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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 68 u. 69/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Anschluss an die zeitnahe Prognose des neu entscheidenden Tatrichters beim Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung wegen Verurteilung zu einer neuen Straftat

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung; neue Straftat; Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe; Anschluss an zeitnahe Prognose des neu entscheidenden Tatrichters

Normen: StGB 56 f

Beschluss: Strafsache gegen A.B.,
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a., (hier: Widerruf der Strafaussetzung in zwei Verfahren).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 8. Februar 2001 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 22. Januar 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27.04.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2. Die Bewährungszeit in dem Verfahren 14 VRs 21-9/97 StA Essen wird um ein Jahr auf sechs Jahre, die Bewährungszeit in dem Verfahren 11 VRs 153/99 StA Essen um ein Jahr auf fünf Jahre verlängert.

3. Es verbleibt bei den vorherigen Anordnungen, Auflagen und Weisungen aus den Bewährungsbeschlüssen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 22. Mai 1997 und dem Bewährungsbeschluss der VIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 11. Juli 1999.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.

Gründe:
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen hat durch den angefochtenen Beschluss die dem Verurteilten durch die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 22. Mai 1997 und der VIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 11. Juli 1999 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.

Der Widerruf ist gestützt auf die erneute Straffälligkeit des Verurteilten, der durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 18. Dezember 2000 - 41 Ds 11 Js 923/00 (800/00) - wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,- DM verurteilt worden ist. Der Verurteilte hatte am 7. Juli 2000 6,424 g Haschisch in seinem Besitz.

Hiergegen richtet sich die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat deren Verwerfung als unbegründet beantragt.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Verlängerung der Bewährungszeit.

Zwar ist der Strafvollstreckungskammer grundsätzlich darin beizupflichten, dass im vorliegenden Falle die erneute Straffälligkeit des Verurteilten innerhalb der Bewährungszeit den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung an sich rechtfertigen kann. Der angefochtene Beschluss setzt sich aber in seiner kurzen Begründung nicht in ausreichendem Umfang damit auseinander, dass die neuerliche Verfehlung nach Art und Schwere erheblich unterhalb der früheren Taten einzuordnen ist und dass der letzte Tatrichter lediglich die Verhängung einer milden Geldstrafe als ausreichend erachtet hat. Daran vermag auch die weitere Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Essen am 19. März 2001 in dem Verfahren 41 Ds 11 Js 81/01 (134/01) nichts zu ändern, in dem der Verurteilte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15,- DM verurteilt worden ist. Denn in diesem Urteil hat der Tatrichter berücksichtigt, dass diese Tat auf einem depressiven Schub des Verurteilen beruhte, der an einer schweren depressiven Grunderkrankung mit ungeklärtem Schmerzsyndrom leidet. Unter weiterer Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der Verurteilte wegen seiner Erkrankung in ärztlicher Behandlung befindet, hat der Tatrichter ihn deshalb trotz der laufenden Bewährung bewusst zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt, die dieser aufgrund seiner finanziellen Situation möglicherweise wird abarbeiten müssen. Diese zielgerichtet eingesetzte Sanktion wurde dabei in Übereinstimmung mit dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, dem Bewährungshelfer und dem Verteidiger als sinnvolle Reaktion im Hinblick auf die Persönlichkeitsstruktur des Verurteilten erachtet. Diese Erwägungen ergeben sich zwar nicht aus den Gründen des abgekürzten Urteils, wurden aber aufgrund des Beschwerdevorbringens auf Anfrage des Senats vom Tatrichter bestätigt.

Der Senat schließt sich der auf diesen Erwägungen beruhenden zeitnahen Prognose des Amtsgerichts Essen an, zumal der Tatrichter die besseren Erkenntnismöglichkeiten hatte und die Prognoseentscheidung nicht von erkennbar unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen oder nicht überzeugend ist. Denn nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Stellung einer günstigen Sozialprognose, die die Voraussetzung einer jeglichen Bewährungsstrafe ist, nicht voraus, dass eine sichere Gewähr für ein künftiges straffreies Leben bestehen muss. Es reicht vielmehr aus, wenn die Begehung weiterer Straftaten nicht wahrscheinlich ist, weil die Resozialisierung des Täters auch ohne Vollstreckung der Strafe aussichtsreich bleibt. Indiz für eine erfolgreiche Resozialisierung ist vorliegend die Therapie des Verurteilten und die Absicht, den Verurteilten die verhängte Geldstrafe abarbeiten zu lassen.

Der Senat hält es daher für noch verantwortbar, aufgrund dieser sich abzeichnenden Entwicklung, die durch eine erneute Strafverbüßung im Zweifelsfalle gefährdet würde, von einem Widerruf abzusehen und stattdessen, wie im Übrigen auch vom Bewährungshelfer und dem Verurteilten selbst angeregt, die Bewährungszeiten gemäß § 56 f Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB jeweils um ein Jahr auf insgesamt sechs bzw. fünf Jahre zu verlängern.

Der Verurteilte muss sich jedoch darüber bewusst sein, dass dies eine letzte Chance der Resozialisierung ist. Eine neuerliche Straffälligkeit im Rahmen der laufenden Bewährungszeit wird zwangsläufig den Widerruf der gewährten Strafaussetzungen zur Bewährung zur Folge haben.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 3 und 4 StPO und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Verurteilte sein Beschwerdeziel zur Gänze erreicht hat.


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