nicht festzustellen. Zwar ist bei seiner verantwortlichen Vernehmung am 13.12.1999 (Bl. 265 ff d.A.) noch eine Dolmetscherin hinzugezogen worden. Bei einer weiteren Beschuldigtenvernehmung am 17.01.2000
(Bl. 366 ff d.A.) hat der Beschwerdeführer aber auf die Frage, ob es nötig sei, bei der Vernehmungsfortsetzung einen Dolmetscher hinzuzuziehen, erklärt, er verstehe die deutsche Sprache mittlerweile so gut, dass er verstehen und antworten könne, wenn langsam gesprochen werde. Gegen Ende der Vernehmung hat er schließlich erklärt, er sei sicher, alles verstanden zu haben."

Dem tritt der Senat bei. Ergänzend ist zu bemerken, dass der Angeschuldigte bei seiner ersten Vernehmung am 13. Dezember 1999 bereits ausdrücklich erklärt hat, er verstehe die deutsche Sprache "recht gut". Im Zusammenhang mit der nachfolgenden Vernehmung vom 17. Januar 2000 hat der Angeschuldigte sodann erklärt, dass er die deutsche Sprache mittlerweile so gut verstehe, dass er, wenn langsam gesprochen werde, alles verstehen und auf Fragen antworten könne. Zum Schluss dieser Vernehmung, an der ein Dolmetscher nicht teilgenommen hat, hat der Angeschuldigte schließlich erklärt, er sei sicher, alles richtig verstanden zu haben. Unter diesen Umständen ist die einfache Erklärung des Angeschuldigten, er sei der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig, so noch nicht geeignet, das Erfordernis der Beiordnung eines Dolmetschers zu begründen. Insoweit hätte es vielmehr einer näheren Begründung der sprachlichen Schwierigkeiten des Angeschuldigten bedurft. Soweit in der Beschwerde darauf hingewiesen wird, dass neben dem mangelnden Sprachverständnis eine - in noch höherem Maße - vorhandene Kommunikationsunfähigkeit zu beklagen sei, ist nicht ersichtlich, wie diese durch die Beiordnung eines Dolmetschers beseitigt werden könnte. Sollte jedoch die Verteidigerin noch ergänzend zu den - jetzt wieder - aufgetretene Sprachschwierigkeit vortragen oder sollten diese in der Hauptverhandlung deutlich werden, wird der Vorsitzende des Schwurgerichts erneut über die Beiordnung zu befinden haben.


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