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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 1078/00 OLG Hamm

Leitsatz: Will der Tatrichter gegen den Betroffenen ein im Bußgelbescheid nicht angeordnetes Fahrverbot verhängen, muß er dem Betroffenen zuvor einen rechtlichen Hinweis erteilen.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: rechtlicher Hinweis; kein Fahrverbot im Bußgeldbescheid; Verhängung eines Fahrverbotes durch den Tatrichter

Normen: StPO 265

Beschluss: Bußgeldsache gegen A.E.,
wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 21. Juni 2000 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 29.03.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Bochum zurückverwiesen.

Gründe:
Der Betroffene ist durch das angefochtene Urteil wegen einer am 23. April 1999 begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 37 km/h zu einer Geldbuße von 300,- DM verurteilt worden. Ferner ist dem Betroffenen für die Dauer von zwei Monaten verboten worden, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat
- jedenfalls vorläufig - Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bochum wie folgt begründet:

"Die in der gem. § 79 Abs. 3 OWiG, § 344 Abs. 2 StPO gebotenen Weise ausgeführte Rüge, das Gericht hätte den Betroffenen auf die Möglichkeit der Verhängung eines Fahrverbotes hinweisen müssen, dringt durch. Da der Bußgeldbescheid ein Fahrverbot nicht angeordnet hatte, hätte der Bußgeldrichter dem Betroffenen einen entsprechenden Hinweis analog § 71 OWiG, § 265 Abs. 2 StPO erteilen müssen (zu vgl. BGHSt 29/274, 278 - 280; OLG Hamm, MDR 1980/161; OLG Koblenz, VRS 71/209 - 211). Auf diesem geltend gemachten Verfahrensverstoß kann das Urteil beruhen, weil der Hinweis den Betroffenen möglicherweise veranlasst hätte, sich dahingehend zu verteidigen, er habe die Tat nicht unter grober und beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers begangen. Ob eine solche Verteidigungsmöglichkeit bei einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung überhaupt noch hätte in Betracht kommen können, kann hier dahingestellt bleiben, weil der Bußgeldrichter den Vorsatz nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Allein der Hinweis auf die objektive Geschwindigkeitsüberschreitung von knapp 50 % (Seite 4 Mitte UA) rechtfertigt einen dahingehenden Schluss nicht (OLG Hamm, NStZ 1998/124 und VRS 96/291-293).

Der Verfahrensverstoß steht auch aufgrund der Niederschrift über die Hauptverhandlung, der insoweit eine unwiderlegbare Beweiskraft zukommt, (zu vgl. BGHSt 23/95, 96) fest.

Der vorgenannte Verstoß betrifft zwar nur den Rechtsfolgenausspruch. Gleichwohl dürfte dem Senat eine Bestätigung des Schuldspruchs mit der Maßgabe, dass der Betroffene (nur) eine fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat, verwehrt sein. Hätte das Gericht den Verfahrensverstoß nicht begangen, hätte der Betroffene in der Hauptverhandlung die Möglichkeit gehabt, den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid rechtswirksam zurückzunehmen. Der Grundsatz eines fairen Verfahrens zwingt dazu, diese Möglichkeit dem Betroffenen auch nach der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts einzuräumen, so dass auch der Schuldspruch aufzuheben und die Sache insgesamt zurück-
zuverweisen ist (zu vgl. OLG Hamm a. a. O.; OLG Koblenz
a. a. O.)."

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend:

Der Tatrichter hat die Feststellungen dazu, dass der Betroffene objektiv eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 37 km/h begangen hat, rechtsfehlerfrei getroffen, wobei es auf die in der Rechtsbeschwerde gerügte fotografische Dokumentation der Ge-
schwindigkeitsüberschreitung nicht ankommt, weil bei dem verwendeten Laser-Geschwindigkeitsmessgerät Riegl LR 90-235/P gerichtsbekannt eine fotografische Dokumentation gar nicht möglich ist. Wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat, ist es unter den gegebenen Umständen allein eine Frage der dem Tatrichter vorbehaltenen Beweiswürdigung, wie er die Aussagen der den Verkehrsverstoß beobachtenden und aufnehmenden Polizeibeamten wertet. Insoweit wäre vorliegend ein Rechtsfehler nicht erkennbar.

Gleichwohl unterliegt das angefochtene Urteil aus den o.g. Gründen der Aufhebung.

Für die erneute Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass der Tatrichter für den Fall, dass noch eine oder mehrere verwertbare Voreintragungen im Verkehrszentralregister vorliegen sollten und erneut die Verhängung eines Fahrverbotes in Betracht gezogen wird, auch § 25 Abs. 2 a StVG zu beachten sein wird.


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